Seit April gibt es ein neues, zusätzliches Lizenzmodell für die indirekte Nutzung von SAP Anwendungen. So sehr diese neue Option zu begrüßen ist, besteht doch nach wie vor ein hoher Beratungsbedarf in den Unternehmen. Nicht nur die Analyse der tatsächlichen Nutzung bereitet den Anwendern Kopfzerbrechen: Kunden, deren Erstlizenzierung bereits einige Jahre zurückliegt, haben kaum mehr einen Überblick über die in ihrem Vertrag enthaltenen Leistungen und Lizenzen. Spezialisierte Beratungen helfen mit Know-how und eigens entwickelten Analyse-Tools, den Überblick und somit auch Entscheidungsgrundlagen zu gewinnen.
SAP-Anwendern steht seit April 2018 eine völlig neue Lizenzoption zur Verfügung: Mit einem dokumentenbasierten Preismodell bietet der Walldorfer Softwareanbieter eine alternative Lösung, um die indirekte Nutzung über digitale Zugriffe auch für die Anwender transparent zu regeln. Auf den ersten Blick scheint die Frage zu sein, ob sich für ein Unternehmen nun die bisherige, nutzerbasierte Lizenzierung lohnt oder eher die neue dokumentenbasierte Variante. Doch diese Betrachtung greift zu kurz. Noch immer ist die jeweilige Erstlizenzierung gültig und da gibt es aktuell nicht die eine, sondern ganze drei grundlegende Lizenzierungsformen.
SAP Lizenzen: Die drei Grundmodelle
Ein kurzer Exkurs: Das umfassendste Modell kam mit der Business Suite (mySAP) in den Jahren 2000 bis 2005 auf den Markt. Vor allem Großunternehmen und DAX-Konzerne gehören zu den Kunden, die in dieser Zeit akquiriert wurden. Die Idee dieses ersten Modells war es, nicht nur die Software zur Verfügung zu stellen, sondern die gesamte Nutzung abzudecken und den Kunden eine One-in-all-Lösung zu bieten. Dazu gehören auch alle benötigten Lizenzen. Anwender zahlen jährlich ihre Wartungsgebühren und dürfen im Gegenzug sämtliche Weiterentwicklungen der erworbenen Produkte mitnutzen.
Im Rahmen der darauffolgenden Mittelstandsoffensive zwischen 2005 und 2008 stand den Anwendern mit SAP ERP eine reduzierte und somit auch für kleinere Unternehmen passende Lösung zur Verfügung. In diesem günstigeren Modell ist noch etwa die Hälfte der Leistungen der Vorgängerversion enthalten. Lizenzen sind hier zum Teil über das Named-User-Konzept abgedeckt; ergänzend können zusätzliche, volumenabhängige Lizenzen erworben werden.
In den folgenden Jahren gingen die Walldorfer dazu über, Applikationen zu verkaufen. Es wurde also die Funktionalität zur Verfügung gestellt, die Lizenzen waren separat zu erwerben. Preise und Produkte sind nachzulesen in den jeweils aktuellen Preislisten.
Analyse der bestehenden Lizenzen meist zu komplex für Kunden
Diese Preise und die nutzerabhängigen Lizenzen für die aktuellen Anwendungen werden auch bei den alljährlichen Audits durch die SAP zugrunde gelegt. Für Anwender, die nach dem ersten Modell, der Business Suite, oder nach dem zweiten Modell (ERP) lizenziert sind, wird es an dieser Stelle kompliziert – auch unabhängig von einer möglichen indirekten Nutzung. Die Lizenzmanager sehen sich konfrontiert mit Aussagen zur Nutzung bestimmter Module, zum Beispiel E-Recruiting und dem sanften, aber nachdrücklichen Hinweis auf die Lizenzierungspflicht. In aller Regel ist das berechtigt für Kunden mit applikationsbasierten Lizenzen. Bestandskunden, die nach den Modellen der ersten oder zweiten Generation lizenziert sind, laufen jedoch Gefahr, zu viel zu zahlen. Um das zu verhindern, muss nicht nur die Art der Erstlizenzierung klar sein, sondern auch, welche Leistungen damit bereits abgedeckt sind. Bereits Punkt eins ist schwierig, weil häufig die Verantwortlichen von damals gar nicht mehr in ihren Positionen sind. Und ist die Lizenz als Business Suite oder ERP-Modell identifiziert, geht die Arbeit erst richtig los. Denn dann heißt es die ursprünglich erworbenen Produkte und Module in all ihren Aufsplittungen über Jahre hinweg, durch 200-300 Seiten lange, halb- bis vierteljährlich aktualisierte Preislisten zu verfolgen. Diese Aufgabe ist derart umfangreich, zeitaufwendig und leider auch fehleranfällig, dass sie neben dem Tagesgeschäft kaum zu bewältigen ist.
Unternehmen mit sehr vielen Nutzern sind daher besser beraten, sich externe Unterstützung durch Spezialisten zu suchen. Diese stützen sich auf langjähriges Know-how und nutzen auch automatisierte Verfahren. So hat beispielsweise License Ethics eine eigene Software entwickelt, um bestehende Verträge schnell und sicher maschinell auszuwerten.
Das gilt im gleichen Maße für indirekte Nutzung. SAP registrierte in den letzten Jahren eine steigende Zahl von digitalen Zugriffen über Dritte, Internet of Things, Bots oder andere Anwendungen. Das führte zu Lizenznachforderungen und in der Folge häufig auch zu Unstimmigkeiten bis hin zu einem Verlust an Vertrauen seitens der Kunden. Um Abhilfe zu schaffen, wurde gemeinsam mit Anwendergruppen wie der DSAG das zusätzliche Modell der dokumentenabhängigen Nutzung entwickelt. SAP unterscheidet demnach künftig nach direktem Zugriff (Human Access), der nach User-Anzahl berechnet wird und den digitalen Zugriffen, die nun auch auf Basis der vom System selbst verarbeiteten Transaktionen oder Dokumente lizenziert werden können. Ausschlaggebend ist die wertschöpfende Nutzung. SAP hat insgesamt neun Arten von Dokumenten identifiziert, die einen solchen wertschöpfenden Zugriff darstellen. Bestandskunden haben nun die Wahl zwischen ihrem bisherigen Modell oder dem Wechsel auf das dokumentenbasierte Lizenzmodell. Auch hier gilt es zuvor gründlich zu prüfen, welche Nutzungen bereits im bestehenden Modell enthalten sind. Es geht dabei um keine geringen Beträge. In großen Unternehmen wird dann über Zugriffe auf Millionen von Dokumenten verhandelt, die Rede ist von bis zu neunstelligen Summen. Mit Hilfe einer genauen, maschinellen Analyse ist es gelungen, auch in solchen Fällen nachzuweisen, dass die Nutzungsrechte bereits mit dem bestehenden Vertrag abgedeckt sind.
Umfassender Überblick
So wichtig es ist, unberechtigte Lizenzforderungen abzuwehren: Letztlich geht es um mehr als das. Unternehmen wandeln sich im Zeitalter der Digitalisierung und erproben neue Geschäftsmodelle. Das betrifft auch die zukünftige Nutzung von SAP oder anderen Softwareanwendungen. Und ob es dabei um einen möglichen Umstieg auf HANA, den Einsatz von Cloud-Anwendungen oder Mergers mit anderen Unternehmen geht – in jedem solcher Fälle bietet ein umfassender Überblick über die bestehenden Lizenzen die Grundlage für Entscheidungen und eine komfortable Ausgangsbasis für Verhandlungen.
Stefan Autengruber, Geschäftsführer License Ethics GmbH
https://www.license-ethics.com/sap-lizenzoptimierung/
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