Stellen Sie sich vor, ein Politiker hält eine Rede vor großem Publikum. Sofort danach ertönen Applaus und aufmunternde Worte, aber auch Buhrufe, Widerspruch und Spott. Sie schauen sich um, wer den Krawall veranstaltet – und es sind Roboter. Was wie befremdliche Science-Fiction klingt, ist längst Realität auf Facebook, Twitter, Tumblr und vielen anderen Seiten. Software, die gemacht wird, um politisch zu beeinflussen, zu verkaufen oder auszuspionieren? Ja, alles schon auf dem Markt!
Eine Fußpilz-Salbe mit 70.000 Fans
Social Bots nennt man Softwareprogramme, die vorgeben, echte Menschen zu sein. Zuerst traten sie massenhaft auf, als Facebook ein Wirtschaftsstandort mit echter Werbekraft wurde. Damals waren es wirklich noch Menschen, die massenhaft Fake-Profile (falsche Profile, die aber echt aussehen) erstellten und betreuten. Mit geklauten Fotos und Namen waren sie als »Klickvieh« schon recht günstig zu haben. Man kaufte sich eine große Zahl dieser Profile, die kräftig auf Like klickten, wenn man schrieb und BÄMM – war man präsent bei Facebook. Man musste schon genauer hinschauen, bevor man merkte, dass häufig unzählige Fans etwa aus Asien stammten oder die Profile seltsam unpersönlich waren. Durch solche Aktionen konnte es vorkommen, dass ein übereifriger Marketing-Mensch plötzlich seiner kleinen, aufstrebenden Firma mehr Fans verschaffte, als etwa große Automarken hatten. Das sorgte für Befremden und irgendwann wurden Hunderttausende dieser Profile von den Seiten enttarnt und gelöscht.
Es geht noch billiger
Selbst wenn diese Fake-Profile meistens in Niedrig-Lohnländern erschaffen wurden, kostete das Geld, die Arbeiter mussten schlafen und (so hoffe ich) hatten auch Urlaub. Es lag also nahe, selbst diesen Job noch per Software erledigen zu lassen. Und so ersannen findige Programmierer im Graubereich zwischen legal und illegal die ersten echten Social Bots. Und das geht so: Zuerst sucht ein Programm sich passende Namen auf Seiten wie fakenamegenerator.com und Fotos über randomuser.me oder die großen Bildersuchen des Internets. Mit diesen Daten bewaffnet, muss es sich dann bei Twitter, Facebook oder wo auch immer anmelden. Die versuchen zwar, einen gewissen Schutz vor solchen Robot-Usern zu bieten, aber irgendwann ist halt jeder Schutz geknackt. Die ersten Bots hatten SPAM als Auftrag. So viel Werbung wie möglich posten, bis das Profil enttarnt und gelöscht wurde. Das war mehr als ärgerlich, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange.
Sei mein Freund!
Man sollte eigentlich meinen, dass man etwa bei Facebook bereits genug Daten preisgibt. Das reicht aber manchen Werbern nicht aus! Und so werden Bots programmiert, die sympathisch oder anziehend wirken und auf Facebook-Freundschaften aus sind. Junge Männer werden mit spärlich bekleideten Damen versorgt, junge Frauen mit hübschen Typen oder anderen Frauen, die etwa ein Hobby oder die Heimatstadt gemeinsam haben. Nimmt man die Freundschaft an, wird alles gescannt, was man je gepostet hat. Orte, Unternehmungen, Bilder, Produkte. Diese Daten gehen dann an den Auftraggeber und schon hat man ein wunderbares Profil mit allem, was eigentlich privat bleiben sollte.
Klatscher und Keifer – Krieg der Roboter
Es geht aber noch weiter und nun wird es unappetitlich. Diese Bots sind nämlich flexibler, als man denken mag. So kann man sie etwa auch so programmieren, dass sie bei Twitter Menschen loben, ihren Posts widersprechen oder sie retweeten (und damit verbreiten). Und je kürzer Beiträge sind, desto schwieriger kann man erkennen, ob es wirklich ein Mensch ist, der da schreibt. Twitter mit der Begrenzung auf 140 Zeichen ist da besonders anfällig. Nehmen wir an, in einer großen Demokratie (Name ist mir entfallen) ist bald Wahl und es gibt zwei Kandidaten, die natürlich auch bei Twitter posten. Dann setzen die Unterstützer Social Bots an, die gleich nach dem Tweet des Kandidaten ein »Wunderbar! Dieser Mann sollte Präsident werden!« oder ein »Da hat er recht! Er steht für dieses Land wie kein anderer!« antworten. Die Gegner starten ihre Bots und antworten mit »Ihre Ansichten sind schrecklich!« oder »Mein Gott, sie schaden unserem Land! Und erst diese Haare!« oder Ähnlichem.
Sind die Bots intelligent genug programmiert, können Sie sogar auf einzelne Inhalte des geposteten Textes eingehen und aus einer Datenbank passende Texte als Antwort heraussuchen. Wird etwa ein Herrschender als Diktator bezeichnet, erkennt das Programm den Namen des Herrschers, das Wort Diktator und antwortet automatisch, der Mann sei fair gewählt worden und dem Land gehe es so gut wie nie. Fertig ist der Meinungsaustausch mit einer Maschine – und mancher lässt sich überzeugen.
Auf dem Weg zur totalen Imitation
Forscher sind sich uneinig, wie sehr diese Art der Manipulation schon Früchte getragen hat. Dass diese Art der Beeinflussung schon stattfindet, ist allerdings unumstritten. Forscher der Universität Oxford haben vor dem EU-Referendum in Großbritannien untersucht, wie stark Social Bots vertreten waren. Das Ergebnis: Ein Drittel der Tweets ging offensichtlich auf derartige Programme zurück. Das ist schon unheimlich genug, doch die Entwicklung schreitet weiter voran. Inzwischen gibt es Bots, die auch im Dialog so echt wirken, dass sie bei Tests nur schwer als Maschinen enttarnt werden können. Dabei geht es noch nicht um künstliche Intelligenz im eigentlichen Sinne, sondern um die Analyse des bereits Geschriebenen und ein dickes Arsenal möglicher Antworten. Noch ein paar Jahre und der Meistbietende bekommt eine beliebige Anzahl von eloquenten Fürsprechern, die niemals schlafen und nie die Lust an der Diskussion verlieren.
Was nun?
Die großen Netzwerke wissen natürlich, dass sie als Meinungsbörse missbraucht und entwertet werden und versuchen, Social Bots zu bekämpfen. Solange die Nutzung aber noch legal ist (oder nicht strafrechtlich verfolgt wird), werden sich die Betreiber von Facebook, Twitter und Co. alleine mit dem Thema herumschlagen müssen. Da aber selbst Parteien oftmals selbst zu diesen Mitteln greifen, scheint mir ein baldiges Verbot leider unwahrscheinlich. Man wird noch kritischer sein müssen, um nicht auf die Manipulationsversuche hereinzufallen. Es bleibt zu hoffen, dass man in Zukunft echte Meinungen von echten Menschen lesen kann. Auch wenn man mit ihnen nicht immer übereinstimmt, sie entstammen wenigstens derselben Spezies.
Sven Krumrey, Ashampoo GmbH & Co. KG
Textquelle: https://blog.ashampoo.com/de/2016-08-02/bepoebelt-von-robotern-wie-social-bots-uns-beeinflussen-sollen?utm_source=ashampoo&utm_medium=automail&utm_content=bepoebelt-von-robotern-wie-social-bots-uns-beeinflussen-sollen&utm_campaign=blog
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