Das autonome Fahren – um die Ecke?

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Nachdem ich mein Frühstücksgeschirr abgestellt habe, tippe ich auf mein Smartphone. Fünf Minuten später hupt es. Mein angenehm klimatisiertes Auto steht vor der Tür. Voreingestellte Sitzhaltung und Lieblingsmusik machen die Fahrtstrecke zur Hauptstraße angenehm. Dort steigt eine Person ein, die ich nicht kenne, sie stellt sich als Herr Müller vor. Auch er will nach Köln. Ob privat oder beruflich weiß ich nicht, ich weiß nur, dass er in das Car-Sharing-Modell einzahlt, von dem ich dafür etwas bekomme, dass ich den Sitz zur Verfügung stelle. Jetzt kann ich leider die Sprachsteuerung für Termine nicht mehr einsetzen, ohne dass Herr Müller mitbekommt, wen ich wann treffe. Das berufliche Telefonieren ist auch eingeschränkt.

Plötzlich gibt es eine starke Bremsung. Ich schaue hoch, fast hätten wir einen Kleinwagen gerammt, der unvermittelt hinter einem LKW ausgeschert war. Immer wieder gibt es Ärger mit diesen unvernetzten Fahrzeugen, die noch von Menschen gesteuert werden. Ich schaue die Angebotsunterlagen für meinen Termin durch, mein Begleiter schläft. Wir fahren auf die Autobahn. Jetzt kann ich die Sprachsteuerung dezent aktivieren. Das Fahrzeug hält an einer Tankstelle, und die Anzeige »time for coffee« erscheint. Ich weiß, dass wir im Stau stehen werden, wenn ich den »Override« aktiviere. Also steigen wir aus, mehr Koffein, ein Croissant. Nach 43 Minuten, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, ist es endlich soweit. Das Auto lädt zur Weiterfahrt ein. »Boarding not completed«. Was ist los? Wo ist mein Begleiter?

Ich frage das Auto, wann wir ankommen. Die Antwort der Computerstimme ist, dass es davon abhängt, wie lange Herr Müller noch in der Eisdiele braucht. Mein erster Termin wurde schon einmal vorsorglich abgesagt. Ich frage nach der Reaktion meines Geschäftspartners auf die Absage, mein Auto sagt »neutral«. Als die Außenfarbe des Autos von weiß auf rot wechselt, kommt Herr Müller angelaufen. Wieder unterwegs bekomme ich eine E-Mail von meinem Rechtsanwalt. Er weist darauf hin, dass unsere Chancen in einem eskalierten Streit um den automatisierten Einparkunfall vor Gericht nicht vorauszusagen sind. Er fragt mich, ob ich den Autoschlüssel zur Zeit des Unfalls in der Hand hatte. Ich schaue aus dem Fenster, wir rauschen an einem alten Porsche vorbei. Da sitzt ein Mann, der schaltet und lenkt und geradeaus aus dem Fenster schaut. Man könnte fast meinen, er habe alles im Griff. Wenn er auf das Gaspedal tritt, passiert etwas. Manchmal, nur manchmal, werde ich nostalgisch.

Die Bundesregierung hat vor kurzem ein Strategiepapier vorgelegt, um solche und ähnliche Szenarien auf Deutschlands Straßen aktiv zu fördern. Sie will die rechtlichen Rahmenbedingungen »überprüfen und anpassen«. Als konkrete Maßnahme wird die Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit für selbstfahrende Autos von 10 km/h auf 130 km/h in der EU genannt. Technisch soll hochautomatisiertes Fahren auf deutschen Autobahnen bis 2020 möglich sein (laut einer Studie des Wirtschaftsministeriums).

Auch wir bei Experton Group halten eine Strategie zur Förderung von Innovation und Vernetzung in der deutschen Automobilindustrie für einen wichtigen Schritt. Nur sollte unterschieden werden zwischen dem technologischen Fortschritt und den erforderlichen Rahmenbedingungen. Technologisch ist über IT heute schon vieles lösbar.

Die wirklich fundamentalen politischen und auch ethischen Fragen werden dabei bisher noch nicht einmal an der Oberfläche angesprochen. Hier sind nur einige wenige der wirklich schwierigen Punkte:

  • Wie viel Kontrolle darf das Auto im Sinne von Allgemeingut auf den Einzelnen ausüben, um Unfällen vorzubeugen, Staus zu vermeiden, ungewollte Routen zu nehmen oder Überholvorgänge zu blockieren?
  • Wie sind die übermittelten Informationen über Fahrzeug, Strecke und Nutzung in Zukunft so zu behandeln, dass persönliche Daten geschützt werden und bleiben?
  • Wie darf und muss ein Fahrzeug in einer Situation entscheiden, in der ein Unfall droht, der je nach Reaktion die Unversehrtheit der Insassen oder anderer Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger oder Radfahrer bedroht?
  • Wer haftet für Blechschäden?
  • Wer haftet für die Sicherheit von Insassen? Wer haftet für Situationen, in denen Mitfahrer, die dafür bezahlen, zu Schaden kommen?
  • Wird es Straßen geben, auf denen nur vernetzte Fahrzeuge fahren dürfen? Ist das mit einer demokratischen Gesellschaft vereinbar?

Die Industrie ist technologisch gut unterwegs. Ein Beispiel ist die zunehmende Reife von Technologiefeldern wie Car-to-Car-Communication. Das erste Auto meldet beispielsweise nachfolgenden, dass eine Gefahr droht, oder das letzte Auto meldet, dass eine Rettungsgasse geöffnet werden muss. Auch das automatisierte Fahren selbst wird in serienreifen Modellen seit Jahren Schritt für Schritt eingeführt und weiterentwickelt. Die erste automatisierte Bremskraftunterstützung von Mercedes-Benz kam bereits im Jahr 1996 auf die Straße.

Wenn sich die Politik auf Felder wie die Geschwindigkeitsbegrenzungen beschränkt, werden wir die übergeordneten Themen durch Technologie nicht lösen. Dann hat die Gerichtsbarkeit schwere Zeiten vor sich.

Dr. Henning Dransfeld, Experton Group


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