Kleinstaaterei bei der KI-Regulierung bremst Automotive-Innovationen aus

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Kommentar von Craig Melrose, Global Managing Partner – Advanced Technologies bei HTEC

Künstliche Intelligenz entwickelt sich mit beeindruckender Geschwindigkeit – inzwischen beantwortet sie zuverlässig Fragen an Hotlines, kann weit über 100 Tumorarten unterscheiden und steuert selbstständig ganze Produktionsstraßen. Dafür verantwortlich sind IT-Systeme mit immer größerer Rechenleistung, bessere KI-Modelle und eine smartere Nutzung der verfügbaren Daten. Nach Einschätzung von Microsoft-Chef Satya Nadella wird sich die Leistungsfähigkeit von KI-Systemen dadurch künftig alle sechs Monate verdoppeln. Damit würde KI sogar das bekannte Mooresche Gesetz aus den 1960er Jahren übertreffen, nach dem sich die Leistung von Computerchips etwa alle 18 Monate verdoppelt. Die Frage ist: Warum bremsen wir diese Innovationsgeschwindigkeit durch eine strenge und zersplitterte Regulierung künstlich aus?

Gerade in der Automobilindustrie, die aufgrund der Elektrifizierung des Antriebs ohnehin vor enormen Herausforderungen steht, können restriktive und nicht genau definierte Vorgaben im KI-Bereich eine massive Bremse für Innovationen bedeuten. Beispielsweise dann, wenn im Rahmen des EU AI Act auch KI-Systeme in der Entwicklung oder Fertigung als »hochriskant« eingestuft werden, weil sie mit anderen KI-Systemen in Verbindung stehen, die aktiv in das Fahrgeschehen eingreifen. Hier wäre eine bessere Balance aus Regulierung und Innovation sinnvoll – sonst wird sich die hiesige Automobilindustrie im internationalen Wettbewerb weiterhin schwertun.

Hinzu kommt, dass die KI-Regulierung weltweit höchst unterschiedlich ist: Während die EU strenge Vorschriften erlassen hat, greifen andere Länder und Wirtschaftsregionen kaum oder gar nicht ein. Um die verschiedenen Anforderungen zu erfüllen, müssen Hersteller im Grunde mehrere KI-Systeme parallel entwickeln, was die Kosten erhöht und die Entwicklung insgesamt verlangsamt.

Natürlich sind Regeln und Grenzen für KI richtig und wichtig – die Technologie ist einfach zu mächtig, um völlig unreguliert zu bleiben. Doch ein weltweit einheitliches Regelwerk, das – wie von China auf der World Artificial Intelligence Conference (WAIC) vorgeschlagen – von einer internationalen Organisation erarbeitet wird, hätte deutlich mehr Charme als die aktuelle KI-Kleinstaaterei. Vor allem, wenn sich dieses Regelwerk auf ethische Standards und Transparenz fokussiert, denn letztlich gibt es bereits reichlich Vorschriften etwa im Bereich Datenschutz oder Produktsicherheit, die die Rechte von Bürgern schützen und für eine verantwortungsvolle KI-Entwicklung sorgen. Diese Vorschriften stellen beispielsweise sicher, dass intelligente Systeme im Fahrzeuginnenraum, die Gesundheitsdaten des Fahrers erfassen, nur mit dessen Zustimmung aktiv sein dürfen. Oder dass Hersteller für autonome Fahrfunktionen ein umfassendes Konzept für funktionale Sicherheit entwickeln müssen, damit es nicht zu Unfällen kommt, wenn beispielsweise ein Sensor ausfällt.

Eine weltweit einheitliche KI-Regulierung, die den Gurt nicht zu eng anlegt, würde der Branche viele Freiheiten lassen, um KI-Innovationen schnell voranzutreiben. Gäbe es bedenkliche und unvorhergesehene Entwicklungen, könnte der Gesetzgeber immer noch eingreifen und nachregulieren. Das dürfte ihm ohnehin leichter fallen, als KI-Fortschritte vorherzusehen und vorab in komplexe Regelwerke zu pressen. Und es wäre allemal besser, als Innovationen in der Automobilindustrie und anderen Branchen frühzeitig auf breiter Front abzuwürgen.

 

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