Vor einigen Wochen mussten schlagartig ganze Heerscharen von Mitarbeitern von zu Hause aus arbeiten. Es ist zwar zu erwarten, dass nach der Lockerung der aktuellen Einschränkungen, Unternehmen auch wieder froh sein werden, ihre Mitarbeiter am Arbeitsplatz zu sehen. Das wird jedoch noch einige Zeit dauern.
Viele Führungskräfte und Teamleiter befassen sich aktuell verstärkt mit dem Thema und überlegen, wie die einmal geschaffene Infrastruktur nun dauerhaft besser genutzt werden könnte. Auf jeden Fall ist zu erwarten, dass das Thema Home Office zukünftig offener diskutiert wird, schließlich werden auch Klimaschutzziele, die Vermeidung von Pendelfahrten und der Wettstreit um die besten Talente wieder verstärkt in den Fokus treten. Warum soll also etwas, das über einige Wochen und Monate funktioniert hat, für manche Unternehmen nicht auch langfristig – eventuell als Hybridversion – ein geeignetes Modell sein, das nur an der einen oder anderen Stelle nachjustiert werden muss?
Wie kann also eine neue Kultur der Autonomie und Flexibilität im Unternehmen etabliert werden, ohne dass die Dynamik und Effizienz des Unternehmens darunter leidet? Und wie gelingt es Führungskräften, die Produktivität und Aufmerksamkeit ihrer Mitarbeiter auf einem hohen Niveau zu halten? Unbestritten ist, dass dazu ein Wandel im Unternehmen nötig ist, der Kommunikation, Kultur und Management besser zusammenbringt. Doch abgesehen von diesem Prozess, den Führungskräfte anstoßen und langfristig gestalten müssen, gilt es, auch einfache strukturelle und kommunikative Fragen zu klären.
Leitfaden für das Remote-Modell
Dazu lohnt sich ein Blick auf Organisationen, die das Remote-Modell seit vielen Jahren konsequent verfolgen. Wir von GitLab, einem jungen Tech-Unternehmen, haben keine Firmenzentrale, jedoch mehr als 1200 Mitarbeiter, die in 67 Ländern ausschließlich mobil und asynchron arbeiten. Unsere Erfahrungen mit diesem Arbeitsmodell stellen wir in einem Leitfaden zur Verfügung. Wer das Thema angeht, muss dabei wie so oft, zwei Perspektiven beachten: die des Unternehmens und die der Mitarbeiter. Zudem ist es sinnvoll, sich erreichbare Ziele zu stecken.
Mit den folgenden fünf Schritten behalten Unternehmen, für die mobiles Arbeiten Neuland ist, den Überblick:
Aus der Perspektive der Unternehmen:
- Einführung eines Führungsteams »Mobiles Arbeiten«
- Einführung eines Handbuchs
- Einführung eines Kommunikationsplans
- Einführung weniger Tools für »Mobiles Arbeiten«
- Wandel vorantreiben
Aus der Perspektive der Mitarbeiter:
- Einrichtung des persönlichen Arbeitsplatzes
- Klare Trennung von Arbeitsplatz und privatem Bereich
- Kontaktpflege zu Kollegen
- Beibehaltung der Routine bei gleichzeitigem Austesten neuer Freiheiten
- Mitgestaltung des Wandels
Manche Punkte, wie die Einrichtung eines Teams, das sich um alle primären Fragen rund um das Arbeiten vom Home Office aus kümmert oder aber die Einrichtung eines ergonomischen Arbeitsplatzes – im Idealfall räumlich abgegrenzt vom Privatleben – gehören zu den Grundvoraussetzungen, die ganz zu Beginn geschaffen werden und innerhalb kurzer Zeit funktionieren müssen. Anders hingegen der Aufbau einer Remote-Kultur, zu der beispielsweise auch die Etablierung informeller Kommunikationskanäle gehört: Das ist ein Prozess, der anfangs vom Unternehmen angeleitet und später von den Mitarbeitern mitgestaltet werden sollte: Sie können sich ausprobieren und das für ihren Alltag herausfiltern, was Vertrauen schafft und die Teams stärkt.
Aufbau einer Remote-Infrastruktur
Mitarbeiter, die ins Home Office entlassen werden, haben häufig das Gefühl, dass ihnen der gewohnte Rahmen für ihr Handeln fehlt. Denn nicht alle Prozesse, die im stationären Büro üblich sind, lassen sich ohne Weiteres in die mobile Arbeitswelt übertragen. Und umgekehrt gilt, dass Mitarbeiter, nur weil sie ortsunabhängig arbeiten, nicht weniger strukturiert arbeiten wollen. Welche konkreten Erwartungen hat das Unternehmen also in bestimmten Situationen? Um das eindeutig zu regeln, ist ein Handbuch sehr hilfreich, in dem alles, aber auch wirklich alles dokumentiert ist. Damit erhalten Mitarbeiter ein Regelwerk, das unternehmensübergreifend Normen festlegt und für Transparenz sorgt. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass es keine ungeschriebenen Regeln mehr gibt. Ein zentraler Punkt dabei ist die Dokumentation: Ganz nach dem Motto »Was nicht dokumentiert ist, kann nicht umgesetzt werden«, ist die Dokumentation jedes einzelnen Vorgangs der Schlüssel für gemeinsamen Erfolg und asynchrones Arbeiten. Dabei mag schriftliche Dokumentation vielen zunächst als lästige Hürde erschienen. Langfristig aber erleichtert sie die Zusammenarbeit: Die Kommunikation wird effektiver und einmal schriftlich fixierte Beschlüsse werden nicht wieder und wieder neu diskutiert.
Dabei ist es gerade für den Anfang sehr hilfreich, die Tools für das Home Office übersichtlich zu gestalten. Google Docs, ein unternehmensweites Chat-Tool wie Microsoft Teams oder Slack und etwa Zoom für Videokonferenzen sind alles, was ein Unternehmen braucht, um loszulegen. Wenn das Team über ein VPN auf interne Systeme zugreifen muss, dann sollte zusätzlich sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter einfachen Zugang haben und die Regeln für dessen Nutzung klar sind.
Schaffung informeller Kommunikationsmöglichkeiten
Wenn viele Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten, dann findet zwanglose Kommunikation und Interaktion nicht automatisch statt. Soziale Kontakte sind jedoch die Basis für Vertrauen und damit eine unentbehrliche Voraussetzung für die Zusammenarbeit im Team. Um informelle Kommunikation zu ermöglichen, sollten Unternehmen durchaus formell vorgehen und konkrete Maßnahmen einführen, die zwanglose Gespräche untereinander erleichtern und eine Atmosphäre schaffen, in der sich die Mitarbeiter trotz räumlicher Distanz begegnen und über berufsfremde Themen austauschen können.
Neben den ohnehin erforderlichen Besprechungen via Videokonferenzen darf also auch Zeit bleiben für einen virtuellen Kaffeeplausch oder eine zeitlich begrenzte Videokonferenz in lockerer Runde, in der die Teammitglieder wie in einem virtuellen Büro gemeinsam ihren jeweiligen Aufgaben nachgehen und sich quasi nebenbei spontane Gespräche entwickeln. Solche Simulationen helfen bei der Gewöhnung an die neue Arbeitssituation. Schließlich weiß man, dass Mitarbeiter, die ein gutes Verhältnis zu ihren Kollegen haben, deutlich motivierter und produktiver sind und sich gegenseitig unterstützen.
Förderung persönlicher Kontakte
Die Welt des Mobilen Arbeitens muss nicht ausschließlich virtuell sein. Unternehmen sollten auch dafür zu sorgen, dass sich Kollegen trotz Home Office auch mal persönlich treffen und gemeinsame Erlebnisse teilen. Solche Treffen, die von Mitarbeitern selbst organisiert und vom Unternehmen finanziell unterstützt werden, fördern persönliche Kontakte und erleichtern neuen Teammitgliedern die Integration. Eine weitere Möglichkeit, dem Bedürfnis nach menschlichen Kontakten bei der Arbeit entgegenzukommen, ist die Anmietung von Co-Working-Räumen für Mitarbeiter, die das wünschen.
Fazit
Mobiles Arbeiten vom Home Office aus wird zunehmend zu einer Realität in unserer Arbeitswelt. Zum einen werden uns die Herausforderungen rund um die aktuelle Situation noch länger erhalten bleiben. Zum anderen werden Unternehmen, die in aller Eile neue Infrastrukturen für das Arbeiten vom Home Office geschaffen haben, diese nun auch längerfristig nutzen wollen. Remote Work funktioniert dann am besten, wenn es eine unternehmensweite Übereinstimmung darüber gibt, wie und über welche Kanäle die Kommunikation stattfindet, die Regeln dazu idealerweise in einem Handbuch fixiert sind, alles schriftlich dokumentiert wird und Raum für informelle Kontaktpflege gewährt wird. Gelingt es Führungskräften und Mitarbeitern diese Remote-Kultur zu verinnerlichen, wird sich das in einer höheren Motivation und Produktivität niederschlagen. Einen guten Leitfaden für Unternehmen, die mehr über mobiles Arbeiten erfahren wollen, hat GitLab in seinem »The Remote Playbook« zusammengefasst.
Darren Murph, Head of All Remote bei GitLab
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