Industrial-IoT-Studie: Wenige Vorreiter, viele Nachzügler bei IIoT

Illustration: Absmeier Geralt

  • Industrial IoT schöpft in Deutschland die Potenziale in Fertigung und Produktion nicht aus.
  • Nur 20 Prozent der Industrie-Unternehmen setzen konkrete Projekte um.
  • Für 61 Prozent der Unternehmen ist IIoT essenziell für den Erfolg industrieller Nachhaltigkeitsinitiativen.
  • Vorteile von IIoT: Nie dagewesene Transparenz und damit agilere Unternehmensprozesse.

 

Zur Hannover Messe wird klar: Für das Industrial Internet of Things (IIoT) gibt es in Deutschland nur wenige Vorreiter und viele Nachzügler. Erst 10 Prozent der Industrie-Unternehmen führen umfassende IIoT-Projekte durch, weitere 10 Prozent in begrenztem Ausmaß. Die meisten Firmen sind derzeit noch mit Recherche (20 %), Evaluierung (30 %), Planung (20 %) und Pilotprojekten (9 %) beschäftigt. Das zeigt die aktuelle Studie »Industrial IoT in Deutschland 2022« von IDC im Vorfeld der Hannover Messe, unter anderen gesponsort von Cisco.

 

Demnach bleibt die IIoT-Nutzung in der deutschen Industrie seit rund zwei Jahren auf niedrigem Niveau. Dadurch verpassen viele Unternehmen die Chance, besser auf Probleme in Liefer- und Wertschöpfungsketten reagieren zu können. Dabei wäre der Bedarf für die Industrie in Deutschland enorm: von steigenden Energie- und hohen Frachtkosten über gestörte Lieferketten bis hin zu einem Krieg mitten in Europa. Gerade in so volatilen Zeiten wie diesen sind verlässliche Informationen und flexible Unternehmensprozesse notwendig. Genau dies ermöglicht IIoT.

 

»IIoT ist die Grundlage für eine agile Produktion, die auf interne und externe Störfaktoren in kürzester Zeit reagieren kann«, erläutert Tilman Taubert, EMEAR IoT Manufacturing Lead. »So können Unternehmen bei unvorhersehbaren Entwicklungen ihre Prozesse nachjustieren oder ihre Fertigung schnell auf neue Produkte umstellen. Zudem lassen sich Ressourcen gezielter einsetzen, um nachhaltiger zu produzieren und Ausschuss zu vermeiden.«

 

Trotz dieser Vorteile setzt sich IIoT in Deutschland nur langsam durch. Das liegt zum Teil an der von Krisen geprägten wirtschaftlichen Lage der letzten Jahre. So sind betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Gewinn und Kosten (40 %), Produktivität (38 %) und Kundenbindung (29 %) für das Business in den Fokus gerückt. Die Gründe für die geringe IIoT-Adaption liegen jedoch weniger am mangelnden Willen oder Interesse, sondern viel mehr in den Herausforderungen bei der Umsetzung selbst. Skepsis, fehlendes Know-how und veraltete Technologien stehen dabei im Vordergrund. Diese Herausforderungen für IIoT lassen sich mit Hilfe von fünf Empfehlungen überwinden:

 

Empfehlung 1: Ganzheitliche Daten- und Analytics-Strategie entwickeln

Nur gut jedes zehnte (13 %) deutsche Industrie-Unternehmen hat bereits eine ganzheitliche Daten- und Analytics-Strategie zur Integration sämtlicher IIoT-Projekte erstellt. Bei 58 Prozent werden die Daten- und Analyseziele auf eine kurzfristige Business-Strategie abgestimmt. Knapp ein Viertel (23 %) konzentriert sich auf isolierte Projekte. Eine umfassende Strategie ist jedoch absolut zentral für den Erfolg der digitalen Transformation in der Industrie.

 

Empfehlung 2: IT/OT-Integration auf allen Ebenen forcieren

IIoT reicht vom Sensor am oder im industriellen Gerät bis in die zentralen Rechenzentren und Cloud-Umgebungen der IT. Daher müssen die IT- und OT-Teams zusammenarbeiten, um die Umsetzung von IIoT-Anwendungen in der geforderten Qualität sicherzustellen. Doch aktuell sind in 28 Prozent der deutschen Industrie-Unternehmen die Teams für IT und OT noch immer komplett getrennt. Immerhin soll dieser Anteil innerhalb von 12 Monaten auf 5 Prozent sinken und der Anteil der Firmen mit enger Zusammenarbeit zwischen OT und IT von 17 auf 33 Prozent steigen.

 

Empfehlung 3: Verantwortungen für Cybersecurity festlegen

Zentral bei der IT/OT-Integration ist Cybersecurity. Die häufigste Sorge bildet hier für 28 Prozent der Befragten die mangelnde Kommunikation zwischen IT und OT über gemeinsame Gefahren. Entsprechend wird der Anteil der Unternehmen, bei denen IT und OT gemeinsam Verantwortung für die Cybersecurity tragen, von derzeit 12 Prozent auf 29 Prozent in 12 Monaten steigen. Richtig umgesetzt, kann IIoT ein deutlicher Gewinn für die OT-Sicherheit sein: Sie erhöht die Transparenz und entdeckt unbefugte Zugriffe.

 

Empfehlung 4: Ziele definieren, Erfolge messen, Entscheidungsregeln etablieren

Von den Unternehmen, die mindestens IIoT-Pilotprojekte umsetzen, misst derzeit nur ein Drittel Erfolgsmetriken. Weitere 22 Prozent von ihnen evaluieren immerhin erste Kennzahlen und deren Eignung. »Bei der Erfolgsmessung und Projektbesteuerung besteht deutliches Nachholpotenzial, damit wertvolle IIoT-Budgets nicht versanden,« resümiert Marco Becker, Senior Consultant bei IDC und Studienleiter.

 

Empfehlung 5: Synergien durch Kombination von IIoT und Nachhaltigkeit realisieren

Durch Nachhaltigkeit profitieren Unternehmen nicht nur von einem besseren Ruf und weniger Risiken, sondern auch von unmittelbaren Einsparungen. So sehen zwei Drittel (67 %) der Befragten in der Reduzierung von Abfall, Rohstoffen, Energie und CO2 ein Win-win-Szenario. Fast ebenso viele (65 %) glauben, dass Nachhaltigkeit Innovationen fördert. Hinzu kommt, dass für 55 Prozent Nachhaltigkeit auch schon kurzfristig positive Auswirkungen auf die eigenen Geschäfte hat. Dabei ist laut 61 Prozent IIoT essenziell für den Erfolg industrieller Nachhaltigkeitsinitiativen.

 

»Die Studie zeigt, dass es in der deutschen Industrie einige IIoT-Vorreiter mit strategischer Adaption und zahlreiche Nachzügler mit isolierten Initiativen gibt«, resümiert Tilman Taubert. »Natürlich hat die Pandemie vieles gebremst, doch IIoT kann gerade in Krisen eine solide Datengrundlage für effiziente und flexible Lösungen bieten. Die vorhandene Basis für IIoT muss jetzt ausgebaut, professionalisiert und mit ganzheitlicher Digitalisierung begleitet werden. Nur dann kann die deutsche Industrie im weltweiten Wettbewerb weiterhin erfolgreich sein.«

 

Weitere Informationen zur Studie finden Sie im Whitepaper

 

[1] Anhand eines strukturierten Fragebogens wurden IT- und Fachverantwortliche aus 250 deutschen Unternehmen der Prozessindustrie, der diskreten Fertigung, dem Handel, aus Transport, Verkehr und Logistik sowie der Wasser- und Energieversorgung und Abfallentsorgung mit mehr als 100 Mitarbeitern befragt, die Entscheidungen hinsichtlich IIoT im eigenen Unternehmen treffen, beeinflussen oder IIoT-Lösungen nutzen.