Customer Experience im E-Commerce: Mit digitaler Interaktion und ganzheitlichen Prozessen den Kunden an sich kleben

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Händler, die den Online-Vertriebsweg nicht mitgehen, werden über kurz oder lang verlieren. Nicht nur, weil Kunden längst den Anspruch stellen, dass sie Produkte und Services online kaufen können. Sondern auch, weil der stationäre Point of Sale bei weitem nicht so viele Touchpoints und Möglichkeiten zur Interaktion mit dem Kunden bietet. Da die Konkurrenz groß – und im Internet nur einen Klick entfernt ist – müssen Händler Kunden innerhalb kurzer Zeit überzeugen und langfristig an sich binden. Das schaffen sie jedoch nur, wenn sie ihren Store oder Marktplatz gut aufstellen und in ihre bestehenden Prozesse integrieren. Entscheidend für den Erfolg ist daher ein gutes Shopsystem.

Die Umsätze durch E-Commerce wachsen seit Jahren stetig an und werden in diesem Jahr wieder einen neuen Höchstwert erreichen: Das Statistikportal »Statista« prognostiziert für 2023 einen Umsatz von 89,4 Milliarden Euro [1]. Laut EHI Retail Institute GmbH nutzen vor allem die Branchen Technik, Hobby und Freizeit, Mode und Accessoires, DIY und Einrichten sowie Körper und Gesundheit den Vertriebsweg E-Commerce und haben größtenteils einen Online-Shop [2]. Die Frage, die sich Händler stellen müssen, ist daher nicht, ob sie einen Online-Shop betreiben, sondern wie: Soll der Shop ein geschlossenes Ökosystem sein oder ein Marktplatz, der auch für Drittanbieter offen ist.

 

Eigener Store oder Marktplatz – eine strategische Entscheidung

»Das ist eine Positionierungsfrage«, meint Steffen Baumgartner, Geschäftsführer des in Neu-Ulm ansässigen IT- und Softwareunternehmens arborsys. Es gäbe zwar einige Merkmale, an denen Händler ihre Entscheidung für oder gegen einen Marktplatz festmachen könnten, pauschale Empfehlungen aber kann der IT-Experte nicht aussprechen. Vielmehr müssten Unternehmen dies in einer Strategie entwickeln. Denn das Shopsystem, das hinter einem Marktplatz steckt, ist technisch anspruchsvoller und deshalb auch teurer, weil es Schnittstellen zu den Systemen der Drittanbieter und zu den Zahlungsdienstleistern bieten muss. »Das muss alles reibungslos funktionieren und für den Kunden transparent sein«, betont Baumgartner. Denn am Ende fallen sowohl gute als auch schlechte Kundenerfahrung mit den Drittanbietern immer auf den Betreiber des Marktplatzes zurück. Die Verantwortung ist groß, viele Retailer scheuen sie. Zumal die Entscheidung, welche Art Plattform Händler für ihr Online-Business betreiben wollen, eine langfristige ist – sie betrifft die kommenden Jahre. Sie ist aber keine endgültige: »Viele Händler bauen auch erst einen eigenen Shop auf und wandeln diesen nach einiger Zeit in einen Marktplatz um«, weiß Baumgartner.

Aber ob eigener Store und Marktplatz, eines eint beide: Der Vertriebsweg muss in die bestehenden Prozesse integriert und an die vorhandenen Systeme wie Warenwirtschaft und Logistik angebunden werden. Denn ein guter Online-Auftritt allein reicht eben nicht: »Die Customer Journey beginnt im Shop und endet erst, wenn das Produkt beim Kunden angekommen und er damit zufrieden ist.« Ist der Kunde beim Check-Out überfordert, weil er zu viele Daten angeben muss, kann er nicht seine bevorzugte Zahlungsweise auswählen, dauert der Versand zu lange oder sind Retouren umständlich, ist der Kunde in der Regel dauerhaft verloren. »Händler müssen das gesamtheitlich denken und den gesamten Zyklus in ihrer Strategie planen«, rät der IT-Experte.

 

Virtueller Shop bietet viele neue Touchpoints zum Kunden

Entscheidend für den Erfolg im E-Commerce sei auch, den Online-Shop als Erweiterung zu betrachten, und nicht bloß als Alternative zum stationären Point of Sale (PoS). »Nur weil der Händler vor Ort einen super Kundenservice bietet und gute Bewertungen hat, heißt das nicht, dass sein Online-Shop auch funktioniert«, weiß Baumgartner. Unternehmen können ihre Konzepte für den stationären PoS daher nicht einfach in den virtuellen Shop übertragen. Die Grundeinstellung des Händlers, eine bestmögliche Customer Experience zu bieten, muss zwar dieselbe sein, die Herangehensweise ist aber eine andere. Schon allein, weil der persönliche Kontakt zum Kunden fehlt.

Dennoch lasse sich im Online-Shop die Nähe und Verbundenheit zum Kunden aufbauen, sogar noch besser und individueller als im stationären Shop: »Händler haben digital vielmehr Möglichkeiten zu Interaktionen mit ihren Kunden«, erklärt Baumgartner. Per Social Media, E-Mail, Messengern wie WhatsApp oder Login im Partnerportal (B2B) können Händler ihren Kunden weitergehende Infos bereitstellen. Von der ersten Interaktion bis hin zum Wiederkauf können sie über verschiedene Touchpoints nah an ihren Kunden sein. »Wenn Retailer das gut machen, können sie ihre Kunden an sich reißen«, meint der IT-Experte. »Der Klick zur Konkurrenz rückt dann immer weiter weg.«

 

Nicht bei null anfangen, sondern auf Standardlösung zurückgreifen

Für die bestmögliche Customer Experience und den Erfolg des Shops oder Marktplatzes ist Baumgartner zufolge die Wahl des Shopsystems entscheidend. Er rät davon ab, eine individuelle Lösung zu programmieren, sondern empfiehlt, auf vorhandene Lösungen zurückzugreifen: »Es gibt sehr viele sehr gute Lösungen am Markt, da müssen Händler nicht bei null anfangen.« Für kleinere Unternehmen biete sich beispielsweise die Software von Shopify an: Für ein überschaubares Budget erhalten Händler hier eine vollständige Shoplösung, die sich – begrenzt – anpassen lässt. Händlern aus dem Enterprise-Segment rät der IT-Experte zu den Systemen von SAP und Adobe. Denn diese Anbieter seien bei den Unternehmen ohnehin schon oft etabliert, deshalb ließen sich deren Shopsysteme ideal und standardisiert in die vorhandenen Prozesse integrieren – auch dank der guten Schnittstellen. »Das Shopsystem an die vorhandene Infrastruktur anzubinden ist elementar wichtig«, betont Baumgartner. Andernfalls müssten die Mitarbeitenden die Daten sowohl im Shop- als auch im Warenwirtschafts- und Logistiksystem pflegen. »Doppelte Pflege ist nicht nur aufwändig, sondern auch eine große Fehlerquelle«, weiß der IT-Experte.

 

Shopsystem mit offenen Schnittstellen zu Drittanbietern

Die Systeme von SAP und Adobe hätten zudem den Vorteil, dass Unternehmen sich ihren Shop nach dem Baukastenprinzip zusammenstellen können. Module für kanalübergreifende Kampagnen, für Targeting und Analytics zum Beispiel können bei Bedarf hinzugebucht werden. Da diese Lösungen vom selben Hersteller sind, sind sie bereits untereinander integriert. Doch SAP und Adobe verfügen auch über offene Schnittstellen, dadurch können auch Systeme von Drittanbietern angebunden werden.

So gut die erhältlichen Shopsysteme auch sind, bei der Einführung sollten Unternehmen nicht auf externe Unterstützung verzichten. Zwar haben vor allem große Firmen eigene IT-Abteilungen mit Spezialisten, deren Ressourcen sind aber begrenzt. Derart große Projekte, wie der Aufbau eines Online-Shops oder Marktplatzes, kann die eigene IT nicht ohne Weiteres stemmen. »Unternehmen müssen sich ja nicht jahrelang an einen Dienstleister binden«, meint Baumgartner, »aber für den Anfang ist es auf jeden Fall sinnvoll, einen externen Partner hinzuzuziehen.« Denn Dienstleister kennen die Systeme sehr gut, was die Integration in die IT-Landschaft und die Einführung der Mitarbeiten in die neuen Tools vereinfacht. Zusätzlich verfügen sie über viel Erfahrung, einen Marktüberblick und Best Practices. »Das ist ja unser Daily Business«, begründet Baumgartner. »Wir können auch Kontakte herstellen und Unternehmen zusammenbringen.«

 

Fazit

E-Commerce verzeichnet anhaltendes Wachstum und ist für Händler keine Option, sondern ein Muss. Strategisch zu klären ist, ob sie ihre Produkte und Services in einem eigenen Online-Store oder in einem auch für Drittanbieter offenen Marktplatz anbieten. Für den Erfolg beider Varianten ist entscheidend, dass sie in die bestehenden Prozesse und Systeme integriert werden. Denn nur so lässt sich die Customer Experience optimal gestalten. Bei der Wahl des Shopsystems müssen Unternehmen deshalb darauf achten, dass es sich standardisiert anbinden lässt und über Schnittstellen verfügt. Optimalerweise greifen vor allem große Konzerne auf Lösungen wie die von SAP oder Adobe zurück, weil Systeme dieser Hersteller bereits in der IT-Landschaft vorhanden sind.

Julia Kowal, Redakteurin für Wordfinder

www.arborsys.de
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/3979/umfrage/e-commerce-umsatz-in-deutschland-seit-1999/
[2] https://www.handelsdaten.de/deutschsprachiger-einzelhandel/stationar-anteil-top-vertriebslinien-online-shop-branchen-2023