Uniklinikum Dresden mit integriertem Managementsystem

Vor zehn Jahren wurde auf dem Gelände des Dresdner Universitätsklinikums (UKD) das damals neue Diagnostisch-Internistisch-Neurologische Zentrum (DINZ) mit insgesamt 400 Betten und ca. 1000 Mitarbeitern gebaut. Hierzu wurde eine entsprechende Betriebsorganisation erarbeitet, bei der auf der Grundlage der Ist-Prozesse die Sollprozesse abgeleitet werden sollten. Für diese Aufgabe erwies sich die Prozessmodellierungssoftware AENEIS als hilfreich und für die Projektgruppenmitglieder als praktikabel.

Frau Professor Maria Eberlein-Gonska, Leiterin des Zentralbereichs Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement (ZB QRM), moderierte die vom Vorstand beauftragte Projektgruppe, die sich aus verschiedenen Fachdisziplinen und Berufsgruppen zusammensetzte. Bei den Prozessbeschreibungen legte sie besonderen Wert auf die »Eineindeutigkeit« derselben, d.h. dass diese als ein allgemeingültiges und verständliches Dokument an e i n e m Ort mit Zugriffsmöglichkeit von allen berechtigten Personen abgelegt sind. Hintergrund war die Erfahrung aus externen Audits mit dem Vorhandensein mehrerer parallel geführter Qualitätsmanagementhandbücher mit fraglich abgestimmten Inhalten. Im Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden sollte es diesbezüglich eine professionelle Lösung geben, und zwar ein digitales Organisationshandbuch mit Verfahrensbeschreibungen und mitgeltenden Unterlagen, die für alle Beschäftigten verbindlich gelten ohne doppelte oder widersprüchliche Aussagen. Darüber hinaus sollte das Organisationshandbuch eine Hilfestellung (Nachschlagewerk) zu den zahlreichen medizinischen und organisatorischen Themen sowie gesetzlichen Anforderungen im Alltag sein.

Ein integriertes Managementsystem wurde auf Basis von AENEIS eingeführt, da sich die Software vom Stuttgarter Lösungsanbieter intellior AG durch die Erfahrungen während des DINZ-Neubaus als besonders geeignet erwiesen hatte. Als Pilotprojekt wurde zunächst das Organisationshandbuch (Kernprozesse) in der onkologischen Versorgung von Kindern erarbeitet und in das Dach (Führungs- und Unterstützungsprozesse) des übergreifenden Handbuches des UKD integriert. »Das war für uns«, erläutert Eberlein-Gonska, »die Geburtsstunde des digitalen Managementhandbuches UKD mit den integrierten Kernprozessbeschreibungen der einzelnen Kliniken, Institute und Zentren. Mein Prinzip war und ist: Sie müssen schlank und verständlich sein, müssen vor allem nützlich sein und dürfen keinen überbordenden Formalismus darstellen bzw. auslösen.« 

Inzwischen nutzen nahezu alle klinischen Bereiche die Gestaltungsmöglichkeiten der Prozessmodellierungssoftware AENEIS bei den eigenen Kernprozessen.

Die dienstrechtlich verbindlichen Führungs- und Unterstützungsprozesse sind klinikweit angelegt und übergreifend verantwortet. Das hat den Vorteil, dass die einzelnen angeschlossenen Fachgebiete auf dieselben Standards zurückgreifen und sich auf ihre Kernprozesse konzentrieren können. Damit entfallen klinikbezogene Eigenversionen, die ggf. zu Missverständnissen führen und keine aktuelle Fassung garantieren. Der Beschluss und die Freigabe erfolgt durch die Betriebs- bzw. Kliniikumsleitung gemeinsam mit dem Vorstand und der Anforderung, dass die jeweiligen Verfahrensanweisungen vom Prozessverantwortlichen entsprechend zu kommunizieren sind.

Schleppende Einführungsphase

In den ersten Jahren lief der Prozess der Einführung und Implementierung noch sehr zurückhaltend und erforderte seitens des ZB QRM maximale Überzeugungsarbeit. Hierfür stand zunächst eine Vollkraft zur Verfügung. Der Bedarf ist über die Jahre deutlich gestiegen, so dass auch aus Vertretungsgründen seit 2017 zwei Beschäftigte das Organisationshandbuch AENEIS betreuen. Die spannende Herausforderung ist dabei, das Interesse der Nutzer zunächst zu wecken, kontinuierlich zu steigern bzw. auf hohem Niveau zu halten. Hilfreich sind dabei stetig verbesserte Bedien- und Anwendermöglichkeiten sowie die Tatsache, dass die Nutzer auf den Zugang zu den Standardprozessen als dienstrechtliche Vorgaben angewiesen sind und sie diese dort zuverlässig und in der aktuellen Version vorfinden.

Die konkrete Umstellung auf ein allgemeingültiges Organisationshandbuch UKD, das auch von den meisten Beschäftigten genutzt wird, hat viele Jahre gebraucht und ist im Sinne des PDCA-Zyklus ein steter Prozess. »Am Anfang wollte niemand so richtig einsteigen«, so Anne-Dore Eichler, die im Zentralbereich Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement heute besonders für die Entwicklung der Software zuständig ist. »Da sind wir im eigenen Haus »Klinken putzen« gegangen und mussten verschiedenste Bedenken z.B. zu einem weiteren elektronischen Dokumentationssystem ausräumen.« Darüber hinaus galt es, Grundlegendes beispielsweise die geeignete Darstellung von OP-Abläufen oder auch eine einheitliche Visualisierung von Diagnostik und Therapie verschiedenster Krankheitsbilder abzustimmen. 

Inzwischen ist am Dresdner Universitätsklinikum prozessuales und interdisziplinäres Denken und Handeln selbstverständlich(er) geworden. Die Einführung von AENEIS hat einen maßgeblichen Beitrag zur Abschaffung alter, unübersichtlicher zum Teil auch widersprüchlicher »Handbücher« geführt und die Voraussetzungen für ein lebendiges IMS (Integriertes Managementsystem) geschaffen. 

Beispiele und Neuentwicklungen:

Beinahe-Fehlermelde-System (CIRS) auf Basis von AENEIS

Ein Critical Incident Reporting System oder kurz CIRS ist ein Berichtssystem zur Meldung von kritischen Ereignissen und Beinahe-Schäden in Einrichtungen des Gesundheitswesens.

Mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Einführung eines Fehlermeldesystems im Jahr 2014 wurde entschieden, ein UKD-weites CIRS ebenfalls auf Basis von AENEIS umzusetzen. Die Software ermöglichte entsprechende Workflows und Transitionen, so dass auf keine separate Software-Lösung zurückgegriffen bzw. in der Folge angeschafft werden musste.

»Unser in AENEIS etabliertes CIRS wurde von Beginn an von den Beschäftigten gut angenommen und ermöglicht gegenseitiges Lernen aus Fehlern und kritischen Ereignissen.«, so Martin Seipt vom ZB QRM, der früher in der Klinik-Apotheke tätig war und jetzt für die Betreuung von AENEIS zuständig ist.

»Häufig werden über AENEIS sogenannte Look alike & Sound alike (»Klingt wie – Sieht aus wie«) – Verwechslungen gemeldet.

Dies ist im Krankenhausalltag in Bezug auf Arzneimittel besonders kritisch, da die Sicherheit unserer Patientinnen und Patienten gefährdet werden kann.

Solche Meldungen werden im Team und gemeinsam mit den Beschäftigten der Klinik-Apotheke aufgearbeitet und entsprechende Empfehlungen abgegeben. So können beispielsweise »unfreiwillig gefährliche Pärchen« getrennt voneinander gelagert oder unterschiedlich farbig gekennzeichnet werden.

Neu am Klinikum: Digitales Auditmanagement

Das UKD vereint 26 Fachkliniken, sechs Institute und 17 interdisziplinäre Zentren, die jährlich auditiert werden. Das Modul Auditmanagement wird seit 2022 für die Planung, Vorbereitung und Durchführung der Audits sowie für die Erstellung des Auditberichtes genutzt. »Grundlage hierfür sind die bereits in AENEIS verfügbaren Strukturen und vor allem unsere digitalen Prozessbeschreibungen.« so Anne-Dore Eichler. »Damit geben wir uns aber nicht zufrieden, denn aus QM-Sicht ist von weit höherer Bedeutung die Ableitung von Maßnahmen zur kontinuierlichen Verbesserung unserer Abläufe. Diesbezüglich erleichtert das digitale Maßnahmenmanagement eine transparente Bearbeitung, Festlegung von Verantwortlichkeiten und die Terminierung einzelner Schritte bis hin zur Wirksamkeitsprüfung.«

»Nach der langen Einführungsphase von AENEIS waren wir überrascht, wie reibungslos die Erweiterung des Systems um ein doch recht umfangreiches Tool wie ein digitales Auditmanagement-System funktioniert und von den dezentralen Qualitätsmanagementbeauftragten akzeptiert, d.h. genutzt wird.« sagt Martin Seipt, der das Projekt von Beginn an leitete. »Mit dieser Erfahrung bin ich zuversichtlich, dass wir auch in Zukunft mit AENEIS unsere Ideen für ein modernes integriertes (Qualitäts)managementsystem umsetzen können.«

 


Dr. Klaus Neugebauer

 

 

Gesprächspartner*innen waren:
Zentralbereich Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden: Prof. Dr. Maria Eberlein-Gonska (Leiterin), Martin Seipt und Anne-Dore Eichler

 

Über das Universitätskliniken Dresden
Das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau. Als Krankenhaus der Maximalversorgung deckt es das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab und vereint 26 Kliniken und Polikliniken, sechs Institute und 17 interdisziplinäre Zentren, die eng mit den klinischen und theoretischen Instituten der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden zusammenarbeiten. Mehr als 7.200 Beschäftigte versorgen jährlich knapp 56.000 Patient*innen stationär und 234.000 ambulant.
Über intellior AG
Sitz in Stuttgart, wurde mit Software und Beratung in 30 Jahren einer der führenden BPM-Lösungsanbieter mit mehr als 1000 Kunden. 2020 gewann das Unternehmen bereits zum sechsten Mal den 1. Preis des Process Solution Awards der gfo. Ansprechpartner: Martin Mayer-Abt, Vorstand Marketing, Vertrieb und Unterstützungsprozess

 

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