Künstliche Intelligenz verändert Organisationen – KI braucht Change Management

KI wird viele Prozesse und Aufgaben stark verändern und hat künftig mehr Einfluss auf die Wettbewerbsposition. Damit stehen  Unternehmen vor großen Change-Aufgaben, um die Menschen gut zu begleiten. Zum Glück hilft KI auch Change-Management-Teams bei ihrer Arbeit.

Noch ist nicht klar, mit welcher Geschwindigkeit diese Veränderung durch KI einschlägt. Dass sie kommen wird, steht allerdings außer Frage. Erste Beispiele liefert die Nutzung von ChatGPT, das bereits viele Menschen einsetzen, um Unterstützung beim Schreiben von Texten oder bei Recherchen zu bekommen. Dort, wo die Technologie bereits in Anwendungen integriert ist, etwa beim Sales Copilot vom Microsoft, wird deutlich, dass sich die Arbeitsweisen stark verändern. Jetzt kann die KI in natürlicher Sprache zum Beispiel darum gebeten werden, alle Umsätze in einem Bereich nach Region aufgeteilt aus bestimmten Jahren zu sehen und mit anderen Rahmenwerten zu vergleichen. Copilot baut aus dieser Anforderung eine App, die genau diese Daten aus ERP- und CRM-Systemen zeigt. In wenigen Minuten wird so für Fach- und Führungskräfte möglich, was vorher eine IT-Entwicklungsaufgabe gewesen wäre.

AI Challenge ins Leben rufen. Generative AI hat das Potenzial, praktisch in jeder Branche Prozesse zu verändern. Deshalb sollte auch jedes Unternehmen die Herausforderung annehmen, sich damit auseinanderzusetzen und sich in eine neue Position zu bringen. Eine Möglichkeit dazu sind AI Camps, bei denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel jede Woche vier Stunden mit dem Nutzen von KI für ihren Bereich beschäftigen. Diesen Prozess gut zu steuern, ist keineswegs trivial.

Mit dem zunehmenden KI-Einsatz ändern sich ganze Berufsfelder- und Arbeitsprozesse. Durch Wissens- und Assistenzsysteme können Arbeitskräfte auch in komplexen Prozessen angeleitet werden, die bisher vielleicht nur Spezialisten vorbehalten waren. In einem Bereich wie der Produktentwicklung etwa kann KI vieles verändern, wenn sie mit dem spezifischen Wissen aus den eigenen Systemen trainiert wird. Zudem könnte sie den Abgleich mit gesetzlichen Regularien und Normen automatisiert vollziehen und innovative Ideenansätze einbringen. Dafür muss bereits viel Wissen, das bisher nur in den Köpfen der Mitarbeitenden existierte, digitalisiert worden sein. Konkret bedeutet dieser Wandel, dass Dinge entweder anders als vorher oder gar nicht mehr von Menschen gemacht werden. Prozesse können und sollten ganz neu gedacht werden.

Ohne Change-Begleitung sind Konflikte vorprogrammiert. Wenn diese Entwicklung jetzt verstärkt auf die Unternehmen trifft, ist Ärger quasi vorprogrammiert. Change-Management-Teams wissen, dass schon kleine Veränderungen massive Probleme in Organisationen erzeugen können. In bestimmten Branchen und Bereichen funktioniert Veränderung schlicht nur, weil der Druck von außen so hoch ist, Stichwort »Sense of Urgency«. Bewusst die Schritte hin zu einer massiven Veränderung zu gehen, ist jedoch immer der sinnvollere Weg.

HR-Abteilungen sollten deshalb mögliche Verän-de-rungen frühzeitig antizipieren und alternative Karrierepfade für Menschen im Unternehmen ausarbeiten, die besonders betroffen sein könnten. Kommunikation bekommt in diesem Kontext noch einmal einen wichtigeren Stellenwert. Es muss genau hingehört werden, welche Ängste und Erwartungen die Mitarbeiter haben. Die Einbindung der einzelnen Personen im Unternehmen zum Beispiel durch Workshops ist essenziell, damit eine Veränderung akzeptiert wird und die Bereitschaft entsteht, aktiv dabei mitzuwirken.

Keine zentral gesteuerte Prozessinnovation mehr. Gen AI bedeutet auch, dass die IT-Abteilung nicht mehr alle Prozessveränderungen steuern oder umsetzen kann. Die Ideen müssen aus den einzelnen Rollen und Fachbereichen kommen und sich auf die jeweiligen Abläufe beziehen. Eine AI Challenge kann hier hilfreich sein, um KI überhaupt salonfähig zu machen. Dafür muss nicht nur Zeit freigeräumt werden. Oft sind mehr Hilfestellung und eine Struktur nötig, etwa Sessions, in denen Beispiele gezeigt werden. Zudem kann auf Basis einer Vorbereitung durch eine Vorreitergruppe schon gezielt auf Anwendungsbereiche eingegangen werden, die für das jeweilige Unternehmen besonders lohnend erscheinen.

Die Praxis zeigt: Oft fühlen sich Menschen in ihrem Arbeitsumfeld noch weit von KI entfernt. Selbst in Bereichen wie dem Marketing, in dem es viel um Bildgenerierung geht, berichten Mitarbeitende, dass KI keinen Einfluss bei ihnen hat – obwohl gerade hier das AI-Potenzial mit Apps wie Playground AI oder DeepAI beträchtlich ist. Wenn es gewollt ist, dass Mitarbeiter selbst auf Ideen kommen, dann müssen sie auch fit gemacht werden, in KI-Kategorien zu denken und zu verstehen, was heute schon möglich ist. Wenn erste Gen-AI-Tools genutzt werden sollen, helfen sogenannte »Ambassadors«, die sich bereits damit auseinandergesetzt haben. Sie können zum Beispiel die Werkzeuge bei einem »Lunch & Learn« vorstellen, um Neugier zu wecken.

KI für Change-Aufgaben nutzen. Die Anzahl der Apps, die unterstützende KI-Services anbieten, explodiert derzeit. Ein Beispiel aus dem Change Management: Aus einer Videosprachaufnahme von rund 20 Sekunden wird von der AI-App HeyGen ein Avatar erstellt. Der Avatar kann dann jeden beliebigen Text in unterschiedlichen Sprachen wiedergeben – und zwar täuschend echt in der Stimme dieses Menschen und mit ganz natürlichem Klang. Das bringt völlig neue Möglichkeiten, um Lehrvideos, Trainings und Webinare gleich in verschiedenen Sprachen zu erzeugen. Werden einmal erarbeitete Texte an die KI weitergegeben, kann sie daraus beispielsweise auch einen Podcast erstellen. Wenn jetzt die KI zwanzig Podcasts in weniger als einer Stunde erzeugt – was passiert dann mit der Zeit, die frei wird? Dieses Beispiel zeigt schon exemplarisch einen Aspekt, auf den viele Beteiligte aus Fachabteilungen, HR, und Change Management gute Antworten finden müssen.

So bringt Gen AI das Change Management voran. Gen AI kann zugleich das Change Management deutlich stärken. In Change-Prozessen gilt es, Information auf einzelne Zielgruppen herunterzubrechen, den jeweiligen Hintergrund und Wissensstand zu erkennen. Die Informationserstellung ist traditionell mit viel Arbeit verbunden. Large Language Modelle und GenAI-Tools wie ChatGPT können bei der zielgruppenspezifischen Ansprache helfen, indem Dokumente automatisch unterschiedlich ausformuliert werden. Dabei wird etwa die Dringlichkeit so vermittelt, dass sie von den Zielgruppen verstanden und mit ihrem Alltag in Verbindung gebracht werden kann. Veränderungsprozesse haben viel mit Kompetenzvermittlung zu tun. Schulungskonzepte und Trainings-Videos sind oft mit viel Zeitaufwand und Budget verbunden: Hier machen KI-Ansätze einen entscheidenden Unterschied.

Change-Teams können KI auch nutzen, um anhand von Analysen in offiziellen Austauschmedien wie Yammer die Stimmung in einzelnen Gruppen der Belegschaft besser einzuschätzen. So lässt sich oft noch einmal deutlicher erkennen, wo es Probleme gibt, die intensiver aufgenommen werden sollten. Das Thema Datenschutz muss hier besonders sensibel gehandhabt werden. Grundsätzlich besteht eine weitere zentrale Aufgabe darin, dass im Unternehmen die Kompetenz entwickelt wird, rechtliche und verfahrenstechnische Herausforderungen zu erkennen. Es braucht Guidelines, damit nicht etwa Firmendaten oder Intellectual Property in Anfragen an ChatGPT eingespeist werden, die dann als Allgemeingut enden. Integrierte Lösungen wie Copilot berücksichtigen bereits implizit Datenschutz und Security.

Alte Rezepte greifen bei KI nicht. Die rasante Geschwindigkeit der Veränderung, die voraussichtlich mit AI einher gehen wird, erfordert grundsätzlich eine höhere Change-Fähigkeit und das Verständnis von »Transition Work«. Es kann nicht mehr wie früher für einzelne, von »oben« vorgegebene Veränderungen ein Change-Management-Projekt aufgesetzt werden. Stattdessen muss klar sein, dass sich die Organisation in einem kontinuierlichen Change-Prozess befindet. Es braucht deshalb Change-Expertise im Unternehmen selbst. Vor allem aber ist dafür eine veränderte Organisation nötig, in der die Führung nicht mehr top-down funktioniert. Die steigende Komplexität bewirkt, dass nicht mehr nur wenige Köpfe im Management alle Themen lösen können. Stattdessen geht es um das -Empowerment der Arbeitskräfte und um agile Strukturen mit selbstorganisierten Teams, in denen Verantwortung übernommen wird. Dieser Prozess braucht Zeit: Es dauert erfahrungsgemäß lange, bis die Menschen sich entsprechend in Richtung Eigenverantwortlichkeit umgestellt haben. Auch deshalb ist es so wichtig, jetzt damit anzufangen.

 


Andreas Eichhorn,
Agile-Spezialist und Managing Partner
bei Cosmo Consult Business Design

 

 

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