Digitalisierung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen – ERP-Modernisierung 2016

Digitalisierung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen

So gelingt der Umstieg, wenn disruptive Geschäftsmodelle plötzlich Agilität erfordern.

Wenn man Analysten befragt, welche IT-Trends im Jahr 2016 auf der Agenda von CIOs stehen sollten, findet man die Digitalisierung von Prozessen, Produkten und Dienstleistungen ganz weit oben auf der Liste. Forrester räumt aber auch der Konsolidierung von Altapplikationen, der Cloud und mobilen Lösungen noch einen Platz in der Top10 ein.

Kombiniert man diese Vorhersagen müssten eigentlich landauf, landab unzählige bestehende ERP-Implementierungen von einer wahren Modernisierungswelle erfasst werden. Angesichts einer Lebensdauer von zehn bis 15 Jahren dürften die wenigsten Systeme heutigen Ansprüchen an rasche Anpassungen, Agilität und Interkonnektivität gerecht werden.

Doch die Realität sieht anders aus: Entweder fehlt es an Investitionsbudgets für ein neues ERP-System oder an personellen Ressourcen, um eine Modernisierung zu stemmen. Oder ein organisatorischer Umbau – etwa die Eingliederung in eine Konzernstruktur oder die Ausgliederung aus einer größeren Unternehmenseinheit – legt solche Pläne längerfristig auf Eis.

Dessen sind sich vielzitierte Marktbeobachter wie Forrester bewusst – und dennoch gibt es unmissverständliche Anzeichen, dass sie mit ihren anfangs zitierten Prognosen richtig liegen: Es zeichnet sich ab, dass disruptive Geschäftsmodelle quer über alle Branchen und Industrien hinweg Unternehmen früher oder später dazu zwingen werden, ihre IT-Infrastruktur zu modernisieren, um mit dem Markt Schritt zu halten.

Sanfte Migrationsschritte. In Praxis bleibt CIOs, IT-Leitern und ihren Geschäftsführern nur die Wahl, den für sie besten Mittelweg zwischen »Aussitzen« und »Loslaufen« zu finden. Die Skala reicht von Eigenentwicklung fehlender Funktionalitäten an einem Ende bis zum Big-Bang-Komplettumstieg auf ein völlig neues System am anderen Ende. Dazwischen liegen zahlreiche Alternativen für eine Schritt-für-Schritt-Modernisierung.

Variante eins: Anbieter erweitern ihre ERP-Lösungen um Funktionen für BI, Customer Relationship Management (CRM), ECM oder Supply Chain Management (SCM). Das ermöglicht eine bereichsübergreifende Auftragsabwicklung oder finanzielle Unternehmensplanung und -steuerung mit nur einer einzigen Business-Software. Der Wermutstropfen: Die Verknüpfungen verbessern nicht die Agilität und Flexibilität des Core-Systems, sondern machen es noch schwerfälliger, wenn weitere Änderungen anstehen.

Variante zwei ist auf eben diese Flexibilität fokussiert. Hier spielt die Cloud eine wichtige Rolle: Softwarehersteller bieten an, ihre ERP-Lösungen aus vergangenen Jahren mitsamt individueller Anpassungen auf eine SaaS-Plattform zu heben, um Kunden so beim Betrieb zu unterstützen. Auf diesen Schritt folgt eine zweite Phase, in der gemeinsam mit dem Anwenderunternehmen ein neues Einsatzszenario einer Cloud-fähigen, aktuellen Version der alten ERP-Software erarbeitet wird – eine sanfte Modernisierung. Ist der Umstieg auf einen echten Cloud-Betrieb erfolgt, kommt der Kunden durch die permanente Wartung der Cloud kontinuierlich in den Genuss von Optimierungen und Funktionsverbesserungen.

Wenn ein Komplettumstieg unvermeidlich wird. Ein sanfter Migrationsweg braucht Zeit. Genau die fehlt aber in der Regel, wenn die Modernisierung von Geschäftsprozessen drängt – eben wenn Wettbewerber den Markt mit den bereits erwähnten disruptiven Geschäftsmodellen auf den Kopf stellen. Wer einen Komplettumstieg meistern muss, sollte die folgenden fünf Tipps beherzigen:

1. Langfristige Entwicklung berücksichtigen, ohne das Pflichtenheft zu überfrachten. Dass die Fachabteilungen ihre Wünsche in Sachen ERP-Funktionalität äußern dürfen, ist inzwischen selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich sollte es sein, gemeinsam die aktuelle Unternehmensstrategie zu prüfen und Entwicklungspunkte festzuhalten, die eine Erweiterung des aktuellen Bedarfs erfordern. Beispielsweise könnte Wachstum dazu führen, dass ab einer bestimmten Kundenzahl ein gehostetes CRM-System notwendig wird oder mit einer bestimmten Teamgröße eine vollständige Human-Capital-Management-Lösung. Idealerweise kann ein Anbieter diese künftigen Entwicklungen berücksichtigen und entsprechende Lösungen nachträglich integrieren, etwa über ein Cloud-Angebot. So lässt sich verhindern, dass das Pflichtenheft bereits beim Umstieg überfrachtet wird.

2. Produkt-Demos cleverer nutzen. Vergleichbarkeit ist in der Auswahlphase Trumpf – wie sollte ein Unternehmen sonst abwägen können, welcher Anbieter das beste Portfolio unterhält? Falsch gedacht: Wenn Anbieter ihre Lösungen nach einem strengen Vorgabenkatalog präsentieren müssen, kommt die Bewertung von Faktoren wie industriespezifischer Funktionalität, Erweiterbarkeit oder Nutzerfreundlichkeit unter Umständen zu kurz. Wer den Umfang seines ERP-Projekts auf Basis aktueller Anforderungen definiert, erlaubt Herstellern etwas mehr Spielraum für kreative Vorschläge. Daran lässt sich die strategische Ausrichtung des Anbieters und seine Eignung als langfristiger Partner oft besser ablesen.

3. Offen für Veränderungen sein. Bestehende Geschäftsprozesse zu ändern ist oft alles andere als einfach. Doch die Alternative darf nicht lauten, ERP-Standardsoftware individuell anzupassen: Customization treibt die Kosten in Bezug auf Upgrades und Support in die Höhe. Viele Anbieter bilden mit ihrer Software inzwischen industriespezifische Best Practices ab, die ohne weiteres adaptiert werden und echte Effizienzgewinne liefern können.

4. Auf Nutzerfreundlichkeit setzen. Apps auf Smartphones und Tablets sind der Maßstab, an dem sich Unternehmenssoftware heute messen muss. Je intuitiver und einfacher eine Software zu handhaben ist, desto größer ist die Akzeptanz unter den Nutzern – und desto schneller stellen sich Effizienzgewinne ein.

5. Über den Funktions-Tellerrand hinausdenken. Mobile Services und Cloud-Angebote ermöglichen Mitarbeitern, Geschäftssoftware viel flexibler als zuvor zu nutzen. In diesem Fall gilt es in der Evaluationsphase, weiterführende Themen wie Datensicherheit und Netzwerkanforderungen bereits miteinzukalkulieren.


autor_gerhard_knochGerhard Knoch,
Vice President und
General Manager DACH,
Infor
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