Hybrides Arbeiten, Datenschutz, Nachhaltigkeit und Einführung neuer Technologien – Der Bedarf an Rechenzentren steigt weiter

Equinix Deutschland-Geschäftsführer Jens-Peter Feidner erklärt im Interview wie Colocation-Betreiber Unternehmen helfen, den Anforderungen an Datenschutz und Cybersicherheit gerecht zu werden, mehr Nachhaltigkeit zu erreichen, Innovationen im RZ-Betrieb umzusetzen und Ökosysteme für die gemeinsame Datennutzung zu etablieren.

 


Was gibt es für Backup-Optionen für den Fall, dass Rechenzentren für einen längeren Zeitraum durch Cyberangriffe ausfallen?

Es ist nicht immer möglich, alle Risiken für Rechenzentrum abzuwehren. Deshalb ist es wichtig, sie mit einer integrierten Redundanz auszustatten. Unsere Rechenzentren bieten vollständig redundante Primärstromversorgungen, Backup-Generatoren und unterbrechungsfreie Stromversorgungssysteme, sowohl für das Rechenzentrum als auch für die zentralen mechanischen Geräte. Unsere Kunden können ihre Geräte über zwei Stromkreise an diese redundanten Stromversorgungssysteme anschließen, was ein nahtloses Failover ermöglicht, falls einer der Stromkreise ausfällt. Darüber hinaus sollten auch Unternehmen selbst für größtmögliche Redundanz ihrer Daten sorgen. Bei uns sichern sich die meisten Unternehmen dadurch ab, dass sie ihre Daten entweder am gleichen Standort oder global in unterschiedlichen Rechenzentren speichern. Durch unsere softwaredefinierte Verbindungslösung können somit andere Rechenzenten einspringen, sollte ein Ausfall auftreten.

 

Jens-Peter Feidner,
Managing Director Deutschland
bei Equinix


Rechenzentren haben durch ihren hohen Energieverbrauch den Ruf, negative Auswirkungen auf die Umwelt zu haben. Wie können Nachhaltigkeit und die weitere Expansion der Rechenzentrumsbranche miteinander vereinbart werden?

Rechenzentren per se haben keinen hohen Stromverbrauch, sondern die Daten, die von allen Usern und Bürgern weltweit täglich generiert und abgerufen werden. Rechenzentren sind nur der Ort, an dem dies geschieht. Zudem mag ein großes Rechenzentrum einen beachtlichen Stromverbrauch haben, aber gerade im Falle von Colocation bedeutet dies sehr oft, dass vorher bereits existente, alte und ineffiziente interne Firmenrechenzentren in die Colocation verlagert wurden. Denn alte On-Prem-Rechenzentren laufen oft mit einem PUE (einer sogenannten Power Usage Effectiveness) von 2,5-3,0, wohingegen der Colocation-Branchenschnitt in Deutschland um 1,6-1,7 liegt und bei Equinix sogar im Schnitt knapp unter 1,4.


Derzeit wird in Deutschland das Energieeffizienzgesetz diskutiert, welches auch Auswirkungen auf Rechenzentren haben wird – Stichwort Abwärme und wie sie genutzt werden kann. Welches Potenzial sehen Sie hier für Energiegewinnung durch Rechenzentren und wo gibt es Ihrer Meinung nach noch Hindernisse? Was würden Sie sich von der Politik wünschen?

Grundsätzlich sind die Pläne der Bundesregierung, einen rechtlichen Rahmen zur Steigerung der Energieeffizienz in Rechenzentren zu schaffen, begrüßenswert. Verschiedene Vertreter der Rechenzentrumsbranche wünschen sich allerdings eine stärkere und frühere Einbindung in den Prozess. Dass es an jener mangelt, merkt man vor allem daran, dass die Vorgaben des derzeitigen Gesetzesentwurfs schlicht nicht umsetzbar sind. So etwa eine verpflichtende Abwärmenutzung: Neu gebaute Rechenzentren sollen künftig mindestens 10 % ihrer Abwärme abgeben müssen, in zwei Stufen soll die Zahl bis Juli 2028 auf 20 % ansteigen – und das, obwohl die Abwärmenutzung bei nahezu allen aktuellen Projekten in einem deutlich niedrigeren Bereich liegt, teilweise noch unter 5 %. Dies liegt nicht an den Rechenzentrumsbetreibern, sondern an technischen Hemmnissen wie fehlender Infrastruktur vor Ort, sprich Wärmenetze und auch Abnehmer, sowie auch der zu geringen Temperatur der vorhandenen Abwärme für eventuell vorhandene Netze – und damit der Wirtschaftlichkeit aktueller Lösungen für die Netzbetreiber.


Flüssigkeitsgekühlte Server-Technologien versus Direct-to-Chip-Kühlung. Wie sehen Sie diese Thematik?

Rechenzentren kommen mit der Luftkühlung langsam an die Grenzen des Effizienzfortschritts, auch wenn hier neue Technologien wie etwa in unseren xScale-Rechenzentren durchaus nochmals gute Schritte nach vorne gemacht haben. Deshalb wird sicherlich mittel- bis langfristig auf die Technologie der nächsten Generation umgestiegen und Flüssigkeitskühlung eingesetzt. Bei Equinix setzen wir vor allem auf die Flüssigkeitskühlung direkt auf dem Chip: Die Vorteile sind, dass diese Kühlungsart überall auf der Welt sehr effizient betrieben werden kann, von der Antarktis bis zur Sahara, unabhängig von der Temperatur außerhalb des Rechenzentrums und ohne, dass die Flüssigkeit im Kreislauf ausgetauscht werden muss. Dadurch wird der Energiebedarf für den Betrieb des Systems minimiert und sichergestellt, dass keine Flüssigkeit verloren geht. Der zweite Vorteil: die Wärme des im Kühlsystem erzeugten Dampfes kann auf ein anderes geschlossenes Kreislaufsystem übertragen und aus dem Gebäude des Rechenzentrums herausgeführt werden, um sie für andere Zwecke zu nutzen. Zudem testen wir derzeit in den USA den Einsatz von flüssigkeitsgekühlten Servern für unseren Metal-Service mit einem Zweiphasen-Flüssigkeitskühlsystem. Diese Art der Kühlung ist eine neuere Entwicklung auf dem Markt für Rechenzentren, und wir sind bereits jetzt begeistert von den zahlreichen positiven Auswirkungen auf die Energieeffizienz.


Seit der Corona-Pandemie hat sich die Arbeitswelt vieler Unternehmen grundlegend verändert – hybrides Arbeiten ist mittlerweile die Realität für viele. Wie gehen Sie mit dieser Entwicklung bei Equinix um?

Wohlbefinden und mentale Gesundheit am Arbeitsplatz werden gerade für junge Menschen im Arbeitsleben immer wichtiger. Die 2022 durchgeführte Equinix-Studie zu globalen Tech-Trends hat gezeigt, dass 78 % der IT-Entscheidungsträger das Wohl ihrer Mitarbeitenden als eine ihrer Hauptprioritäten sehen. Für uns ist klar, dass zu diesem Wohl auch für viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört, auch von zuhause arbeiten zu können. Hybrides Arbeiten war für uns nicht nur eine Zwischenlösung für den Zeitraum der Pandemie, sondern wir haben uns bewusst dafür entschieden, dieses Konzept beizubehalten und weiter auszubauen. Equinix beschäftigt sich täglich mit der Realität des Fachkräftemangels und hat bereits diverse Initiativen und Programme ins Leben gerufen, um diesem entgegenzuwirken. Beispielsweise haben wir die Initiative »I Am Remarkable« ins Leben gerufen, die Frauen ohne technischen Hintergrund nach einer beruflichen Pause beim Einstieg in die Rechenzentrumsbranche unterstützt.

Künstliche Intelligenz ist im Datacenter-Umfeld neuerdings in aller Munde und Rechenzentren rüsten sich bereits für KI-Workloads auf und um. Steht also schon bald das selbstverwaltende Rechenzentrum vor der Tür? Wie kann dies, realistisch gesehen, umgesetzt werden?

KI entwickelt sich ständig weiter und genauso müssen IT-Unternehmen und Rechenzentren neue Ansätze entwickeln, um mit dem entstehenden Workload umzugehen. Allerdings ist es für viele Unternehmen nicht einfach oder sogar unmöglich, die erforderliche Infrastruktur für KI-Anwendungen selbst aufzubauen. Oft erschweren hohe Kosten, der Mangel an qualifizierten Mitarbeitenden und die mangelnde Skalierbarkeit der IT die Herangehensweise und Umsetzung. Dasselbe gilt für andere bahnbrechende Technologien, wie etwa Quantencomputing. Deswegen kooperiert Equinix etwa mit dem Quantencomputing-Unternehmen Oxford Quantum Circuits, das in einem unserer Rechenzentren in Tokyo die entsprechende Quanten-Hardware zur Verfügung stellt, um Unternehmen Quantencomputing-Dienste »as a service« für kommerzielle Zwecke zur Verfügung zu stellen. Unternehmen haben somit Zugang zu Quantencomputing-Diensten, der so sicher und einfach ist, wie eine Vor-Ort-Installation. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Kunden in Deutschland aus verschiedensten Branchen von der neuen Zusammenarbeit erheblich profitieren können.


Wie kann Equinix dazu beitragen, in Deutschland eine Infrastruktur aufzubauen, die neue Technologien wie KI, 5G oder das IoT, trägt?

Betrachtet man die enormen Datenmengen, die ChatGPT nutzt, wird schnell klar, dass es einer soliden Infrastruktur für die Umsetzung von KI bedarf. Beispielsweise in der Automobilbranche: Ein Auto von Continental sammelt an einem Tag so viele Daten, wie ChatGPT zum Training nutzte. Für die großflächige Umsetzung von autonomem Fahren, wie auch für alle anderen KI-Anwendungen, müssen diese enormen Datenmengen also schnell und sicher verarbeitet, gespeichert und ausgetauscht werden. Dafür sind Rechenzentren unerlässlich. Im Umkehrschluss bedeutet das: Je mehr KI und andere neue Technologien in unserem alltäglichen Leben und in Unternehmen verwendet werden, desto höher steigt der Bedarf an Rechenzentren. Sie helfen Unternehmen, die benötigten Datenmengen für Technologien effizient und kostengünstig zu verwalten, bieten eine größere Zuverlässigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit als private Rechenzentren und schaffen nicht zuletzt Ökosysteme für die gemeinsame Datennutzung, die für beispielsweise KI-Anwendungen so wichtig sind. Wir können in Deutschland also nicht den Anspruch haben, KI zu fördern, und gleichzeitig Rechenzentren einschränken. Das ist technisch einfach nicht möglich, genauso wie Clouds physisch in Rechenzentren als Server stehen müssen, um Unternehmen den Zugang bereitzustellen.

 


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