Die neue Rolle der Internet Service Provider

foto-cc0-pixabay-johnhain-neutral-waageWie Gesetze zur Netzneutralität die Cybersicherheit beeinflussen.

Die Netzneutralität ist eines der grundlegenden Prinzipien des Internets. Das Konzept, dass Service Provider den Datenstrom von einem Ort zum anderen weiterleiten ohne den Inhalt zu bewerten ist weitestgehend akzeptiert. Schon allein um die viel beschworene Meinungsfreiheit im Internet zu gewährleisten.

Was aber passiert, wenn die fraglichen Inhalte gefährlich sind, wie beispielsweise unerwünschter und böswillig veränderter Traffic als Teil einer DDoS-Attacke? Gerade in jüngster Zeit ist nicht nur die Zahl der Angriffe erneut gestiegen, die Angriffe sind zudem wesentlich intelligenter geworden. Das beeinflusst nicht zuletzt die Rolle von Internet Service Providern. Sie werden von Firmen und Privatpersonen verstärkt in die Pflicht genommen, wenn es darum geht, nur einen bereits bereinigten Datenstrom weiterzuleiten beziehungsweise Kunden besser vor DDoS-Angriffen zu schützen. Wollen Provider nicht riskieren ihre Kundenbasis zu erodieren, müssen sie auf das veränderte Anforderungsprofil reagieren. Was aber sollten sie genau tun?

Netzneutralität versus Sicherheit?

Gerade in der Technologiebranche wird das Gebot der Netzneutralität inzwischen zunehmend kontrovers angegangen. Umso mehr, wenn man die Netzneutralität im Licht der jüngsten EU-Datenschutzgesetzgebung betrachtet. Die betrifft nicht zuletzt die Telekommunikationsbranche. Ein Grund mehr, warum das Thema nun verstärkt öffentlich diskutiert wird.

Auf der einen Seite gibt es die Sichtweise wie die des HTML-Erfinders und World Wide Web-Begründers, Tim Berners-Lee. Die Befürworter argumentieren, dass nur das Prinzip der Netzneutralität ein freies und offenes Internet sowie die Wettbewerbsgleichheit für alle, die dort unterwegs sind, gewährleistet.

Etliche Carrier und ISPs stehen dieser Sichtweise allerdings weit weniger zustimmend gegenüber. Sie hätten gerne mehr Kontrolle über ihre Netzwerke. Und sie suchen zudem nach neuen Wegen sichere Datenleitungen anzubieten und diesen Service zu monetarisieren. Inhalte sollen schneller und gleichzeitig sicherer beim Kunden ankommen. Unerwünschte und gefährliche Inhalte aus dem Datenstrom herauszufiltern, beispielsweise Malware oder Traffic aus Bot-Netzen, ist ein klarer Wettbewerbsvorteil, der nicht zu Lasten anderer geht. Der Kunde kann wählen: So wie er sich für eine schnellere Internetverbindung entscheidet, kann er diesen zusätzlichen Dienst seines Providers in Anspruch nehmen. Eine Option, die nicht im Widerspruch zum Konzept des offenen und freien Internets steht.

Die neue Rolle der Internet Service Provider

Eine jüngst von Corero durchgeführte Befragung hat ergeben, dass die Mehrzahl der IT-Sicherheitsprofis, nämlich 53 %, finden, dass ISPs sich hinter dem Gebot der Netzneutralität verstecken. Die Befragten gehen davon aus, dass Provider das Gesetz nutzen, um ihrer Verantwortung auszuweichen, wenn es darum geht, Kunden vor Cyberangriffen zu schützen. Wie beispielsweise vor DDoS-Attacken.

Service Provider sitzen an einer Schlüsselposition, wenn es um diesen Typus von Angriffen geht, ganz einfach wegen der großen Bandbreite, die über sie läuft, und der vielen angeschlossenen Endkunden. ISPs sind deswegen prädestiniert unerwünschten, schädlichen Traffic bereits an vorgeschalteten Peering-Points herauszufiltern. Also bevor der komplette Datenstrom auf das Netzwerk des Kunden trifft.

Dieselbe Umfrage hat ergeben, dass eine deutliche Mehrheit (59 %) sich Gedanken darüber macht, ob ihr Provider sie ausreichend vor DDoS-Angriffen schützt und beinahe ein Viertel der Befragten würde sogar soweit gehen, seinen Provider für die aus einer DDoS-Attacke herrührenden Schäden haftbar zu machen. Das hat potenziell ernste Konsequenzen für Telekommunikationsanbieter, denn mehr als ein Fünftel (21 %) der Befragten würde den Anbieter wechseln, sollte er nicht in der Lage sein, Kunden vor DDoS-Angriffen zu schützen.

Die Erwartungshaltung der Kunden hat sich in dieser Hinsicht deutlich verändert. Was beim Endnutzer ankommt, sollte demnach keine Mélange aus erwünschten und unerwünschten Daten mehr sein, sondern ein bereits aktiv vom Provider bereinigter Datenstrom. Trotzdem bieten längst nicht alle ISPs ihren Kunden diesen Service an. Das hat verschiedene Gründe.

Einer davon ist, dass sich eine nicht unbeträchtliche Zahl von Telekommunikationsunternehmen immer noch auf veraltete Technologien verlässt. Dazu gehört typischerweise die Methode, potenziellen DDoS-Traffic über Scrubbing Center umzuleiten. Die Methode ist kostenintensiv und berüchtigt für ihre Langsamkeit. Im Schnitt dauert es über eine Stunde von der Entdeckung eines DDoS-Angriffs bis zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen.

Neben anderen Nachteilen, sorgt das Aussperren von IP-Adressen wie beim Blackholing dafür, dass während einer laufenden DDoS-Attacke die betreffende Website nicht erreichbar ist. Ein Stück weit macht man damit den Job der Hacker selbst. Will man über diesen Weg die Pipeline vollständig bereinigen, ist das in verteilten Netzwerkarchitekturen genauso teuer wie ineffizient.

Automatisierte DDoS-Abwehr

Eine mittlerweile verfügbare Alternative sind In-Line-Lösungen, die in Echtzeit vor DDoS-Angriffen schützen. Provider können die Technologie an geeigneten Peering oder Transit Points installieren und skalieren. Solche Systeme haben den großen Vorteil, dass sie automatisiert arbeiten und so auf einen DDoS-Angriff in dem Moment reagieren, in dem er stattfindet. Um den beim Kunden ankommenden Traffic optimal zu bereinigen, ist es möglich, für jeden Kunden individuelle Richtlinien und Grenzwerte zu definieren. Weitere Vorteile liegen darin, Prozesse straffen zu können, über mehr Kontrolle zu verfügen und verlässlich ablaufende Dienstleistungen anbieten zu können. Hält man sich die potenziellen Folgen eines erfolgreichen DDoS-Angriffs für das eigene Image und den Ruf des Kunden vor Augen, sollten ISPs bei der Wahl ihrer Methoden umdenken. Im Umkehrschluss wird ein Provider, der aktiv den Ruf seiner Kunden schützt, attraktiv für neue Interessenten.

Statt sich also wie bisher hinter dem Gebot der Netzneutralität zu verschanzen, haben Telkos jetzt die Chance ihre Dienste zu modernisieren, die bestehende Kundenbasis zu stabilisieren und innerhalb desselben Prozesses neue Umsatzmöglichkeiten zu generieren.

Dave Larson, COO von Corero Network Security

 

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