Wie tickt der Kunde? Social Analytics erhöht das Verständnis und bewahrt vor »Shitstorms«

Das Umfeld für Marketiers hat sich insbesondere im Consumer-Markt in den vergangenen Jahren fundamental gewandelt. Kunden können sich über soziale Netzwerke untereinander über Anbieter und ihre Produkte austauschen und erhalten über Plattformen mit entsprechend großer Reichweite eine starke Stimme. Diskussionen können sich entspinnen, die sich bis zu den gefürchteten »Shitstorms« entwickeln können, denen – wenn sie einmal in Gang gekommen sind – durch (konventionelle) Marktkommunikationsmethoden kaum noch Herr zu werden ist.

Darüber hinaus haben sich soziale Netzwerke zu einer wichtigen Quelle für die Marktforschung zu Angeboten und zum Anbieter-Image entwickelt. Unternehmen können es sich heute – und vor allem in Zukunft – immer weniger leisten, diese virale Interaktion und Kommunikation zu ignorieren. Eine Herausforderung hierbei ist jedoch, dass es sich bei den Daten aus sozialen Netzwerken um eine gigantische Menge überwiegend unstrukturierter Daten handelt. Die Lösung für diese Herausforderung stellt Social Analytics dar.

Business-Intelligence- respektive Big-Data-Analytics-Anbieter – und in rudimentären Ansätzen Social-Media-Marketing-Monitoring-Anbieter – analysieren gewaltige Mengen unstrukturierter Daten. Analytics-Anbieter legen den Fokus speziell auf die Datenanalyse von Individuen beziehungsweise auch Unternehmen innerhalb von Social Media. Primär geht es darum, Daten aufzubereiten und eine Struktur in unstrukturierte Daten zu bringen, indem Daten getaggt, syndiziert und gebündelt werden. Nie zuvor konnten Kundenmeinungen schneller aufgenommen und für das Product Lifecycle Management oder reines Marketing von Produkten und Services verwendet werden. Daten können dabei völlig unterschiedlicher Natur sein und aus Bildern, Videos, Texten oder ganzen Datenbanken bestehen. Primär zählt aber auch hier der monetäre Aspekt, indem über die Integration von wesentlichen Datenquellen, zu denen immer häufiger auch Social Media und E-Communities gehören, Einblicke gewonnen werden, um Vorhersagen zu erstellen und neben einzelnen Produkten ganze Geschäftsprozesse oder -ziele zu optimieren. Ziel ist es, Trends frühzeitig entdecken, Krisen frühzeitig abwehren und Korrelationen über sogenannte Predictive Analytics aufzeigen zu können.

Im Rahmen von Social Analytics und hinsichtlich der verschiedenen Sprachen und Kulturen zählen mehr denn je semantische Technologien, um verschiedenste Kanäle (beispielsweise Kundendaten oder Like Streams) entsprechend der tatsächlichen Intension und Aussagen »zwischen den Zeilen« zu filtern, kategorisieren und in Beziehung zueinander zu setzen.

Entsprechend bewertet die Experton Group Anbieter im Social-Analytics-Markt insbesondere anhand der folgenden Kriterien:

  • Funktionsumfang (Sentiment-Analysen, Echtzeitanalysen etc.)
  • Datenerfassung, -analyse und Ergebnisaufbereitung
  • Business-Information- / Business-Analytics- / Big-Data-Kompetenz
  • Integration in ein Social-Business-Portfolio
  • Deployment-Optionen (Cloud, on-Premise)
  • Partnersystem

Im Social Business Vendor Benchmark, der Anfang dieses Jahres veröffentlicht wurde, wurde u.a. auch das Thema Social Analytics untersucht.

Bewertung einzelner Anbieter

Von 18 untersuchten Anbietern gelang acht der Sprung in den Leader-Quadranten, ein Unternehmen positionierte sich als »Rising Star«.

IBM kann sich erneut mit seinem Offering Social Media Analytics als führender Anbieter positionieren. Hinsichtlich des Funktionsumfangs bedient die IBM-Lösung auch anspruchsvollste Anforderungen und deckt das gesamte Spektrum von Datenerfassung, -analyse und Ergebnisaufbereitung ab. Hinsichtlich des Deployments hat der Kunde die Wahl: Social Analytics von IBM kann sowohl on Premise als auch als Software as a Service genutzt werden. Social Analytics von IBM ist Teil des umfangreichsten Social-Business-Produkt- und -Dienstleistungs-portfolios, und in diesem Bereich ergänzen sich die großen Kompetenzen von IBM sowohl im Social-Business- als auch Big-Data-Markt (IBM konnte sich in diesem Jahr auch als Leader im Big Data Vendor Benchmark Deutschland der Experton Group positionieren). In diesem Zusammenhang hat IBM neue Analysekomponenten entwickelt wie beispielsweise Life Event Detection, dessen Analysen über Kundengruppen und -absichten mit einer Kampagnenmanagement-Lösung wie IBM Cognos gekoppelt werden können, so dass Marketingbudgets effizienter allokiert werden können. Seine bereits starke Wettbewerbsposition konnte IBM 2014 durch eine Ankündigung verbessern, die für große Aufmerksamkeit für IBMs Analytik-Sparte sorgte: Die Künstliche-Intelligenz-Lösung »Watson«, die bisher vor allem durch ihre kognitiven Leistungen Schlagzeilen machte, aber bisher nicht kommerziell verwertet wurde, wird nunmehr Produkte von IBM unterstützen.

Microsoft ist als Neuzugang dieser Analyse gleich in den Leader-Quadranten vorgestoßen. Microsoft hatte zwar bisher schon die Lösung »Netbreeze«, die allerdings Bestandteil der CRM- / CRM-Online-Lösung von Microsoft ist. Inzwischen bietet das Unternehmen mit »Social Listening« auch ein dediziertes Produkt an. Auch »Social Listening« ist in das Microsoft-CRM integriert, aber bis zu zehn Usern auch als Standalone-Angebot nutzbar, was für die meisten Anwenderfirmen ausreichend sein sollte. Mit Social Listening setzt Microsoft entsprechend des von CEO Satya Nadella verkündeten Grundsatzes »Cloud first, Mobile first« auf die Bereitstellung als Cloud-Dienst. Das Funktionsspektrum hinsichtlich Datenerfassung, -analyse und Ergebnisaufbereitung ist umfangreich, nur einzelne Features wie beispielsweise die anspruchsvollen selbstlernenden statistischen beziehungsweise linguistischen Algorithmen werden nicht abgedeckt. Die Kompetenz Microsofts in der Datenanalyse unterstreicht zudem die Platzierung als »Leader« hinsichtlich Big Data Analytics im diesjährigen Big Data Vendor Benchmark der Experton Group. Auch hinsichtlich der Social-Business-Komponente ist Microsoft stark positioniert; das Unternehmen ist inzwischen als Social-Business-Anbieter breit aufgestellt, u.a. auch hinsichtlich Social CRM. So kann Microsoft den gesamten Prozess von Detection, Analyse und Kampagne aus einer Hand abdecken. Zur hohen Wettbewerbsstärke trägt auch die Partnerlandschaft im Social-Business-Sektor bei.

Wiederum als führendes Unternehmen kann sich Hewlett-Packard (HP) positionieren. HPs Social-Analytics-Angebot »HP ExploreCloud« basiert auf der Plattform HP Autonomy IDOL, wie der Name schon sagt, ein Angebot der übernommenen Firma Autonomy – womit sich zumindest in dieser Hinsicht die milliardenschwere und durchaus umstrittene Akquisition für HP gelohnt hat. Die Lösung deckt den gesamten Prozess von Erfassung, Analyse (inklusive Sentiment-Analysen) und Darstellung ab. Das Dashboard bietet einen Überblick über sämtliche beobachtete Social-Media-Kanäle (neben gängigen wie Twitter und Facebook beispielsweise auch YouTube und Wikipedia), und mit Hilfe entsprechender grafischer Aufbereitung lassen sich Themen und Trends sowie deren Beziehungen zueinander optisch darstellen. Zwar ist das Social-Business-Portfolio von HP insgesamt noch ausbaufähig, auf der Analytics-Seite ist das Unternehmen jedoch bereits stark etabliert, was auch durch die Positionierung als Leader im Big Data Vendor Benchmark unterstrichen wird. Awareness und Partnersystem von HP tragen einen weiteren Teil zur starken Positionierung bei. Wünschenswert für eine stärkere Wettbewerbsposition wäre eine am deutschen Markt orientierte Präsentation von HP ExploreCloud.

Auch Oracle konnte sich erneut im Markt für Social Analytics im Leader-Quadranten positionieren. Im Rahmen des Oracle-Social-Cloud-Programms offeriert das Unternehmen als Teil von Social Relationship Management (SRM) den Social Engagement & Monitoring Cloud Service. Die Lösung ermöglicht semantische Analysen und das Erkennen von Kundenabsichten und -interessen aus sozialen Netzwerken. In Kombination mit der weiteren SRM-Komponente »Social Marketing« wird das gesamte Leistungsspektrum abgedeckt. Insgesamt ist Oracle hinsichtlich Social-Lösungen zur Marktbearbeitung gut aufgestellt. Darüber hinaus profitiert Oracle von der hohen Big-Data-Kompetenz zur Analyse unstrukturierter Daten, wie sie in sozialen Netzwerken in gewaltiger Menge jeden Tag neu produziert werden (auch Oracle ist Leader im aktuellen Big Data Vendor Benchmark). Für eine stärkere Positionierung im deutschen Markt wäre ein stärker lokal geprägter Marktauftritt hilfreich.

Wie in der vorherigen Ausgabe des Social Business Vendor Benchmarks konnte sich MicroStrategy wieder als Leader im Social Analytics-Markt aufstellen. Die Social-Intelligence-Plattform von MicroStrategy umfasst eine Reihe von Anwendungen, mit denen Unternehmen das Potenzial sozialer Netzwerke für Marketing und E-Commerce ausschöpfen können. »Wisdom Professional« ermöglicht, speziell die Nutzerinformationen aus Facebook auszuwerten. Auf Basis der Mobile-Intelligence-Plattform stellt sich MicroStrategy stark hinsichtlich des Mobility-Aspektes auf; das Unternehmen gehörte zu den ersten, die Business Intelligence auf mobile Geräte brachten, was mittlerweile auch von einem Großteil der Kunden angenommen wird. Hinsichtlich des Deployments lässt MicroStrategy inzwischen seinen Kunden die Wahl: Neben den etablierten On-Premise-Produkten kann auch ein entsprechender Cloud-Service bestellt werden. Auch die Option, zunächst (klein) mit der Cloud zu starten und dann auf eine Inhouse-Lösung umzusteigen, ist möglich. Als Spezialist für Analytics kann MicroStrategy zwar keine Social Commerce Suite aus einer Hand anbieten, das Unternehmen kann jedoch als einer der führenden Anbieter in seinem Kerngeschäft angesehen werden (MicroStrategy ist Leader im aktuellen Big Data Vendor Benchmark der Experton Group). MicroStrategy verfügt zwar in Deutschland über zahlreiche – teils namhafte – Partner; für eine größere Wettbewerbsstärke förderlich wäre aber eine größere Zahl an auf Sales / Marketing spezialisierten Partnern hilfreich.

Der Business-Analytics-/ -Intelligence-Spezialist SAS nimmt im Socialytics-Markt ebenfalls wieder eine führende Rolle ein. In das Angebot »Social Media Analytics« kann SAS seine hohe Business-Analytics-Kompetenz einbringen. Die Lösung bietet ein breites Funktionsspektrum mit Schwerpunkt auf Textanalyse: Anstelle Äußerungen anhand von Stichworten und feststehenden Phrasen zu analysieren – was häufig zu irreführenden Resultaten führt – analysiert Social Media Analytics unstrukturierte Inhalte aus sozialen Medien anhand statistischer Modelle sowie nach Kontexten und semantischen Logiken. Darüber hinaus sind nicht nur Analysen der Social-Media-Kanäle möglich, sondern das SAS Conversation Center erlaubt auch die Live-Interaktion mit Kunden per Microblogging. Social Media Analytics wird als SaaS-Dienst angeboten und ist damit einfach bezieh- und nutzbar. Als primärer Analytics-Experte kann SAS – ähnlich wie MicroStrategy – zwar keine Social Commerce Suite aus einer Hand anbieten, hinsichtlich der Marktpräsenz in Deutschland kommt SAS jedoch der eindrucksvolle Footprint im Hinblick auf Advanced Analytics mit Big-Data-Perspektive (SAS ist Leader im aktuellen Big Data Vendor Benchmark der Experton Group) und nicht zuletzt auch das Netzwerk namhafter Partnerunternehmen zu Gute.

grafik experton social analytics Positionierung der Anbieter

Abbildung: Positionierung der Anbieter im Markt für Social Analytics in Deutschland. Quelle: Experton Group AG, 2015.

Erneut gelingt es Salesforce, sich im Social-Analytics-Markt als führender Provider zu positionieren. Der SaaS-CRM-Experte bietet im Rahmen seiner Marketing Cloud die Social-Media-Monitoring-Plattform Radian6 an. Funktional deckt das entsprechende Portfolio alle wichtigen Aspekte ab. Entsprechend der Salesforce-Philosophie ist die Plattform konsequent auf SaaS ausgerichtet, was Bezug und Nutzung der Lösung erleichtert. Die Socialytics-Lösung ist Teil des umfassenden Social-Business-Portfolios von Salesforce. Die Integration sozialer Mechanismen ist zentraler Bestandteil der Lösungen, die Salesforce anbietet. Auf Basis der Erkenntnis, dass soziale Medien für die Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Kunden von Bedeutung sind und welchen Mehrwert die Auswertung sozialer Netzwerke erbringen kann, hat Salesforce bereits vor einigen Jahren das Portfolio entsprechend ausgerichtet. Aber auch die zunehmende Kompetenz im Analytics-Sektor unterstrich Salesforce im Oktober 2014 durch die Vorstellung der Analyse-Cloud »Wave«. Zum Ausbau seiner künftigen Marktstellung in Deutschland hat Salesforce im Juli 2014 ein schlagzeilenträchtiges Announcement veröffentlicht: Ab 2015 ist T-Systems der Provider des deutschen Rechenzentrums von Salesforce. Damit gibt – wie beispielsweise Amazon – auch Salesforce der steigenden Nachfrage nach cloudbasierten Diensten aus dem Inland nach.

Seinen Platz im Leader-Quadranten konnte auch der Datenbankexperte Exasol behaupten. Die Lösung EXASolution (nach Angaben des Herstellers eine der schnellsten In-Memory-Datenbanken der Welt) ermöglicht Predictive Analytics zur Prognose und Gegensteuerung hinsichtlich Abwanderungsverhalten von Kunden; Social-Media-Analysen lassen sich mit Unternehmensdaten verknüpfen. Visualisierung der Ergebnisse ist nicht die Stärke von Exasol, aber durch direkte Verknüpfung über zertifizierte Schnittstellen können die Resultate in Visualisierungslösungen beispielsweise von IBM Cognos und MicroStrategy transferiert werden. Mit der Exasol Cloud bietet das Unterneh¬men auch eine SaaS-Variante an. Exasol ist zwar noch ein relativ junges deutsches Unternehmen (gegründet im Jahr 2000 in Nürnberg), konnte aber bereits Partnerschaften mit namhaften IT-Dienstleistern abschließen.

Im Markt für Social Analytics hat die Experton Group einen »Rising Star« identifiziert. Fritz & Macziol aus Ulm ist ein international aktives Systemhaus, das hinsichtlich Social Business auch im Bereich Transition (Beratung / Implementierung) auftritt. Fritz & Macziol ist führender Partner hinsichtlich der beiden wichtigsten Social-Business-Plattformen IBM Connections und Sharepoint / Yammer von Microsoft und verfügt auch über Expertise in der Integration dieser beiden Landschaften. Die Social-Analytics-Lösung von Fritz & Macziol, »My Socialytics«, basiert mit Cognos und Watson von IBM auf führender Technologie (siehe oben). Im November 2014 wurde Fritz & Macziol als erstes Unternehmen in Deutschland als BA Business Partner für IBM Cognos akkreditiert und gehört damit zu den weltweit wichtigsten IBM-Partnern im Bereich Business Analytics (BA). Hinsichtlich des Bezugs von My Socialytics ist der Kunde flexibel: Die Lösung kann sowohl on Premise als auch als Software as a Service genutzt werden. Ende August wurde bekannt, dass der Vinci-Konzern durch die Übernahme der Imtech ICT Division auch neuer Eigner von Fritz & Macziol geworden ist. Diese Übernahme durch einen Großkonzern lässt verstärkte Möglichkeiten im Marktauftritt erwarten.

autor frank heuer expertonFrank Heuer

Frank Heuer ist bei der Experton Group als Senior Advisor tätig.
https://www.experton-group.de/research/studien/social-business-vendor-benchmark-2015/ueberblick.html