Lebenslauf kostet Mitarbeiter

Kandidaten bezweifeln, dass ihre entscheidenden Stärken im klassischen Bewerbungsprozess zum Tragen kommen. Der klassische Lebenslauf hat aus Sicht zahlreicher Bewerber das Haltbarkeitsdatum überschritten.

 

Arbeitgeber in Deutschland verpassen geeignete Talente auf dem Arbeitsmarkt, weil die klassische Bewerbungspraxis sie nicht identifiziert. Davon ist ein Großteil der Bewerber überzeugt. Besonders massiv in der Kritik steht dabei der klassische Lebenslauf. Das ergab die aktuelle Bewerber-Studie »Hidden Talents«, für die der Video-Recruiting Anbieter viasto gemeinsam mit dem Marktforschungsunternehmen respondi 845 Menschen befragte, die in den letzten zwölf Monaten einen Bewerbungsprozess durchlaufen haben.

Fast zwei Drittel der befragten Job-Anwärter (62 %) glauben, dass mindestens eine ihrer letzten Bewerbungen daran scheiterte, dass ihr Lebenslauf ihre eigentlich vorhandene Eignung für einen Job nicht transportieren konnte. Und das hat negative Folgen für die Arbeitgeber. Denn mehr als jeder Fünfte der abgelehnten Kandidaten bewirbt sich in der Folge nicht noch einmal beim gleichen Unternehmen. Dazu passt: Wenn es darum geht, die persönlichen Stärken in einer Bewerbung zu vermitteln, ist der Lebenslauf aus der Sicht der Bewerber denkbar ungeeignet. 32 Prozent von ihnen bewerten ihn in dieser Hinsicht mit mangelhaft oder ungenügend.

»Der klassische Weg, über den Arbeitgeber nach geeigneten Mitarbeitern suchen, hat sein Zenit überschritten. Anschreiben, tabellarischer Lebenslauf und Arbeitszeugnisse sind keine geeigneten Stilmittel mehr, um passende Mitarbeiter zu finden. Sie listen nur Stationen und vermeintliche Fachkenntnisse auf. Über die persönliche Eignung sagen sie dagegen nichts aus. Das führt zu einer immer größer werdenden Anzahl von ›Hidden Talents‹ – also eigentlich geeigneten Bewerbern, die aber über klassische Selektionsprozesse nicht mehr erkannt werden. Aber genau das können sich Arbeitgeber vor dem Hintergrund des Mangels an Fachkräften eigentlich nicht mehr leisten«, so Martin Becker, Geschäftsführer von viasto.

 

 

Bewerberkritik: Empathie und Motivation sollten mehr gewichtet werden

Generell kritisieren Kandidaten am derzeitigen konventionellen Bewerbungsprozess, dass nicht-fachliche Fähigkeiten, die oft als »Soft-Skills« zu Unrecht abqualifiziert werden, darin zu wenig Beachtung finden. Insgesamt sind 56 % aller Studienteilnehmer der Meinung, dass empathische Eigenschaften viel mehr Gewicht haben sollten. Vor allem bei jungen Bewerbern zwischen 18 und 29 Jahren ist diese Meinung stark ausgeprägt (60 %). Auch die job-spezifische Motivation (50 %) ist aus Sicht der Mehrheit der Bewerber zu wenig im Fokus der Arbeitgeber.

Selbst wählen Kandidaten potenzielle Arbeitgeber zwar primär auch danach aus, ob ihre fachlichen Kenntnisse zu den Anforderungen einer ausgeschriebenen Stelle passen (41 %), aber gleich danach prüfen sie, ob sie auch charakterlich zu einem Arbeitgeber passen (31 %). Das ist ihnen sogar wichtiger als die finanziellen Rahmenbedingungen einer vakanten Stelle, die für 29 % ein wichtiges Entscheidungskriterium darstellen.

 

Schlechtes Zeugnis für den Lebenslauf – Video-Interviews zunehmend gefragt

Wenn Bewerber für den Informationsfluss der einzelnen Bewerbungswege Schulnoten verteilen sollen, muss der klassische Lebenslauf um die Versetzung fürchten. Bei der Frage danach, wie gut dieser die Persönlichkeit eines Bewerbers transportiert, schneidet er mit einer Durchschnittsnote von 3,6 extrem schwach ab. Frauen schreiben ihm gar eine 3,8 in das Zeugnis. Zum Vergleich: Das persönliche Gespräch erhält hier eine 1,7. Junge Bewerber geben in dem Kontext vor allem digitalen Lösungen wie dem Video-Interview eine gute Note (2,2) – übrigens auch wenn es darum geht, die eigenen Fachkenntnisse zu transportieren. Auch hier vergeben 18-29-jährige Bewerber dem Video-Interview eine 2,2, während der klassische Lebenslauf mit seinen tabellarischen Aufzählungen in diesem Kontext nur mit 2,5 bewertet wird.

Übrigens: Das Verständnis dafür, dass nur die wenigsten Bewerber zu einem persönlichen Gespräch eingeladen werden hält sich bei den Kandidaten in engen Grenzen. 51 % haben dafür nämlich in Zeiten des Fachkräftemangels kein Verständnis.

»Unternehmen sind insbesondere in Zeiten des Fachkräftemangels gut beraten, auch dann Bewerbern die Chance zu geben, sich persönlich vorzustellen, wenn sie nach dem ersten Blick in den Lebenslauf nicht hundertprozentig zu dem Suchprofil passen. Und zwar nicht nur aus Employer-Branding Gesichtspunkten, wie unsere Studie eindrucksvoll gezeigt hat, sondern auch aus Eigennutz: Häufig finden Arbeitgeber nur so die vielen versteckten Talente, die ihnen sonst entgangen wären. Um dies auch ressourcenschonend tun zu können, sind beispielsweise zeitversetzte Videointerviews geradezu prädestiniert.«, so Martin Becker.

 

[1] Für die Bewerber-Studie »Hidden Talents« befragte das Marktforschungsunternehmen respondi im Auftrag von viasto 845 Arbeitnehmer im Alter von 18-69 Jahren, die in den letzten zwölf Monaten einen Bewerbungsprozess durchliefen. Die Teilnehmer verfügen über einen akademischen Hintergrund und sind in ganz Deutschland zu Hause. https://www.viasto.com/

 


 

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