Je mehr Akademiker, desto unproduktiver?

Produktivitätswachstum sinkt, obwohl Erwerbstätige besser qualifiziert sind.

 

Rückgängige Produktivitätszuwächse stehen im Gegensatz zu immer besser qualifizierten Arbeitskräften – Sektoraler Wandel hat nur schwachen Einfluss auf die Produktivitätsentwicklung – Zunehmende Bürokratisierung als mögliche Ursache für geringes Produktivitätswachstum.

Obwohl sich die Arbeitsmärkte in Deutschland und anderen entwickelten Ländern immer stärker »akademisieren«, wächst die Produktivität längst nicht mehr so stark wie früher. Während die Produktivität in den 70er Jahren jährlich noch um fast vier Prozent zulegte, waren es in den vergangenen acht Jahren weniger als ein Prozent. Im letzten und in diesem Jahr stagniert die Produktivität nur noch. Der sektorale Wandel taugt allerdings nicht als ausreichende Erklärung. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Studienautor Karl Brenke zufolge könnte die zunehmende Bürokratisierung der Arbeitswelt einen wichtigen, aber bisher weitgehend unerforschten, Anteil an den beobachteten Rückgängen haben. »Auffällig ist, dass der Rückgang des Produktivitätswachstums einhergeht mit einem steigenden Anteil an Tätigkeiten in Management- und Leitungsfunktionen sowie im Zusammenhang mit der Anwendung von Gesetzen und Vorschriften«, beobachtet Arbeitsmarktexperte Brenke.

 

Bildungsfortschritt überträgt sich nicht auf Produktivitätswachstum

Mit Blick auf die Qualifikationen der Erwerbstätigen fallen zwei Entwicklungen auf, die eigentlich die Produktivität hätten antreiben müssen. Zum einen ist die Akademikerquote in Deutschland gestiegen; immer mehr Personen im erwerbsfähigen Alter können einen Hochschulabschluss vorweisen. So ist der Anteil der Arbeitszeit, die auf Jobs entfällt, die einen Hochschulabschluss voraussetzen, nach den Daten des Sozio-oekonomischen Panels immer mehr gestiegen: Während dieser im Jahr 1984 noch bei etwa zehn Prozent lag, setzen im Jahr 2017 schon knapp 30 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse ein erfolgreich absolviertes Studium voraus. Auf der anderen Seite sinkt das Arbeitsvolumen, das auf Jobs ohne jegliche Qualifikationsvoraussetzung entfällt. Bewegte sich dieser Wert 1984 noch bei knapp 40 Prozent, fiel er sukzessive und stagniert über die letzten Jahre bei rund 20 Prozent.

 

Sektoraler Wandel hat geringen Einfluss

Dass die Produktivität nicht mehr so stark wächst, wird häufig auf den sektoralen Wandel zurückgeführt, also auf die Verschiebung vom produzierenden Sektor hin zum Dienstleistungssektor. Tatsächlich hat die überproportionale Zunahme des Dienstleistungssektors das Produktivitätswachstum gehemmt. Allerdings war der Bremseffekt nur klein: So bremste der sektorale Wandel das Produktivitätswachstum im vergangenen Jahrzehnt lediglich um 0,2 Prozent, erklärt also nur einen Bruchteil des beobachteten Rückgangs.

 

Zunehmende Bürokratisierung ein möglicher Grund für gehemmtes Wachstum

Studienautor Karl Brenke vermutet stattdessen, dass die vermehrten bürokratischen Vorgaben und Prozesse, die zwar zusätzliche Aufgaben erzeugen, aber keinen Bezug zur eigentlichen Wertschöpfung aufweisen, ein Grund für das schwächere Wachstum sind. Diese zunehmende Bürokratisierung kann sowohl von staatlicher Seite, zum Beispiel in Form von Auflagen für die Zusammenarbeit mit öffentlichen Auftraggebern, als auch innerhalb der Unternehmen, etwa durch die Schaffung neuer Funktionen, angetrieben werden. Ein Indiz für seine These findet Brenke in den Daten des Mikrozensus und den darin erkennbaren Veränderungen der Beschäftigungsstruktur: So nahm, während das Produktivitätswachstum immer weiter abfiel, der Anteil der bürokratischen Tätigkeiten zu. Dies gilt auch für Wirtschaftszweige mit hoher Produktivität wie dem verarbeitenden Gewerbe. Während der Anteil der hochqualifizierten Verwaltungsberufe in diesem Sektor für das Jahr 1996 noch 0,6 Prozent betrug, war er im Jahr 2016 bereits auf 3,1 Prozent gestiegen. Auch in der Kategorie der Führungstätigkeiten waren Zuwächse zu verzeichnen.

Offen bleibt allerdings die Frage, inwiefern dieser Wandel den Arbeitsalltag anderer Beschäftigter beeinflusst. »Um den potenziellen Zusammenhang belegen und messen zu können, wäre es notwendig, Umfragen zu erheben, um exakte Aussagen darüber zu erhalten, wie die Arbeitszeit nach Aufgabentypen verwendet wird«, schlägt Brenke vor.

 

Produktivität am Arbeitsplatz: Zweidrittel sind die meiste Zeit produktiv

Deutschland belegt im Europa-Vergleich laut Bundesarbeitsministerium den 4. Platz in »Produktivität am Arbeitsplatz«. Doch wie fühlen sich die Angestellten und Arbeitssuchenden in diesem Arbeitsmarkt? Appinio hat eine repräsentative Studie mit 1215 Deutschen im Alter von 16 bis 44 Jahren zum Thema Produktivität und Zufriedenheit am Arbeitsplatz durchgeführt [1].

Hier die wichtigsten Studienergebnisse:

 

78 % sind (sehr) zufrieden in ihrem momentanen Beruf

Alle Befragten sind mehrheitlich (sehr) zufrieden an ihrem Arbeitsplatz (78 %). Auch 71 % derjenigen, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, sind (sehr) zufrieden in ihrer Position. Unter denjenigen hingegen, die im Durchschnitt 40 Stunden pro Woche arbeiten, sind 79 % (sehr) zufrieden mit ihrem Beruf.

 

Großraumbüros: Weniger Zufriedenheit bei gleicher Produktivität

Desto weniger Mitarbeiter in einem Büro, desto höher die Zufriedenheit: 80 % derjenigen, die mit weniger als 4 Mitarbeitern in einem Büro arbeiten sind (sehr) zufrieden. Im Vergleich dazu sind es bei 4 bis 10 Mitarbeitern 78 % und bei mehr als 10 Mitarbeitern nur 76 %. Arbeit allein in einem Büro, zum Beispiel auch im Home Office, schneidet ähnlich gut ab (77 %). In Bezug auf die Produktivität zeigt sich zwischen den verschiedenen Bürotypen kein Unterschied.

 

35 % sind zeitweise oder gar nicht produktiv bei ihrer Arbeit

Insgesamt sind nur 65 % die meiste Zeit, 29 % zeitweise und 5 % sogar selten oder nie produktiv an ihrem Arbeitsplatz. Bei denjenigen, die mehr als 40 Stunden arbeiten sind sogar 9 % selten oder nie produktiv. Am häufigsten wird als Ablenkung von der Arbeit die Nutzung von Smartphones und Social Media genannt, gefolgt von Gesprächen mit Kollegen (53 %). Darüber hinaus sind lange Entscheidungswege (48 %), langsame Technologien (48 %), ineffiziente Prozesse (57 %) und zu viel Stress (43 %) die größten Hindernisse für produktive Arbeit.

 

Bei 55 % sorgt schlechtes Management für Unproduktivität

55 % der Befragten geben an, dass schlechtes Management sie am produktiven Arbeiten hindert. Die Umfrage zeigt die am häufigsten aufkommenden Probleme mit Personen in Führungspositionen: Mangel an offener Kommunikation (29 %), keine klar definierten Ziele (20 %), sowie Überforderung der Mitarbeiter (20 %). In der Gruppe der Arbeitnehmer, die mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, geben sogar 29 % die Überforderung der Mitarbeiter als Grund an. Weitere Faktoren sind schlechte, beziehungsweise keine, Entscheidungsfähigkeit (14 %). Außerdem äußern 37 % der Frauen und 31 % der Männer, dass Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz zu wenig Anerkennung bekommen. Nur 27 % sagen, dass es an ihrem Arbeitsplatz kein Problem mit den Führungskräften gibt.

 

Spaß bei der Arbeit sorgt für Produktivität

Diejenigen, die meistens produktiv sind, äußern mehrheitlich, dass ihre Produktivität durch Spaß an der Arbeit (84 %) und motivierende Kollegen (70 %) gefördert wird. Außerdem ist Produktivität häufig kurzen Entscheidungswegen (68 %), effizienten Systemen (63 %) und flexiblen Arbeitsformen (73 %) zu verdanken.

Alle Studienergebnisse können Sie auch im Appinio-Blog nachlesen.

https://www.appinio.com/de/blog

 

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