Die Blockchain-Technologie dient als Trägermedium für Waren, Geld, Rechte oder Informationen, um durchgängig digitalisierte Geschäftsmodelle zu realisieren.
Noch wird die Blockchain-Begeisterung gebremst durch Berichte, die dieser Technologie eine mangelnde Performance und zu hohe Energiekosten nachsagen. Deshalb halten sich viele Unternehmen noch mit Investitionen in eine solche Blockkette zurück, die eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen mittels kryptographischer Verfahren miteinander verkettet. Dies, obwohl der Blockchain über sogenannte Token und eine Token Economy den Organisationen und ihren Partnern neue verheißungsvolle Geschäftsmodelle eröffnet.
Guido Weiland, Experte für diese Technologie beim Beratungshaus Materna Information & Communications SE, ist dennoch überzeugt: »Die Zeit für Early Adopters ist schon heute gekommen, in ein Blockchain-Projekt zu investieren, aufgrund effektiver und effizienter Geschäftsmodelle, die Organisationen und ihre Partner darüber umsetzen können.« »manage it« hat Guido Weiland zu diesem Thema befragt.
Was ist genau eine solche Blockchain?
Eine Blockchain wird zur Protokollierung, Validierung und Abrechnung regelkonformer Transfers nativer digitaler und digitalisierter physischer Güter zwischen untereinander unbekannten Teilnehmern verwendet. Eine Blockchain ist quasi ein digitales Kontobuch, das alle Transaktionen enthält und diese Transaktionen manipulationssicher protokolliert. Die innerhalb dieser Blockkette eingesetzten Werte können Waren, Geld, Rechte oder Informationen sein. Mithilfe einer Blockchain und darin eingesetzten Werte können über Smart Contracts Leistungen abgerechnet, die Ausführung von Logiken abgesichert und Prozessbedingungen überprüft, also komplette Prozesse automatisiert werden.
Wie sehen die Prognosen für die Anwendung der Blockchain-Technologie aus?
Der Digitalverband Bitkom hat unter Unternehmen der IT- und Telekommunikationsbranche für 2018 eine Trendumfrage durchgeführt. Das Ergebnis dieser Umfrage: Jedes vierte dieser Unternehmen (26 %) zählt die Blockchain zu den maßgeblichen Technologie- und Markttrends dieses Jahres. IDC sieht voraus, dass bis 2021 mindestens 25 % der weltweit größten Unternehmen im großen Stil Blockchain-Dienste im Rahmen ihrer digitalen Vertrauensstrategie nutzen werden. Und mit Blick auf Europa: Hier sollen die Ausgaben in diese Technologie von 200 Millionen US-Dollar in diesem Jahr auf 1,8 Milliarden Dollar in 2021 emporschnellen.
Wie werden diese Werte, die Waren, Geld, Rechte oder Informationen sein können, technisch dargestellt?
Token bilden diese digitalisierten Werte ab. Dieser durch ein Token repräsentierter Wert kann beispielsweise eine digitale Identität eines materiellen Gutes wie ein Dokument oder ein Schlüssel sein, der Türen öffnet oder einen Motor startet. Oder anders ausgedrückt: Ein Token steht generell für das Recht an Eigentum oder die Nutzung beliebiger Werte. Dazu zählen auch Dienstleistungen ebenso wie Anteile an Immobilien, Unternehmen oder anderen Organisationen. In einer Token Economy ist das Token die Basis des Angebots, der Nachfrage und des Austauschs (Handels) digitalisierter Werte zwischen den Teilnehmern eines Geschäftsnetzwerks. Die Blockchain-Technologie dient dabei nur als Trägermedium für solche Werte, um über diese Blockkette durchgängig digitalisierte Geschäftsmodelle zu realisieren.
Welche Branchen sehen Sie als prädestiniert für den Einsatz der Blockchain zum Transport, Abgleich und zur Protokollierung von Werten an?
Das potenzielle Einsatzspektrum reicht weit: vom Finanz- und Versicherungssektor über den Bereich Logistik bis hinein in den Produktionsbereich wie Automotive. Nicht zu vergessen der Einsatzbereich »öffentliche Verwaltung«. Hier kann eine Bürger-Blockchain Datenlieferungen von Bürgern verlässlich protokollieren und manipulationssicher abspeichern. Auf diese Weise lassen sich auch Identitäten validieren, eingetragene Rechte überprüfen und Veränderungen, Auskünfte und Nachweise manipulationssicher nachvollziehen und dokumentieren. Materna hat für den Einsatzbereich »öffentliche Verwaltung« bereits eine solche Citizen Blockchain entwickelt. Prinzipiell ist der »Transaktionsriemen« aber überall dort einsetzbar, wo eine universelle Beglaubigungstechnik gefordert ist.
Was ändert sich mit dem Einsatz von Token innerhalb der Blockchain, was die Sicherheit persönlicher Daten betrifft?
Mit dem Einsatz von Token erhöht sich nicht nur die Sicherheit persönlicher Daten sondern auch die Transparenz beim Handling dieser Daten. Vertrauen, Transparenz und Sicherheit bei digitalen Transaktionen ohne eine zentrale Vermittlungsinstanz sind deshalb elementar für jedes Blockchain-Projekt. Token erschließen nicht nur eine neue Form des Handelns. Sie räumen den Verbrauchern auch die Hoheit über ihre persönlichen Daten ein. Der Verbraucher kann als Eigentümer seiner persönlichen Daten, die innerhalb der Transaktionskette prozessiert werden, über Zugriffstoken flexibel bestimmen, welche Personen oder Organisationen Zugriff auf seine Daten erhalten sollen. Er kann zudem seine persönlichen Daten auf der Blockchain jederzeit einzusehen und selbst pflegen.
Was steht dem Einsatz der Blockchain-Technologie noch entgegen?
Ihr werden immer noch eine fehlende Performance und zu hohe Energiekosten nachgesagt, obwohl diese vermeintlichen Nachteile gerade dabei sind, sich zu relativieren. Sogenannte Second-Layer-Technologien wie Lightning Network und Raiden werden bei den Public Blockchains Bitcoin und Ethereum in absehbarer Zeit bis zu einer Million Transaktionen pro Sekunde ermöglichen. Auch der vermeintliche Energie-Overhead von Blockchains ist dabei, sich stark zu relativieren, indem bei neuen Entwicklungen der energie-intensive Konsensmechanismus Proof of Work bei der Bestätigung von Transaktionen ausgespart wird.
Welches Einstiegsprojekt empfehlen Sie den Unternehmen?
Zunächst sollte das Unternehmen klären, welche Werte innerhalb des Ökosystems sich sinnvoll als Token abbilden lassen und worin für die eigene Organisation und die Partner der größte Nutzen eines Blockchain-Einsatzes steckt.
Um auf Ihre Frage des Einstiegsprojekts zurückzukommen: Ein guter Start für das Unternehmen ist, ohne Token und Smart Contracts die Synchronisation von Stammdaten über viele Instanzen über eine Blockchain zu realisieren. Denn die Kernaufgabe einer Blockchain besteht eben darin, Transaktionsdaten in einem verteilten System automatisch zu synchronisieren. So gelöst, muss sich der Verwalter der Blockchain aufgrund der im Hintergrund wirkenden Automatismen um die Synchronisation nicht mehr kümmern. Auf diese Weise umgesetzt, können Unternehmen zudem ihre Synchronisationsprojekte nicht nur erheblich beschleunigen, sondern auch den Aufwand und die Kosten dafür erheblich reduzieren.
Das Interview führte Hadi Stiel, freier Journalist,
Kommunikationsberater und geprüfter
IT-Sachverständiger in Bad Camberg.
Bild: © Materna
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