TaxTech im Praxiseinsatz – KI als Treiber für effiziente Steuerprozesse

Das deutsche Steuerwesen ist komplex und erfordert effiziente Lösungen zur Bewältigung der hohen Anforderungen. Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen (ML) ermöglichen die Automatisierung und Optimierung von Steuerprozessen, wodurch Unternehmen Transparenz gewinnen und Risiken sowie Kosten reduzieren können. Die Vision der »autonomen Compliance« kombiniert technologische Innovationen mit menschlicher Expertise, um eine moderne und resiliente Steuer-Compliance zu schaffen.

Das deutsche Steuerwesen gilt als besonders komplex. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, sich in dem Labyrinth aus hoher Komplexität, stetigen Gesetzesänderungen sowie enormem Datenvolumen zurecht zu finden. Traditionelle, manuelle Verfahren zur Steuer-Compliance sind oft zeitaufwendig, fehleranfällig und kaum skalierbar. Nicht zuletzt fand das ifo-Institut in einer Studie aus dem Dezember 2024 heraus, dass deutsche Angestellte ganze 22 % ihrer Arbeitszeit für bürokratische Tätigkeiten aufwenden [1]. Gleichzeitig bestätigt eine aktuelle PwC-Umfrage, für die auch deutsche Unternehmen befragt wurden: Für 85 % der Führungskräfte hat der Umfang ihrer allgemeinen Compliance-Verantwortlichkeiten in den letzten drei Jahren zugenommen [2]. Besonders die Nutzung von Technologie, auch im Bereich KI, wird dabei als entscheidend angesehen, um Compliance nicht nur effizienter, sondern auch strategisch relevanter zu machen.

Diese allgemeine Entwicklung lässt sich unmittelbar auf den steuerlichen Bereich übertragen: Auch hier stehen Unternehmen unter wachsendem Druck, komplexe regulatorische Anforderungen effizient und fehlerfrei zu erfüllen. Mit dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz (KI) und maschinellem Lernen (ML) ergeben sich neue Möglichkeiten, diese Herausforderungen zu bewältigen.

Automatisierung operativer Steuerprozesse. Technologien aus dem Bereich KI und ML ermöglichen die automatisierte Verarbeitung großer Mengen strukturierter und unstrukturierter Daten. Sie übernehmen Aufgaben wie die korrekte Klassifizierung von Produkten mit den passenden Steuer- und Zolltarifcodes, Monitoring von Änderungen steuerlicher Vorschriften sowie die Validierung von Compliance-Dokumenten. Durch die Integration von Technologien wie Optical Character Recognition (OCR), Natural Language Processing (NLP) und Cloud-Speicherung lassen sich Steuerdaten systematisch erfassen, digitalisieren und ortsunabhängig abrufen. Damit steigt die Transparenz und Unternehmen reduzieren Risiken sowie Kosten, die durch falsche Steuerberechnung oder verpasste Abgabefristen entstehen. Darüber hinaus entwickeln KI und ML intelligente Automatisierungsalgorithmen, die eine nahezu autonome Steuer-Compliance ermöglichen. Gleichzeitig gilt: Während repetitive und standardisierbare Prozesse automatisiert werden, bleibt die menschliche Expertise in komplexen oder strategischen Fragestellungen unverzichtbar.

TaxTech in der Praxis. Doch wie helfen TaxTech-Lösungen ganz konkret? Im Alltag spielen KI und ML in erster Linie eine funktionale Rolle. Dazu zählt, dass Produkten die richtigen Steuer- und Zolltarifcodes zugeordnet werden, damit sie beim Zielort korrekt besteuert werden. Zum Beispiel: Ein Unternehmen bezieht Produkte aus einem Land und muss anhand von Produkttyp, Preis sowie Bestimmungsland oder -staat die passenden Steuer- und Zolltarifcodes anwenden. Für ein einzelnes Produkt erscheint das einfach – aber stellt man sich diesen Prozess für 10.000 Produkte in unterschiedlichen Kategorien vor, wird das Ausmaß klar.

Durch die richtige Steuerkennzeichnung, das automatische Verfolgen sich ändernder Vorschriften sowie die automatisierte Erstellung und Einreichung von Steuererklärungen, erhalten Unternehmen ein Maximum an Transparenz. Sämtliche Informationen zum Produkt und zur Lieferung lassen sich zu einem QR-Code zusammenführen – was den Behörden den Zugriff erleichtert. Dadurch verringern sich Verzögerungen bei der Einfuhr und Wartezeiten an Zollstellen. Darüber hinaus wird eine verlässlichere Abgrenzung zwischen rechtskonformen und betrügerischen Unternehmen ermöglicht.

Perspektive: »Autonome Compliance«. Kunden haben im Zuge des Einkaufsprozesses das Produkt im Kopf, den Preis, die Versandkosten und eventuell noch anfallende Steuern wie die Mehrwertsteuer. Aber für den Verkäufer folgt daraus sehr viel mehr Aufwand: Zahlungsabwicklung, Währungsumrechnung, Versandkosten, Steuern, Zollgebühren, und vieles mehr. KI- und ML-Systeme lernen, wie diese Prozesse ablaufen, und entwickeln darauf basierend bessere Automatisierungsalgorithmen – mit einem Ziel: »autonome Compliance« (oder auch »Self-driving Compliance). Das bedeutet Compliance, die minimale manuelle Eingriffe erfordert. Selbstverständlich kann und soll nicht jeder Prozess autonom ablaufen: Menschliche Kontrolle bleibt essenziell, etwa für Schulungen, die finale Überprüfung der Entscheidungen und die Steuerung der Technologie.

Die Datenfindung lässt sich hierbei in drei Schritte unterteilen:

  • Digitale Dokumente: Technologien wie OCR (Optical Character Recognition) und NLP (Natural Language -Processing) digitalisieren physische Dokumente und standardisieren deren Inhalte.
  • Cloud: Digitale Dokumente werden in der Cloud -gespeichert, was ortsunabhängigen Zugriff und -zentrale Verwaltung ermöglicht.
  • KI und ML: Sie verstehen die cloud-basierten Daten und ermöglichen einen präzisen, wohlinformierten Zugriff – ebenfalls von überall.

Allein in Deutschland gibt es über 600 Finanzämter. Die Fülle dieser Daten ist gewaltig. KI & ML automatisieren das Sammeln der Daten, strukturieren sie verständlich, speichern sie in der Cloud – und ermöglichen das Auffinden des richtigen Steuersatzes für das passende Produkt am korrekten Ort. Diese Systeme helfen, die Arbeit schneller und besser zu erledigen und unnötige Ausgaben durch verpasste Steuerschulden zu vermeiden. 

Fazit. TaxTech entwickelt sich zu einem Schlüsselbereich für die Zukunft der Steuer-Compliance. KI und ML ermöglichen effizientere, präzisere und skalierbare Prozesse, die Unternehmen nicht nur entlasten, sondern auch Wettbewerbsvorteile schaffen können. In einem zunehmend digitalen und globalisierten Steuerumfeld bietet »autonome Compliance« eine Vision, in der Technologie und menschliches Fachwissen eng verzahnt sind – und so die Grundlage für eine moderne, resiliente Steuer-Compliance schaffen.

 


Alex Baulf,
Vice President,
Global Indirect Tax & E-Invoicing
bei Avalara

 

[1] https://www.ifo.de/pressemitteilung/2024-12-04/22-prozent-der-arbeitszeit-fuer-buerokratie-noetig 
[2] https://www.pwc.de/de/pressemitteilungen/2025/geschwindigkeit-statt-konzern-burokratie-wie-unternehmen-ihre-compliance-funktion-neu-erfinden.html

 

Illustration: © Vladimir Grigorev | Dreamstime.com

 

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