Whitepaper: Greenwashing im Bankensektor – Risiken erkennen und vermeiden

Illustration Absmeier foto freepik

Beinahe jede Woche wird ein neuer Greenwashing-Verdacht bei Unternehmen bekannt. Auch die Finanzbranche ist von diesem unerfreulichen Trend immer wieder betroffen. Obwohl die meisten Banken sich der Bedeutung von Greenwashing bewusst sind, ist etwa die Hälfte der Institute bisher nicht in der Lage, die damit verbundenen Risiken zu bewältigen. Angesichts des steigenden Drucks in der Öffentlichkeit und hoher Strafen, die bei nachgewiesenem Greenwashing drohen, sollten die Institute nun handeln, rät Markus Quick, Partner und Spezialist für Risikomanagementberatung bei KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ein neues Whitepaper von KPMG gibt konkrete Empfehlungen, was Banken dabei beachten sollten. 

 

Noch bis vor fünf Jahren war Nachhaltigkeit in der Finanzbranche weitgehend ein Nischenthema. Heutzutage aber interessieren sich immer mehr Kundinnen und Kunden für Finanzprodukte, die ESG-Kriterien berücksichtigen. Die Institute haben das erkannt und reagieren darauf – mit neuen Produktangeboten und einer nachhaltigeren Ausrichtung des Hauses. Das führt zu drei Problemen: Erstens haben einige von ihnen den Nachhaltigkeitsbegriff bisher sehr weit ausgelegt. Begünstigt wurde dies auch dadurch, dass es bis heute keine verbindliche Definition von Nachhaltigkeit und den ESG-Kriterien gibt. Zweitens unterschätzen sie oftmals die Komplexität des Themas, denn eine nachhaltige Ausrichtung betrifft immer das ganze Haus. Und drittens wachsen die Anforderungen an Nachhaltigkeit laufend. Nicht alle sind dem bereits gewachsen.

Steigende Sensibilität der Stakeholder

Aber nicht nur das Angebot an Produkten, die als nachhaltig klassifiziert wurden, ist über die Jahre stetig gewachsen. Auch immer mehr Stakeholder reagieren mittlerweile sensibler, wenn sie das Etikett »nachhaltig« lesen. So hinterfragen Kunden und insbesondere Verbraucherschutz-Organisationen Nachhaltigkeitsaussagen deutlich kritischer als früher. Zudem haben staatliche Institutionen und Aufsichtsbehörden wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) ihr Engagement gegen Greenwashing ausgebaut. Das spiegelt sich in einer steigenden Zahl von Greenwashing-Kontroversen durch die ESMA in Europa zwischen 2020 und 2021 wider. Ein weiterer Beleg dafür ist, dass Aufsichtsbehörden und Gerichte Finanzinstitute in den vergangenen Jahren zu immer höheren Geldstrafen verurteilten. So verhängte die amerikanische Securities and Exchange Commission (SEC) eine Strafe in Höhe von 1,5 Millionen US-Dollar gegen den Finanzdienstleister BNY Mellon.

Handlungsbedarf erkannt, aber die Umsetzung hapert

Die Finanzindustrie hat es also selbst in der Hand, sich gar nicht erst dem Greenwashing-Verdacht auszusetzen. Eine kürzlich durchgeführte Marktstudie von KPMG, die dem aktuellen Whitepaper »Wenn der grüne Anstrich bröckelt: Über die Gefahr von Greenwashing und Handlungsmöglichkeiten für Finanzinstitute« zugrunde liegt, hat ergeben: Fast die Hälfte der befragten Institute ist sich der Bedeutung von Greenwashing bewusst, jedoch fehlt es ihnen an den richtigen Instrumenten und Definitionen, um Greenwashing zu vermeiden. Aber warum hapert es in der Umsetzung? Ein Grund: Im Unterschied zu klassischen Kreditrisiken handelt es sich bei Greenwashing um qualitative Risiken – und die sind deutlich schwerer zu beziffern. Doch angesichts der gewachsenen Sensibilität der Stakeholder sollte die Vermeidung von Greenwashing auch in den Instituten ganz oben auf der Agenda stehen.

Realistische Ziele setzen

Um sich den Risiken aus Greenwashing zu nähern, ist es hilfreich, zunächst ein einheitliches Verständnis für das Thema im eigenen Haus zu schaffen. Als Basis dafür kann die Greenwashing-Definition dienen, welche die europäischen Aufsichtsbehörden in diesem Jahr formuliert haben. Sie verstehen darunter »eine Praxis, bei der nachhaltigkeitsbezogene Aussagen, Erklärungen, Maßnahmen oder Mitteilungen das zugrundeliegende Nachhaltigkeitsprofil eines Unternehmens, eines Finanzprodukts oder einer Finanzdienstleistung nicht klar und angemessen widerspiegeln. Diese Praxis kann für Verbraucher, Investoren oder andere Marktteilnehmer irreführend sein« (Quelle: Progress Report on Greenwashing, ESMA, 31. Mai 2023). Aus dieser Definition können die Häuser dann ableiten, was Greenwashing für sie konkret bedeutet: Wie nachhaltig wollen sie sich positionieren und welches Nachhaltigkeitslevel können sie erreichen, ohne falsche Erwartungen zu wecken?

Wie gefährlich es ist, mehr zu behaupten, als man tatsächlich halten kann, zeigt beispielhaft der Fall einer deutschen Bank aus dem vergangenen Jahr. Sie hatte in einer Veröffentlichung geschrieben, dass ihr Bankbetrieb CO2-neutral sei. Später stellte sich heraus, dass dies zumindest diskussionswürdig war, da lediglich die Emissionen durch Investitionen in einen Baumfonds ausgeglichen wurden. Weitere Recherchen ergaben, dass die Bank einige Kriterien der Kompensation missachtete. Damit stand der Verdacht des Greenwashings im Raum – und führte zu zahlreichen negativen Berichterstattungen. Er reiht sich ein in eine Vielzahl von Fällen, die in der Finanzbranche bislang häufig Asset Manager betrafen, aber jetzt auch immer öfter in Industrieunternehmen auftreten.

Wie eine Steuerung der Risiken gelingt

Ein effektives Risikomanagement für Greenwashing braucht aber deutlich mehr als nur ein einheitliches Verständnis. Es erfordert einen verbindlichen Rahmen, der spezifische Maßnahmen zur Identifizierung und zum Management dieser Risiken ermöglicht – angelehnt an oder in Abstimmung mit den Instrumenten zum Management von Reputationsrisiken. Einen »One fits all«-Ansatz gibt es nicht, denn das Risikomanagement muss immer individuell auf das jeweilige Institut abgestimmt sein. Doch die Erfahrung zeigt: Es gibt sechs Handlungsfelder, die beim Aufbau unerlässlich sind. Welche das sind und wie die Finanzinstitute wesentliche Faktoren beim Greenwashing im Blick behalten können, erläutert das neue Whitepaper »Wenn der grüne Anstrich bröckelt. Über die Gefahr von Greenwashing und Handlungsmöglichkeiten für Finanzinstitute« von KPMG. Banken, die die dort enthaltenen Empfehlungen umsetzen, können die Risiken und Unsicherheiten in Zusammenhang mit Greenwashing wirksam steuern und böse Überraschungen vermeiden.

https://hub.kpmg.de/de/greenwashing-risikomanagement