Wenn heute jemand in der Informationstechnologie sagt »Ich habe etwas Neues«, meint er damit meist keine Innovation mehr, sondern eher Funktionserweiterungen, Komfortdienste oder einfach nur Dekoration. Warum das neue Produkt des Berliner ECM-Herstellers OPTIMAL SYSTEMS GmbH tatsächlich eine neue, moderne Software ist, erklärt Chief Operating Officer (COO) Gregor Wolf.
Herr Wolf, Sie sind COO bei OPTIMAL SYSTEMS. Erzählen Sie uns bitte kurz etwas über Ihre Firma.
Wir beschäftigen uns seit 26 Jahren mit Softwarelösungen für Enterprise Content Management (ECM). Wir befassen uns also mit digitalen Akten im weitesten Sinne. Das kann sehr viel sein, nämlich alles, was überhaupt zu digitalisieren ist oder bereits digital vorliegt sowie alles, was digital bearbeitet und zur Verfügung gestellt oder integriert werden muss – branchen- und abteilungsspezifisch oder unternehmensweit. Die Basis unserer Lösungen ist unser modular aufgebautes und äußerst erfolgreiches ECM-System enaio® blueline.
Jetzt haben Sie aber ein Produkt auf den Markt gebracht, das nicht als Upgrade verstanden werden soll, sondern tatsächlich etwas Neues bietet. Was ist daran neu?
Eine berechtigte Frage. Die neue Produktlinie enaio® redline adressiert nämlich die gleichen Probleme wie unsere bisherigen Lösungen, die auf enaio® blueline basieren. Wir machen es jetzt aber auf eine ganz andere Weise mit der völlig neu entwickelten Software-Linie redline.
Alle großen ECM-Systeme weltweit sind Systeme, die seit vielen Jahren kontinuierlich weiterentwickelt werden. Wenn Sie ein System kontinuierlich weiterentwickeln, dann müssen sie im Interesse aller Bestandskunden upgrade-kompatibel bleiben – dann können Sie nicht fundamentale Architekturprinzipien außer Kraft setzen und einfach mal neu anfangen. Deshalb glaube ich, dass es gar nicht möglich ist, gleichzeitig eine moderne Architektur des Jahres 2017 zu bieten und upgrade-kompatibel zu einem System zu sein, das sie in den 90ern entworfen haben.
Deshalb sind nicht alle Systeme altmodisch oder gar veraltet. Aber die grundlegenden Architekturprinzipien von 2017 gab es vor knapp zehn Jahren noch gar nicht. Aus diesem Grund ist enaio® redline ein grundlegend anderes Produkt, es hat nämlich eine fundamental andere Architektur.
Hinzukommend gibt es aber auch andere Entscheider als vor zehn Jahren. 2017 sind andere Metaphern im Spiel: Mobilität, Einfachheit, Übersichtlichkeit, schneller Return on Investment, weniger Funktionalität, bewusster Verzicht. Wer heute über Software entscheidet, schaut vielleicht viel weniger auf Funktionalität und zählt nicht mehr die Features, sondern fragt eher: »Wie funktioniert das auf unterschiedlichen Devices? Können meine Mitarbeiter damit auch von zu Hause oder am Flughafen arbeiten? Wie kann ich das integrieren? Wie passt das zu anderen modernen Systemen?«
Sie bedienen also unterschiedliche Ansprüche?
Eher unterschiedliche Erwartungshaltungen von unterschiedlichen Technologieentscheidern. Unsere enaio® blueline ist das Produkt, das wir seit vielen Jahren kontinuierlich weiterentwickeln. Es hat eine enorme funktionale Breite und eine große Bandbreite an Modulen. Es steckt ein riesiger Erfahrungsschatz, viele Lösungen und die Upgrade-Kompatibilität darin.
Mit enaio® redline adressieren wir dagegen diejenigen, die sagen: »Diese Systeme mit funktionaler Vielfalt sind mir zu breit. Ich will diese Funktionen nicht. Ich will es einfacher, schmaler, dafür aber schneller und cooler. Alles, was das System kann, muss es auf einheitliche Weise tun, auch wenn ich es in ein anderes System integriere.« Und ich glaube nicht, dass eines der ECM-Schwergewichte dadurch leichtgewichtig wird, dass ich die vielen vorhandenen Funktionen einfach nicht benutze.
Wie erfüllt enaio® redline denn nun diese Erwartungen?
Niemand wird von seiner Software behaupten, sie sei kompliziert oder überladen. Das Stichwort heißt hier Leichtgewichtigkeit – und Leichtgewichtigkeit ist ein Designprinzip. Das kann man nur von Beginn an ausprägen, nicht nachträglich, wenn es schon schwergewichtig geworden ist.
Was bedeutet Leichtgewichtigkeit beispielsweise in einem Client – also dem Stück Software, das die Endbenutzer sehen. In enaio® redline gibt es überhaupt nur eine einzige Client-Technologie. In dieser Technologie – egal ob man jetzt weiß, wie diese funktioniert oder nicht – läuft dieser eine Client auf einem iPad, auf einem Android-Pad, auf einem Desktop-PC, auf einem großen Bildschirm, auf einem kleinen Bildschirm, auf einem mobilen Gerät, auf einem nicht mobilen Gerät. Leichtgewichtig. Ein einziger. Warum hat nicht jedes ECM das seit 1992 so gemacht? Weil es vor 2015 überhaupt keine wirklich funktionierende Technologie dafür gab.
Man kann natürlich bestehende Systeme mit neuen Technologien ergänzen, wie es jeder große ECM-Hersteller macht. Aber wie leichtgewichtig ist das, wenn ich gleichzeitig noch einen Client in Android-Technologie, in iOS-Technologie, für Windows als Windows-Client und so weiter habe? In allen befinden sich Funktionen, überall ein bisschen anders. Leichtgewichtigkeit à la enaio® redline heißt: Diese Funktion ist nur ein einziges Mal da, nur in diesem einen Client. Die gleiche Überlegung gilt für die Anzahl der Funktionen. Bisher hat man – meist auf Initiative der Kunden – immer mehr Funktionen ans System angebaut. So erhält man funktionale Breite. Das ist nicht per se schlecht, es ist für viele Kunden richtig. Nur nicht für alle. Denn viele Funktionen bedeuten Schwergewichtigkeit. Es gibt nämlich auch Kunden, die verzichten bewusst auf bestimmte Funktionalitäten. Durch Verzicht wird die Lernkurve niedriger und die Einführungsgeschwindigkeit steigt. Damit gibt es einen besseren Return on Investment, denn schneller und weniger eingeführt, bedeutet früheren Nutzen und weniger Projekt-, Schulungs- und Testaufwand.
Die Implementierungszeiten sind also auch kürzer?
Das Motto lautet: Runter mit allen Komplexitätshürden. Wenn die Komplexität sinkt, geht die Implementierungszeit runter, das System ist früher produktiv, schafft früher Nutzen. Und das ist für alle gut.
Ich denke da an ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr: Ein großer internationaler Maschinenbauer hat konkret gefordert, dass unser System nach einem halben Jahr live gehen muss und weltweit die Leute damit in mehreren Sprachen arbeiten können. Wie soll das mit komplexer Funktionalität gehen? Wie soll man das in sechs Monaten herstellen, ausrollen, schulen, einführen? Es ging, weil der Kunde selbst – nicht wir – ein funktional schlankes, einheitliches und technisch elegant betreibbares System wollte. Das Vorhaben wurde beim Kunden intern zu einem Riesenerfolg.
Gut, einfacher haben Sie erklärt. Aber wie machen Sie ein Programm einfacher und gleichzeitig leistungsfähiger?
Es ist immer die Frage, was Sie unter Leistung verstehen. Für den einen ist es Funktionalität, die bieten wir mit unserer blueline, die inzwischen über mehr als 200 Fachanwendungen verfügt. Es gibt aber auch den eben erwähnten Maschinenbauer. Der will diese Komplexität reduzieren, für den bedeutet Leistungsfähigkeit nicht viele Funktionen zu haben, sondern nur die notwendigen, dafür übersichtlich, schlank, elegant und schnell.
Skalierbarkeit ist ein zweiter Aspekt von Leistungsfähigkeit, wenn man es mit unstrukturierten Daten zu tun hat. Unstrukturierte Daten wie Multimedia, z. B. Audios und Videos, werden einfach immer größer. Zur schieren Anzahl – Stichwort Big Data – kommt also auch noch die Größe hinzu. Nach neuesten Prognosen steigt die Informationsmenge in den nächsten Jahren auf das 80-fache an. Damit wird Skalierbarkeit in den Systemen ungeheuer wichtig. Und OPTIMAL SYSTEMS verfolgt dabei ein Ziel, von dem wir nicht mehr so weit entfernt sind: Ein Objekt aus einer Milliarde Objekte in einer Sekunde sicher zu finden.
Ein weiterer Punkt sind Leichtgewichtigkeit und Einheitlichkeit im Betrieb. Wenn die Systeme nicht übersichtlich und einfach zu betreiben sind, dann geht ein großer Teil des vermeintlichen Nutzens verloren. Er geht verloren, weil die Systeme unglaublich aufwändig zu betreiben sind und man Heerscharen von Administratoren und Consultants braucht.
Und ein weiterer wichtiger Punkt: Es darf in der Technologie keinen Unterschied mehr geben, ob etwas On-Premise oder in der Cloud läuft. Mit der Zunahme der Datenmenge wird für den Endkunden das Problem immer kritischer, ob er sie technisch überhaupt noch beherrschen kann, wenn er sein System im Keller betreibt. Ich glaube nicht, dass es auf Dauer für ein modernes ECM-System legal ist, nur On-Premise oder nur Cloud zu können.
Sind diese drei Punkte im Moment so etwas wie ein Alleinstellungsmerkmal für die redline?
Wir sind da bescheiden. Nichts von dem, was wir tun, ist einzigartig. Wir machen Software nach modernen Prinzipien des Jahres 2017. Nichts, was wir verwenden ist etwas, was woanders nicht auch verwendet wird. Und das ist Absicht. Wir wollen nämlich mit standardisierten Komponenten bauen und das Rad nicht neu erfinden. Wir wollen aber die Technik von 2017 nehmen und nicht die von 1992. Wegen der offenen Standardtechnologien können wir für enaio® redline mit Fug und Recht sagen, da gibt es Millionen Menschen, die diese Technologie beherrschen, was für jeden Kunden und Partner ein enormer Vorteil ist. Wir reden bei ECM-Systemen ja immer von Systemen, die customized werden, also für den individuellen Einsatz beim Kunden durch Mechanismen der Software angepasst werden, ohne den Standard außer Kraft zu setzen. Wenn dieses Customizing auf Standards basiert, die Millionen Menschen beherrschen, dann schafft das eine Investitionssicherheit für den Kunden. Was enaio® redline also zurzeit sicher einzigartig macht, ist die ausschließliche Verwendung der aktuellsten Standards und Technologien in einem ECM-Produkt.
Wir haben noch nicht über Updates gesprochen. Wie halten Sie es damit bei enaio® redline?
Das ist noch ein wichtiger Punkt, der uns ein bisschen differenziert. Wir entwickeln die redline in continuous integration und continuous delivery. Das bedeutet, wir bringen Erweiterungen, Fehlerkorrekturen und auch neue Funktionen in sehr kurzen Zyklen von zwei Wochen produktiv auf den Markt. Das ist jetzt nicht so revolutionär, wenn man sich in die großen Cloud-Systeme als Vorbild nimmt. Die machen das nämlich so. Sie schaffen Erweiterungen und Verbesserungen in kleinen Inkrementen. Warum soll das also in einem modernen ECM nicht gehen? Das passt natürlich zu einer agilen Unternehmung extrem gut, und die möchten wir ja mit redline als Kunde oder Partner adressieren. Denn enaio® redline steht stets und überall in der neuesten Version zur Verfügung.
Herr Wolf, vielen Dank für das Gespräch.