Aufwandsarme KI-Nutzung ohne Training? – KI allein zu Haus

Wenn nur der Aufwand nicht wäre! Mehr und mehr Anwendungen aus der Praxis zeigen den konkreten Nutzen von KI für Unternehmen – gleichzeitig jedoch auch den nicht unerheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand, der investiert werden muss, um Datenqualität sicherzustellen und neuronale Netze effektiv zu trainieren. Da klingt die KI-Methode des »Unsupervised Learning« beinahe zu schön, um wahr zu sein: Sie liefert Ergebnisse ohne vorausgehendes Training. Doch eignet sie sich wirklich für alle Arten von Anwendungsfällen? Und wie lässt sich der Aufwand für KI-Projekte alternativ reduzieren?

Im Oktober 2015 ging die Sensation durch die Medien: Eine künstliche Intelligenz mit dem Namen »AlphaGo« hatte zum ersten Mal in der Geschichte einen professionellen menschlichen Spieler in der japanischen Schachvariante »Go« geschlagen. Zwei Jahre später hieß die neue Version »AlphaGoZero« und war in der Lage, sich das Spiel von Grund auf selbst beizubringen – allein auf Basis der Regeln, ohne dabei Daten aus bestehenden menschlichen Spielen zu analysieren. Nach nur drei Tagen war sie stark genug, AlphaGo zu schlagen – mit 100:0.

Wer derzeit selbst mit dem Gedanken spielt, ein KI-Projekt im Unternehmen zu realisieren, blickt vielleicht mit einem gewissen Neid auf Beispiele wie diese. Während sich AlphaGoZero selbstständig trainierte, erfordert die Business-KI unter Umständen eine enge Kooperation mit einem menschlichen Trainer, der die KI beaufsichtigen und für unmittelbares Feedback zu ihren Ergebnissen sorgen muss. In der Praxis kein zu vernachlässigender Kostenfaktor. Warum also ist nicht auch eine Business-KI in der Lage, sich selbst zu trainieren?

Die Antwort lautet: Es kommt auf den Anwendungsfall an. Generell kennt die KI-Forschung drei Arten, wie eine künstliche Intelligenz trainiert werden kann: per »Supervised Learning«, »Reinforcement Learning« oder »Unsupervised Learning«. Bei ersterer Methode erhält die KI für jede Entscheidung ein konkretes Feedback, ob diese korrekt war oder nicht. Im Falle des »Unsupervised Learning« analysiert die KI ohne vorheriges Training einen bestehenden Datensatz und versucht, anhand von statistischen Zusammenhängen Muster darin zu erkennen. Beim »Reinforcement Learning« handelt es sich um eine Zwischenvariante. Hierbei erhält die KI nicht auf jede Entscheidung Feedback, orientiert sich jedoch an einem generellen »Performance Index«, der sich mit ihrer Aktivität verändert. So nutzte AlphaGoZero, das in diese Lernkategorie fällt, den Parameter »Gewinnwahrscheinlichkeit«, der sich im Verlauf des Spiels verbesserte oder verschlechterte.

Supervised Learning: Autoritäre Erziehung für die KI. Welche dieser Lernmethoden in einem konkreten Szenario zum Einsatz kommen kann und muss, hängt von den jeweiligen Gegebenheiten und der Zielsetzung des KI-Einsatzes ab. Ist bekannt, was die künstliche Intelligenz genau erlernen soll, und sollen diese klaren Regeln später auf neue Datensätze angewendet werden, erfordert dies ein Supervised Learning. Deutlich wird dies beispielsweise am Einsatz von KI für die Automatisierung von Routinetätigkeiten. Hierzu soll eine KI die bestehenden Prozessabläufe in einem Unternehmen analysieren und auf dieser Basis die Abläufe ermitteln, die in der Regel immer gleich ablaufen und sich daher für eine Automatisierung eignen.

Ein solcher Fall wird per Supervised Learning durchgeführt. Für jede Annahme der KI (»Dieser Prozess kann automatisiert werden« oder »Dieser Prozess kann nicht automatisiert werden«) kann ein eindeutiges Feedback »richtig« oder »falsch« zurückgegeben werden. Im Falle des Reinforcement Learning wäre dies nicht der Fall: Ein bestimmter Zug der KI im Spiel Go kann nicht eindeutig als richtig oder falsch kategorisiert werden. Er mag vielleicht zunächst unklug erscheinen, auf längere Sicht jedoch zu einem Vorteil im Spiel führen und die Gewinnwahrscheinlichkeit erhöhen.

Im Fall der Prozessautomatisierung ist ein konkretes Feedback durch den Trainer jedoch möglich und erforderlich. Diesen Zweck können im Übrigen auch Datenlabels im Trainingsdatensatz erfüllen, die für jeden Testdurchlauf von vornherein das gewünschte Ergebnis vermerken. Ist diese Zusatzinformation in den Trainingsdaten vorhanden, erhält die KI auch auf diese Weise nach jeder Entscheidung eine Rückmeldung, ob sie richtig lag oder nicht. Auf welche Weise auch immer das Feedback bereitgestellt wird – der Anwender kommt nicht umhin, Zeit in das Training oder alternativ das Vorab-Labeling der Daten zu investieren.

Mit Unsupervised Learning Unbekanntes erforschen. Ist dies also der Regelfall für den KI-Einsatz im Geschäftskontext? Nicht unbedingt. Neben Fällen für das Supervised Learning sind auch Szenarien für Reinforcement oder gar Unsupervised Learning möglich. Ein Beispiel für letzteren Fall ist die Optimierung der Lagerhaltungsparameter. Dabei soll durch KI für eine kontinuierliche Aktualisierung von Mindestbeständen, Bestellmengen oder Dispositionsarten gesorgt werden – auf manuellem Weg ein zeitraubender Prozess.

Im Gegensatz zur Prozessautomatisierung ist hier zu Beginn nicht klar, zu welchem gewünschten Ergebnis der KI-Algorithmus kommen sollte. So lässt sich vor der Analyse nicht sagen, ob das Ergebnis »Dieser Artikel sollte auftragsbezogen disponiert werden« richtig oder falsch ist. Vielmehr geht es darum, gerade dies herauszufinden und zu prüfen, ob sich bestimmte, bislang unbekannte Muster in den bestehenden Datensätzen erkennen lassen.

Im konkreten Fall der Lageroptimierung kommt dazu das sogenannte »t-SNE«-Modell (»t-distributed stochastic neighbor embedding«) zum Einsatz, das es ermöglicht, Daten in einem Koordinatensystem zu visualisieren, indem ihre Position durch ihre Eigenschaften bestimmt wird. Auf diese Weise lassen sich dann beispielsweise Gruppen oder Kategorien innerhalb der Daten erkennen – etwa die Beschaffungsart »lagerbezogen« und »auftragsbezogen«.

Da in solchen Fällen die KI weitestgehend selbstständig arbeitet, besteht hier durchaus eine Zeitersparnis im Vergleich zum Supervised Learning. Gleichzeitig ist die Qualität der Ergebnisse noch stärker von der Qualität des Datensatzes abhängig, da kein Trainer als Kontrollinstanz im laufenden Prozess fungiert. In einer konkreten Umsetzung des beschriebenen Szenarios konnten etwa mithilfe des t-SNE-Modells in einem Fall zunächst keine Kategorien ermittelt werden, das visualisierte Ergebnis war diffus. Bei näherer Betrachtung der Daten stellte sich dann heraus, dass Wareneingänge, die unmittelbar für Aufträge weiterverwendet wurden, in der Praxis nicht im System verbucht worden waren. Die Datenbasis spielgelte damit die Realität nicht akkurat wider. Erst nachdem dies behoben wurde und neue Daten gesammelt wurden, konnten die gewünschten Kategorien in den Datensätzen identifiziert werden.

Aufwand an anderer Stelle einsparen. Festzuhalten bleibt: Der Einsatz der jeweiligen KI-Methodik hängt vom Szenario sowie der gewünschten Zielsetzung ab. Doch selbst in Szenarien, die sich für Unsupervised Learning eignen, ist die KI-Einführung mit Aufwand verbunden: Die Zeit, die durch den Wegfall des Trainings eingespart wird, muss zu einem gewissen Grad in die optimale Vorbereitung des Datensatzes investiert werden, um sicherzustellen, dass die künstliche Intelligenz auch ohne unmittelbares Feedback sinnvolle Ergebnisse erzielt.

Viel mehr als bei der praktischen Umsetzung kann es daher sinnvoll sein, die übrigen Prozessschritte einer KI-Einführung zu automatisieren und damit Zeit und Kosten zu sparen, beispielsweise die Vorabprüfung und Aufbereitung des zu nutzenden Datensatzes. Dabei könnten etwa Software-Tools unterstützen, die diesen auf seine Eignung für das gewünschte Szenario prüfen und Lücken, Fehler oder Ausreißer in der Datenbasis identifizieren, die später zu Problemen in der Analyse führen könnten. Von diesem eingesparten Aufwand profitieren Unternehmen dann tatsächlich doppelt: Nicht nur führt ein geprüfter Datenbestand zu besseren KI-Ergebnissen. Er hilft auch dabei, eine mühsame, nachträgliche Fehlersuche zu vermeiden – nicht selten der Punkt, an dem der wirkliche Aufwand beginnt.

 


Christian Leopoldseder,
Managing Director Austria
bei Asseco Solutions

 

 

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