Projektmanagement 4.0: Warum die Digitalisierung mehr Chancen als Risiken birgt

Die digitale Transformation hat längst das Projektmanagement erreicht und verändert das Arbeiten in Projekten weitreichend: Der Umgang mit neuen Technologien und modernen Kommunikationsformen, die über Abteilungs- und Hierarchieebenen hinweg wirken, erfordern ein zunehmendes Maß an Eigenverantwortung und haben Konsequenzen auf die Zusammenarbeit. Im Kern bedeutet Digitalisierung, dass Unternehmen ihre Wertschöpfung an den Bedürfnissen der Kunden ausrichten müssen [1]. Diese Kundenorientierung gilt auch für interne Prozesse, wenn Projektmitarbeiter zusammenarbeiten. Was wie eine große Herausforderung wirkt, birgt im Kern eine unglaubliche Zukunftschance.

Bereits seit den 80er Jahren setzen Projektplaner bei ihrer Arbeit auf digitale Hilfsmittel. Hießen diese Tools in der Vergangenheit Microsoft Excel oder Microsoft Project und wurden genutzt, um Projektpläne innerhalb eines kleinen Personenkreises oder Projektteams auszutauschen, so gab es doch einige Probleme, die nicht gelöst werden konnten:

  • Informationen zum aktuellen Stand waren nicht in Echtzeit abrufbar
  • Nur der Projektplaner hatte den gesamten Überblick
  • Änderungen mussten von den einzelnen Beteiligten eingeholt und wiederum kommuniziert werden
  • Zwischen den projektrelevanten Daten gab es keinerlei Verknüpfung
  • Der manuelle Pflegeaufwand war enorm

Diese Punkte zeigen das Paradoxe der Digitalisierung auf: Nur weil digitale Hilfsmittel im Projektmanagement genutzt werden, ist noch lange nicht der gesamte Prozess digitalisiert. Um das zu erreichen bedarf es eines »digitalen Mindset«, der weit über den Einsatz einzelner Softwarelösungen hinausblickt. Voraussetzung ist, dass man versteht, was die Digitalisierung für das Projektmanagement bedeutet, denn

  • neue Technologien führen zu neuen Arbeitsweisen,
  • digitale Tools unterstützen die abteilungsübergreifende Kommunikation und brechen Wissens-Silos auf
  • und die schnelllebige digitale Arbeitswelt verlangt ein hohes Mass an Eigenverantwortung.

 

Digitalisierung und Arbeiten 4.0

Echtzeitinformationen und Status-Updates haben sich schon lange in unserem privaten Umfeld etabliert – kein Wunder, dass diese Anforderungen auch an das Arbeitsumfeld, und den Informationsfluss innerhalb von Projekten gestellt werden: Jeder möchte in Echtzeit wissen, wo das Projekt steht, welche Aufgaben erledigt sind, welche Dokumente fehlen und wer woran arbeitet. Und diese Informationen sollen unabhängig davon, ob jemand im Büro, bei einem Kunden oder im Flugzeug ist, verfügbar sein. Genauso besteht das Bedürfnis, Änderungen im Projekt schnell und zuverlässig an die zuständigen Personen zu kommunizieren. Dafür müssen sowohl die digitalen Hilfsmittel als auch die Projektmitglieder in die Arbeitsabläufe integriert und mit den Daten vernetzt sein.

 

Abbildung 1: Kanban-Ansicht – Unternehmen können zum Beispiel das Aufgabenmanagement nach dem Kanban-Prinzip organisieren und so ihre internen und externen Prozesse kundenorientiert ausrichten.

 

Automatisieren

Softwareunterstütztes Projektmanagement bringt die besten Ergebnisse, wenn die einzelnen Systeme vernetzt sind: Planungs-, Ressourcen- oder Dokumentenmanagement werden aktuell in vielen Unternehmen in voneinander unabhängigen Anwendungen betrieben. Das führt unweigerlich zu Systembrüchen und Reibungsverlust. Diese Ineffizienz kann allerdings durch kluges Digitalisieren reduziert und durch Automatisierung sogar eliminiert werden. Was nützt es, wenn ein Kollege im Projekt eine Aufgabe zwei Tage früher als geplant erledigt hat, ich dazu aber nicht benachrichtigt werde? Während der Kollege früher extra eine E-Mail dazu schreiben musste, informiert nun eine Projektmanagementsoftware proaktiv darüber, dass der übergeordnete Vorgang nun erledigt ist und ich frühzeitig in die nächste Phase starten kann. Sind die Prozesse zudem unternehmensweit vernetzt, führt die Erledigung dieses Vorgangs dazu, dass die Buchhaltung benachrichtigt wird und Teilkosten bereits abgerechnet werden können. Eine solche Art der Teilautomatisierung ist in Industriebetrieben schon lange etabliert und sollte auch im Projektmanagement dank den Möglichkeiten der Digitalisierung zum Standard werden.

 

Innovation – die Vernetzung macht’s möglich

Innovationen entstehen, entgegen dem verklärten Bild des in der Garage tüftelnden Genies, durch den Austausch von Wissen über Expertensilos hinweg. Die Stärke der Digitalisierung liegt darin, Personen und Daten abteilungsübergreifend vernetzen zu können. Das wiederum schafft die Grundlage, um sich jene Experten zu holen, die Projekte am besten zu einem erfolgreichen Abschluss verhelfen. Das heißt aber auch, das Know-how »verlässt« zumindest temporär das bisherige Abteilungssilo. Und mit diesem Austausch von Wissen wird es demokratisiert. Das geht oft mit einem Machtverlust einher, kann zum Abbau von Hierarchien führen und Konflikte auslösen.

Deshalb ist es hilfreich, Projekte zu priorisieren und somit den Einsatz von Experten in hoch-priorisierten Projekten zu rechtfertigen. Eine Priorität lässt sich etwa anhand der Innovationskraft setzen. Innovation soll in diesem Kontext nicht nur auf das Hervorbringen eines neuen Produkts oder einer neuen Dienstleistung begrenzt werden, sondern als etwas Nutzbringendes. Sobald der Nutzen im Vordergrund steht, kann die Rangordnung oder Machtposition Einzelner nicht mehr als Begründung für die Priorisierung von Projekten herhalten.

 

Die Krux mit der Eigenverantwortung

Genauso wie sich die Arbeitsweise im Projektalltag durch die Digitalisierung ändert, wandeln sich die Rollen der Projektleiter, -mitarbeiter und Stakeholder. Für alle gilt: mehr Eigenverantwortung. Die Digitalisierung ist ein Katalysator für ein neues Verständnis von Verantwortung innerhalb von Projekten. Wenn jeder die für ihn relevanten Informationen durch vernetzte Software zur Verfügung hat, ist er nicht nur dafür verantwortlich, sie sich zu holen, sondern sie auch anderen zur Verfügung zu stellen. Im digitalisierten Projektmanagement geht es nicht mehr nur darum, dass softwareunterstützt Transparenz entsteht, wer welche Aufgaben bis wann zu erledigen hat. Vielmehr lassen sich relevante Informationen zurück ins System führen und den Informationskreislauf füttern. Damit wird Schritt für Schritt Projekt-Wissen aufgebaut und zugänglich gemacht, sodass man leichter und schneller zu besseren Entscheidungen kommt und so alle Projektmitarbeitende befähigt, tatsächlich eigenverantwortlich zu arbeiten.

 

Fehlerkultur etablieren

Fehler passieren. Ein entscheidender Faktor für den Erfolg von eigenverantwortlichem Arbeiten ist die Fehlertoleranz. Dabei geht es nicht um die Frage, ob man im Projektmanagement eher den agilen, klassischen oder einen hybriden Ansatz verfolgt. Sondern, ob das Unternehmen damit umgehen kann, dass das Einfordern von Eigenverantwortung der Mitarbeiter zulässt, dass diese auch mal falsch abbiegen werden. Eine Fehlerkultur etabliert sich nicht von selbst. Auch hier bietet die Digitalisierung eine Chance. Denn wenn der Prozess, der zum falschen Abbiegen geführt hat, dank Digitalisierung nachvollziehbar ist, lässt sich schnell klären, warum zum Beispiel ein Projekt länger dauert als geplant. Aus Fehlentscheidungen wird gelernt und im besten Fall können gescheiterte Projekte nochmals aufgerollt und durch Erkenntnisse aus der Dokumentation erfolgreich abgeschlossen werden.

Andreas Tremel, Geschäftsführer InLoox GmbH

 

[1] »Dispelling Three Flawed Myths of Digital Technology«, Jason Bloomberg, Intellyx, Cortex Newsletter, May 7, 2017

 


 

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