Vor 60 Jahren, am 25. März 1957, unterschrieben Belgien, Frankreich, Westdeutschland, Italien, Luxemburg und die Niederlande die Römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Damit wurde ein wichtiger Grundstein für die Europäische Union (EU) gelegt. Eine in 25 Ländern durchgeführte Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos zeigt, dass die Bürger weltweit durchaus auch Grund zum Feiern dieses Jubiläums sehen: mehr als die Hälfte (53 %) der Befragten denkt, die EU habe Europa stärker gemacht [1].
Auch in Deutschland stimmt jeder Zweite (50 %) dieser Aussage zu. Gleichzeitig sind die Europäer unsicher, hinsichtlich der Zukunft der EU: 57 Prozent der Befragten in neun EU-Ländern (Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Spanien, Schweden, Ungarn) fürchten, die Europäische Union befinde sich auf dem falschen Weg. Auch in Deutschland sieht knapp die Hälfte (45 %) der Befragten die EU auf Abwegen – ein Drittel (32 %) glaubt jedoch auch, sie steuere in die richtige Richtung.
Ist die Europäische Union ein Erfolg?
Mehr als die Hälfte (53 %) der Befragten weltweit, würde sagen, die EU habe Europa stärker gemacht – lediglich einer von sieben (14 %) denkt das Gegenteil. Die Europäer selbst sind weniger euphorisch: 46 Prozent denken, Europa würde durch die EU gestärkt, 23 Prozent meinen, Europa werde geschwächt. In Belgien (34 %), Frankreich (35 %) und Italien (36 %) stimmen die wenigsten Bürger zu.
Ein Drittel (34 %) der Menschen weltweit urteilt, dass das europäische Projekt alles in allem in den letzten 60 Jahren mehr Erfolge als Niederlagen verbuchen konnte. In Europa beurteilen die Briten (40 %), Polen (40 %), Ungarn (39 %) und Deutschen (39 %) die vergangenen Jahre am positivsten. In Belgien (36 %) und Italien (36 %) denken dagegen mehr Menschen, die Niederlagen überwiegen die Erfolge als umgekehrt.
Knapp drei Viertel (73 % / Deutschland 70 %) der Europäer glauben, die EU hat seit ihrer Gründung einen positiven Effekt auf die Reisefreiheit in Europa. Auch auf den Handel zwischen europäischen Ländern habe sie insgesamt einen positiven Einfluss gehabt, befinden zwei Drittel (64 % /Deutschland 70 %) der EU-Bürger. Zudem denken zwei Drittel (65 %) der Deutschen, die Union trage zum friedlichen Miteinander der europäischen Staaten bei – im Durchschnitt der EU-Länder stimmen dem 58 Prozent zu.
Die Frage, ob die EU den Lebensstandard in den Mitgliedsländern positiv beeinflusst habe, spaltet die EU-Bürger. In Polen (56 %), Spanien (48 %) und Deutschland (47 %) befürworten knapp die Hälfte der Befragten diese Aussage. In Belgien (29 %), Italien (25 %) und Frankreich (20 %) weniger als ein Drittel.
Europa auf dem falschen Weg?
Knapp sechs von zehn (57 %) Bürger aus EU-Ländern denken, die Europäische Union sei auf dem falschen Weg. Vor allem in Belgien (69 %), Italien (66 %) und Frankreich (63 %) stößt die politische Richtung der EU auf wenig Gegenliebe.
In den meisten befragten europäischen Staaten denken mehr Menschen, die Zugehörigkeit zur EU habe die Auswirkungen der Wirtschaftskrise eher verschlimmert als verbessert. In Italien (50 %), Frankreich (48 %) und Belgien (48 %) sieht das sogar knapp die Hälfte der Befragten so. In Deutschland (28 %) sind es knapp drei von zehn. In Ungarn (44 %) und Polen (34 %) glauben prozentual mehr Bürger, der Effekt der EU auf die Krise war positiv für ihr Land.
Im Durchschnitt stimmen mehr als die Hälfte (53 %) der Teilnehmer weltweit zu, dass die EU-Länder gemeinsam stärker sind, wenn es um die Lösung globaler Probleme geht. In Polen (64 %), Spanien (62 %) und Deutschland (61 %) sind sogar sechs von zehn Bürgern dieser Meinung. In Italien (35 %), Belgien (34 %) und Frankreich (32 %) denkt lediglich ein Drittel so.
Ein Blick in die Zukunft
In Zukunft sollte die EU laut Meinung der befragten Europäer Prioritäten auf folgende Themen setzen:
- Verminderung von Armut und sozialer Ungerechtigkeit (EU 51 %/ Deutschland 49 %);
- Bekämpfung von organisiertem Verbrechen und Terrorismus (EU 44 %/ Deutschland 51 %);
- Schaffen von wirtschaftlichem Wachstum und Arbeitsplätzen (EU 44 %/ Deutschland 26 %);
- Reduzierung illegaler Einwanderung (EU 40 %/ Deutschland 39 %);
- Bekämpfung von Steuerflucht und -hinterziehung (EU 30 %/ Deutschland 29 %). Für die deutschen Befragten sollte zudem der Schutz der Umwelt (35 %) mit auf die Prioritätenliste.
Zwei Drittel (65 %) der Europäer denken, die Länder in Europa sollten zukünftig enger zusammenarbeiten, um illegale Einwanderungen von außerhalb der EU einzudämmen. Ebenso viele Befragte (64 %) meinen, die Länder der EU sollten den Strom an Flüchtlingen reduzieren, indem sie dazu beitragen die Konflikte in deren Heimatländern zu beenden. Auch zwei von drei (66 %) Deutschen teilen diese Meinung.
Dass in Zukunft weniger Energie von Staaten außerhalb der EU bezogen werden sollte, befürwortet mehr als die Hälfte der europäischen Befragten (56 %). Die Hälfte (50 %) der Europäer würde zudem zukünftig den Präsidenten der Europäischen Kommission per Direktwahl bestimmen lassen. In Deutschland wünschen das 45 Prozent der Bürger.
Dr. Robert Grimm, Leiter der Politik- und Sozialforschung bei Ipsos, kommentiert die Ergebnisse: »Es gibt Gründe zu feiern. Viele Menschen sind der Ansicht, Europa wurde durch die EU und ihre Vorläufer gestärkt, dass die EU das Reisen innerhalb Europas vereinfacht, den intraeuropäischen Handel gefördert und den Frieden zwischen den Mitgliedsstaaten gesichert hat. Aber, der 60. Geburtstag der Römischen Verträge fällt in eine Zeit, in der die EU vor großen internen und externen Herausforderungen steht und in einer tiefen Identitätskrise steckt. Wofür steht die EU: Wohlstand, soziale Gerechtigkeit, Sicherheit, Frieden und Demokratie? Gibt es EINE Union oder ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten? Das öffentliche Vertrauen in die EU ist auf einem Tiefststand. Viele Bürger sehen die Politik der EU als Grund für wirtschaftliche und soziale Missstände. Europäische Institutionen erscheinen intransparent und undemokratisch. Bürger nehmen die EU im Angesicht der gegenwärtigen Herausforderungen wie Flüchtlingskrise, Terror und Populismus als hilflos und handlungsunfähig wahr. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte steht die EU mit dem Brexit vor Desintegration statt Erweiterung. Das kürzlich publizierte Weißbuch zur Zukunft Europas stellt klar, dass diese Fragen der internen Integrität einer dringenden Antwort bedürfen, um den Bestand der Union zu gewährleisten. Denn, auch unter den Unterzeichnerstaaten des Vertrags von Rom ist der Vertrauensverlust in das europäische Projekt ausgeprägt. Die in Frankeich anstehenden Präsidentschaftswahlen werden zeigen, ob der europäische Motor weiter ins Stottern gerät.«
Deutsche glauben, die EU hat mehr Erfolge als Misserfolge gehabt
[1] Insgesamt wurden im Rahmen dieser Studie 18.021 Interviews durchgeführt unter Personen zwischen 16 und 64 Jahren (USA und Kanada: 18-64).
Feldzeit: 17. Februar bis 3. März 2017
Diese Studie wurde über das Ipsos Online Panel in insgesamt 25 Ländern durchgeführt: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Chile, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Italien, Japan, Kanada, Kolumbien, Mexiko, Peru, Polen, Russland, Schweden, Spanien, Südafrika, Südkorea, Türkei, Ungarn, USA. Die Daten wurden anhand der jeweils aktuellsten Zensusdaten nach demographischen Merkmalen gewichtet, um eine Annäherung an die Grundgesamtheit zu gewährleisten. Acht der untersuchten Länder (Brasilien, China, Indien, Kolumbien, Mexiko, Peru, Südafrika und Türkei) haben eine niedrige Internetdichte und repräsentieren bei dieser Online-Umfrage daher die Bevölkerung in eher urbanen Gebieten mit eher höherer Bildung und Einkommen als die Gesamtbevölkerung.
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