Work-Life-Balance – Warum Managementberatung und Familie vereinbar sind

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist grundsätzlich und nicht nur in Deutschland ein schwieriges Thema. Gleichzeitig gilt die Management­beratung als eine der Branchen, in denen es besonders schwierig ist, Familie und Beruf in Einklang zu bringen und dabei nicht auf der Strecke zu bleiben. Maßnahmen, mit denen die Balance gelingt.

Managementberatung und Familie – das geht gar nicht … zumindest nicht, wenn man sich auch aktiv an der Erziehung der Kinder beteiligen und dies nicht komplett dem Partner überlassen will. Also: Teilzeit arbeiten, abends pünktlich nach Hause kommen, das kranke Kind hüten? Unmöglich!

Berater sind die ganze Woche unterwegs bei ihren Kunden, haben lange Arbeitstage und müssen immer flexibel sein. Client first, company next, self last … Dafür werden sie schließlich so gut bezahlt!

Soweit das Dilemma.

Eine Branche muss sich anpassen. Die Zeiten ändern sich allerdings. Mit der Generation Y wollen in Deutschland auch junge Mitarbeiter ein Leben neben dem Beruf haben. Junge Väter wollen genauso teilhaben an der Erziehung ihrer Kinder wie die Mütter. Und sich ein Berufsleben lang kaputtarbeiten, um dann mit Eintritt ins Rentenalter einem Herzinfarkt zu erliegen, das will keiner mehr.

Das ist auch deutlich in der Beraterbranche spürbar, die traditionell junge Leute einstellte, die eine Weile sehr hart arbeiteten und dann das Unternehmen in Richtung einer lukrativen Position in Kundenunternehmen verließen. Zumindest in dem Segment, in dem ich arbeite – der IT-Managementberatung – funktioniert das nicht mehr. Aus oben genannten Motivationsgründen ist es schwieriger geworden, junge Mitarbeiter zu rekrutieren. Gleichzeitig sind für die aktuellen Herausforderungen in der IT besonders erfahrene Berater gefragt, die auf Augenhöhe mit dem CIO agieren können. Daher haben wir ein großes Interesse daran, Mitarbeiter für lange Zeit zu halten.

Aber oh je – wenn die Berater einmal fünf bis zehn Jahre Berufserfahrung gesammelt haben, werden sie Eltern! … Und kehren oftmals der Beratung den Rücken, um in eine gehobene Position in der Linienorganisation eines Unternehmens zu wechseln, die weniger Reisetätigkeit erfordert und geregelte Arbeitszeiten verspricht. Diese Beobachtung gilt nicht für Frauen – es gibt in meiner Branche so wenige, dass ich nicht ausreichend Beobachtungen anstellen konnte, sondern insbesondere für Männer.

Daher glaube ich, dass die Managementberatung – insbesondere die IT-Managementberatung – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen muss, um mit brillanten Mitarbeitern brillante Beratung anbieten zu können. 

Aber wie kann das gelingen?

Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Beratung und Familie.  Die Vereinbarkeit von Familie und Beratung gelingt durch ein Hand-in-Hand-Arbeiten zwischen Unternehmen, Berater, Familie, Kita und den Kindern. Zwei Eigenschaften sind dabei für alle Beteiligten ganz wesentlich: Flexibilität und Verlässlichkeit. Was heiß das im Einzelnen?

Beratungsunternehmen müssen Teilzeit und Arbeiten im Home Office ermöglichen. Im Projektgeschäft ist dies viel leichter zu organisieren als in der Linienorganisation. Bei der Disposition können Teilzeitregelungen genauso wie andere Projekte berücksichtigt werden, in denen ein Mitarbeiter bereits tätig ist. Mitarbeiter in Teilzeit dürfen nicht bei Beförderungen, Aufgabenverteilung etc. benachteiligt werden. Gleichzeitig muss sich das Unternehmen darauf verlassen können, dass der Berater auch in Teilzeit und im Home Office seine Arbeit engagiert erledigt, Termine einhält etc. – schlicht, Exzellenz zeigt.

Der Berater muss unternehmerisch denken – sich seine Arbeit einteilen, Termine steuern. Das Ergebnis und der zufriedene Kunde zählen, nicht die gearbeiteten Stunden. Wenn das Ergebnis herausragend ist, wird niemand fragen, warum man montags nicht kann. Das erfordert auch, sich möglicherweise abends nach Zubettgehen der Kinder noch einmal an den Schreibtisch zu setzen oder zum Schulfest nur einen gekauften und keinen selbstgebackenen Kuchen beizusteuern. Dafür soll sich der Mitarbeiter darauf verlassen können, dass das Unternehmen ihn unterstützt und nicht benachteiligt.

In der Familie ist eine partnerschaftliche Aufgabenteilung in Erziehung und Haushalt unerlässlich. Nur wer zusätzlich nicht das gesamte Programm an Kinderversorgung und -erziehung zu stemmen hat, hat den Freiraum, um sich auf diesen anspruchsvollen Beruf ausreichend konzentrieren zu können. Eine gleichberechtigte Aufteilung der Aufgaben daheim schätzen im Übrigen auch die Kinder. 

Flexibilität und Verlässlichkeit sind auch hier ganz wichtig. Wenn beide Partner flexibel agieren und für einander einspringen, lassen sich die meisten Termine bewältigen. Ein oder zwei Babysitter oder Großeltern am Wohnort sind unerlässlich. Die Partner und auch die Kinder müssen sich darauf verlassen können, dass getroffene Vereinbarungen eingehalten werden.

Kitas müssen ausreichend Plätze zur Verfügung stellen und Öffnungszeiten anbieten, die mit einer Berufstätigkeit vereinbar sind. Krankheits- und Urlaubsvertretungen für die Erzieher müssen sichergestellt sein sowie Alternativen der Betreuung in Ferienzeiten. Kitas, die ein hohes Engagement der Eltern für Arbeitseinsätze, Begleitung von Ausflügen usw. erfordern, sind mit dem Beraterberuf leider unvereinbar.

Kinder sind von sich aus unerhört flexibel. Sie passen sich an. Aber ihre Bedürfnisse müssen auch Raum finden – abends, an freien Tagen, am Wochenende, in den Ferien. Kinder müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Bedürfnisse bei all der Flexibilität, die man ihnen abverlangt, gehört werden. Sie müssen bei zwei berufstätigen Eltern oft zurückstecken, aber wirklich wichtige Dinge müssen Vorrang haben. Und wenn das wider Erwarten der selbstgebackene Kuchen ist, dann muss der eben doch sein.

Das Arbeitsleben ist nicht mehr so eindimensional wie früher. Wenn sich alle Beteiligten darauf einlassen, gelingt die Vereinbarkeit von Beratung und Familie. Client, company, self – das ist ein tägliches Ausbalancieren. Was gerade am wichtigsten ist, erhält den Vorrang.

Das ist anstrengend, lohnt sich aber! Ja, das ist anstrengend, für alle Beteiligten. Ich meine aber, dass es sich lohnt. Es ist wunderbar, einen Beruf, den man liebt, nicht wegen der Ankunft von Kindern aufgeben zu müssen. 

Für die Beratungsunternehmen ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Mitarbeiterbindungsinstrument erster Güte, insbesondere für erfahrene Mitarbeiter, und nicht nur für Frauen. Das sollten wir nutzen!

Die beschriebenen Maßnahmen tragen dazu bei, die Managementberatung zu einem attraktiven Beruf für erfahrene Mitarbeiter zu machen und das Image der Beratung zu modernisieren. Das brauchen wir unbedingt, um auch in Zukunft talentierte Menschen anzuziehen, als Mitarbeiter zu halten und somit exzellente Beratung zu erbringen!


Dr. Ursula Löbbert-Passing promovierte 2004 über Methoden zur Aufwandsschätzung für Softwareprojekte. Die Kosten für Applikationen ließen sie seither nicht mehr los. Bei LEXTA leitet sie den Bereich Application Management und ist verantwortlich für die Benchmarkingmethoden für Applikationsbetrieb und Applikationsentwicklung. Sie hat drei Kinder.
www.lexta.com

 

 

Illustrationen: © LIsaeva Anna /shutterstock.com 

 

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