Cloud-Souveränität 2025 – Zwischen Regulierung, KI und technischer Realität

Digitale Souveränität zählt zu den strategischen Leitthemen europäischer Industriepolitik. Doch was bedeutet sie konkret für Cloud-Anbieter und ihre Kunden?

Klar ist: Wer digitale Infrastrukturen nicht selbst kontrolliert, macht sich abhängig – technologisch, wirtschaftlich und politisch. Spätestens seit extraterritorialen Gesetzen wie dem US CLOUD Act, den geopolitischen Spannungen der letzten Jahre und einer wachsenden Bedrohungslage durch Cyberangriffe ist das Bewusstsein für diese Abhängigkeit gestiegen. Die europäische Antwort lautet: regulatorische Rahmenwerke, technologische Eigenentwicklungen und die Rückbesinnung auf eigene Stärken.

Dabei stellt sich nicht nur die Frage, wie sich europäische Cloud-Infrastrukturen realisieren lassen. Entscheidend ist, ob diese souveränen Architekturen den Anforderungen an Skalierbarkeit, Innovationskraft und regulatorische Sicherheit genügen, gerade mit Blick auf die Bedarfe des Mittelstands und stark regulierter Branchen. Gleichzeitig rückt die Frage nach der wirtschaftlichen Tragfähigkeit in den Fokus: Denn die souveräne Cloud muss nicht nur sicher, sondern auch effizient betreibbar sein.

Drei Gesetze, die den Markt neu ordnen. Der Data Act [1], der AI Act [2] und die NIS2-Richtlinie [3] markieren eine neue Phase europäischer Digitalpolitik. Alle drei Regelwerke greifen unmittelbar in die Art und Weise ein, wie Unternehmen mit ihren Daten, Systemen und Partnern umgehen.

Der Data Act verpflichtet Unternehmen, ihre industriellen Nicht-Personendaten kontrollierbar und übertragbar zu machen. Insbesondere IoT-Daten dürfen nicht in abgeschlossenen Plattformen verbleiben, sondern müssen bei Bedarf mit Dritten geteilt werden können. Für Cloud-Anbieter bedeutet das: Sie müssen Transparenz schaffen, Portabilität gewährleisten und Lock-in-Effekte technisch wie vertraglich vermeiden. Unternehmen wiederum benötigen Plattformen, die sich flexibel in ihre Datenflüsse integrieren lassen, ohne unnötige Abhängigkeiten.

Der AI Act verfolgt einen risikobasierten Ansatz zur Regulierung künstlicher Intelligenz. Hochrisikosysteme – etwa in der Industrie oder im Gesundheitswesen – unterliegen strengen Auflagen in Bezug auf Datenqualität, Nachvollziehbarkeit, Dokumentation und menschliche Kontrolle. Cloud-Plattformen, auf denen KI-Anwendungen entwickelt oder betrieben werden, müssen daher nicht nur skalierbar, sondern auch auditierbar und rechtssicher gestaltet sein. Gerade hier können Anbieter punkten, die transparente Architekturen mit klarer Datenherkunft kombinieren.

Die NIS2-Richtlinie weitet die Pflichten zur Cyber-sicherheit erheblich aus. Erstmals sind nicht nur Betreiber Kritischer Infrastrukturen, sondern auch zahlreiche mittelständische Unternehmen verpflichtet, Risikoanalysen, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen sowie Meldeprozesse umzusetzen. Daraus ergeben sich neue Anforderungen an die IT-Dienstleister: Sie müssen sowohl die regulatorischen Standards ihrer Kunden verstehen als auch ihre eigenen Infrastrukturen danach ausrichten. In der Praxis geht es damit um Sicherheitszertifikate, nachvollziehbare Betriebsprozesse und einen hohen Grad an Automatisierung, die zum Standard werden.

Souveränität braucht technische Exzellenz. Europäische Anbieter zeigen, dass Souveränität und Innovationsfähigkeit kein Widerspruch sind. Gerade mittelständische Unternehmen mit spezifischen Anforderungen profitieren von modularen Plattformen, die ohne komplexe Migrationsprojekte einsatzbereit sind. Kurze Wege, schnelle Skalierung und volle Kontrolle über Standort und Datenflüsse machen den Unterschied.

Ein besonderer Ansatz liegt in der dezentralen Infrastruktur: gridscale (ein OVHcloud Unternehmen) realisiert Rechenzentren etwa direkt in Windkraftanlagen – energie-effizient, geografisch nah am Kunden und von vornherein auf Resilienz ausgelegt [4]. Die Kombination aus Cloud- und Edge-Architektur erlaubt es, souveräne IT-Strukturen genau dort aufzubauen, wo sie gebraucht werden, ob im Krankenhaus, im Umspannwerk oder in der Industriehalle. Gerade diese Nähe zur industriellen Realität macht den Unterschied zu global standardisierten Hyperscale-Angeboten.

Von der Pflicht zur Chance: Europas digitale Eigenständigkeit. Die regulatorischen Anforderungen sind komplex, aber sie schaffen auch Marktchancen. Wer heute die Weichen richtig stellt, kann nicht nur Compliance sicherstellen, sondern echte Wettbewerbsvorteile erzielen. Denn Vertrauen, Geschwindigkeit und Anpassbarkeit werden zu entscheidenden Kriterien bei der Auswahl von Cloud-Partnern. Das gilt insbesondere für Unternehmen, die in sensiblen Bereichen wie Energie, Medizin oder Kritischer Infrastruktur tätig sind.

Gerade europäische Anbieter, die Souveränität nicht nur versprechen, sondern technisch und operativ umsetzen können, sind für die nächste Phase der Digitalisierung gut positioniert. Sie kombinieren regulatorisches Verständnis mit technologischer Exzellenz – und stellen die Frage nach der Cloud nicht nur politisch, sondern praktisch neu. Der Bedarf an souveräner IT ist real, und die Lösungen dafür existieren bereits.

Zukunftsfähige Cloud braucht europäische Antworten. Cloud-Souveränität ist keine ideologische Debatte, sondern eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Wer digitale Prozesse verantwortungsvoll gestalten will, muss Standort, Zugriffsrechte und Datenflüsse aktiv steuern können. Mit passenden Plattformen, regulatorischer Sicherheit und der Nähe zur Industrie bietet sich für europäische Anbieter jetzt die Gelegenheit, vom politischen Appell zur unternehmerischen Lösung zu werden. Die Kombination aus Gesetzestreue, technischer Qualität und praxistauglicher Infrastruktur ist ein Alleinstellungsmerkmal, das im globalen Wettbewerb zunehmend Gewicht gewinnt.

 


Henrik Hasenkamp verantwortet als CEO die Strategie und Ausrichtung von gridscale, einem Kölner Technologieanbieter, der Unternehmen eine schlüsselfertige Plug-and-Play Plattform für den schnellen und unkomplizierten Aufbau von Cloud- und Edge Computing-Services zur Verfügung stellt. Als einer der Pioniere und Vorreiter hat Henrik mit der Gründung von gridscale im Jahr 2014 das große Potenzial von Edge und Cloud Computing für die Digitalisierung in Deutschland früh erkannt und gridscale bis heute zu einem innovativen Softwareanbieter und Plattformbetreiber für mittlerweile tausende Mittelstandsunternehmen, IT-Dienstleister und Systemhäuser fortentwickelt. Seit August 2023 gehört das Unternehmen zur OVHcloud, dem europäischen Marktführer im Bereich Cloud. 
https://gridscale.io/

 

[1] https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/policies/data-act
[2] https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/policies/regulatory-framework-ai
[3] https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/policies/nis2-directive
[4] https://gridscale.io/success-stories/windcores/

 

Illustration: © Yaroslav Piatkivskyi, GenAI | Dreamstime.com

 

602 Artikel zu „Cloud Souveränität“

Wer Cloud sagt, muss Datensouveränität denken

Die Cloud hat sich längst zu einem neuen IT-Standard entwickelt. Ihr Einsatz bringt allerdings neue Herausforderungen mit sich – insbesondere im Hinblick auf geopolitische Risiken und die Gefahr einseitiger Abhängigkeiten. Klar ist: Unternehmen, Behörden und Betreiber kritischer Infrastrukturen benötigen eine kompromisslose Datensouveränität. Materna Virtual Solution zeigt, welche zentralen Komponenten dabei entscheidend sind. Für die meisten…

Für IT-Souveränität im Mittelstand: Unternehmensdaten in dedizierter und geschützter Private Cloud

q.beyond launcht KI-Plattform aus eigenen Rechenzentren. Compliance-konform: passende Lösung für kritische Firmeninformationen. Mit »Private Enterprise AI« werden Unternehmen unabhängig von Public Clouds.   Für mittelständische Unternehmen, die das volle Potenzial künstlicher Intelligenz nutzen möchten, ihre sensiblen Firmendaten jedoch nicht in einer Public Cloud speichern wollen, hat q.beyond jetzt die passende Lösung: »Private Enterprise AI«. Diese…

Digitale Souveränität: Wie viele Rechenzentren braucht es für eine Unabhängigkeit von US-Cloud-Diensten?

Wenn geopolitische Realität auf digitale Abhängigkeit trifft.   Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Europa reagiert auf US-Strafzölle mit Gegenzöllen auf digitale Dienstleistungen – Cloud-Dienste wie AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud könnten dadurch drastisch teurer oder regulatorisch eingeschränkt werden. Dieses Szenario ist längst keine geopolitische Spekulation mehr, sondern eine reale Drohkulisse: Nach der Ankündigung…

Die Zukunft der europäischen Cloud-Souveränität

Wesentlicher Beitrag zu IPCEI-CIS beschleunigt Europas Wechsel von US-Hyperscalern zu souveräner Cloud-Infrastruktur.   Leaseweb, ein Anbieter von Cloud-Diensten und Infrastructure as a Service (IaaS), gibt einen wesentlichen Fortschritt in seinem Beitrag zu den wichtigen EU-Projekten von gemeinsamem europäischem Interesse für Cloud-Infrastrukturen und -Dienste (IPCEI-CIS) bekannt: Mit dem Projekt »European Cloud Campus« legt Leaseweb aktiv den…

Cloud-Trends 2025: Flexibilität, Kostenkontrolle und digitale Souveränität

Die angespannte Wirtschaftslage stellt viele Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Gleichzeitig steigen die regulatorischen Anforderungen, und die Risiken durch Abhängigkeiten von großen Anbietern rücken immer stärker in den Fokus. Diese Herausforderungen erfordern von Unternehmen neue Ansätze, ihre IT-Infrastrukturen flexibler, unabhängiger und widerstandsfähiger zu machen. Multi-Cloud-Strategien, digitale Souveränität und der Ausbruch aus dem Vendor Lock-in werden daher…

Public-Cloud-GenAI-Services: Nachhaltigkeit und digitale Souveränität

Bis 2027 werden Nachhaltigkeit und digitale Souveränität als Hauptkriterien für die Wahl zwischen verschiedenen Public-Cloud-GenAI-Services immer relevante. Cloud-Technologie wird weiterhin am besten für die Bereitstellung von GenAI-gestützten Anwendungen in großem Maßstab geeignet sein.   Bis 2027 werden laut Gartner 70 Prozent der Unternehmen, die generative KI (GenAI) einsetzen, Nachhaltigkeit und digitale Souveränität als Hauptkriterien für…

Gaia-X und die Cloud-Infrastruktur – Wie Open Source Europa zu mehr Datensouveränität verhilft

Europa braucht dringend eine eigene Cloud-Infrastruktur. Nur auf diesem Weg lassen sich die europäischen Vorstellungen von Datenschutz und Datensouveränität in die Tat umsetzen. Einen entscheidenden Beitrag dazu kann das Open Source Ecosystem leisten. Das zeigt unter anderem das Gaia-X-Projekt.

IT-Trends 2021: Cloud, Datenschutz und Datensouveränität

Fast 45 Prozent der Nutzer außereuropäischer Cloud-Anbieter wollen ihre Cloud-Kapazitäten in Europa erweitern. Bedenken in Bezug auf Datenschutz und Datensouveränität beeinflussen die Cloud-Strategie von Unternehmen und Behörden. Die wichtigsten drei Technologietrends 2021: Production Safety and Production Security, Predictive Analytics und Schutz vor Bedrohungen durch IoT.   Die Ergebnisse der jährlich erscheinenden IT-Trends-Studie von Capgemini zeigen,…

Europäische Datensouveränität und DSGVO-Konformität: Telekom und Nextcloud bieten Collaboration-Lösung 

Covid-Pandemie zwingt zu Zusammenarbeit aus der Ferne. Gemanagtes Angebot für Unternehmen in Europa. Europäische Datensouveränität und DSGVO-Konformität im Mittelpunkt. Die Deutsche Telekom und Nextcloud GmbH bieten Unternehmen ab sofort eine rein europäische Collaboration-Plattform an. Die gemanagte Lösung erfüllt die Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für sicheren Daten- und Dokumentenaustausch mit Online-Bearbeitungsfunktionen. Sie basiert auf Nextcloud Hub…

Datensouveränität bedeutet auch Schlüsselsouveränität: Panne bei Cloud-Anbieter

Ein deutscher Cloud-Anbieter verliert Kryptografie-Schlüssel und seine Kunden dadurch Daten: Dieser aktuelle Vorfall schadet der gesamten Cloud-Branche in Deutschland, weil sie deren größten Wettbewerbsvorteil zunichte macht.   Deutsche Cloud-Anbieter mit ihren hohen Standards sind bei der Absicherung von Daten führend. Das ist die gute Nachricht. Trotzdem ist jetzt eine Panne passiert, die so nicht hätte…

»manage it« TechTalk: Die AWS European Sovereign Cloud startet Ende 2025 in Brandenburg

Auf dem AWS Summit 2025 im schönen Hamburg haben wir uns mit Michael Hanisch über das Thema digitale Souveränität ausgetauscht. In diesem Kontext wollten wir wissen, wie es um die erste AWS European Sovereign Cloud bestellt ist, die bis Ende 2025 in Brandenburg eröffnet werden soll. Und welche Vorteile diese sehr sichere Cloud-Variante deutschen Unternehmen und Behörden bietet, darüber hat Michael auch gesprochen.

Wirtschaft ruft nach einer sicheren (deutschen) Cloud

Drei Viertel der Unternehmen sehen zu große Abhängigkeit von US-Anbietern. 9 von 10 nutzen die Cloud – in fünf Jahren werden es alle sein. Bitkom veröffentlicht »Cloud Report 2025«.   In der deutschen Wirtschaft wächst die Sorge vor einer zu hohen Abhängigkeit von Cloud-Diensten aus dem Ausland. Fast zwei Drittel (62 Prozent) der Unternehmen in…

Einmal in die Cloud und wieder zurück: Unternehmen wollen wieder mehr Kontrolle über ihre IT-Infrastruktur

Das Thema Cloud ist in fast allen IT-Abteilungen nach wie vor allgegenwärtig. Aber immer häufiger stellt sich auch Ernüchterung ein: Die hohen Erwartungen an Kosteneinsparungen und Komplexitätsreduktion haben sich nicht überall erfüllt – oft ist sogar das Gegenteil eingetreten. Hinzu kommen neue Unsicherheiten durch aktuelle geopolitische Veränderungen und eine neue Wahrnehmung der Bedeutung von digitaler…

Kann sich Europa überhaupt von den US-Cloud-Giganten trennen?

Angesichts der jüngsten politischen Veränderungen in den USA suchen Unternehmen in der EU nach Wegen, sich von den großen US-Cloud-Anbietern unabhängiger zu machen. Die Trennung wird aber nicht einfach sein.   Seit Jahren verlassen sich europäische Unternehmen auf die US-amerikanischen Cloud-Giganten Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud, um ihre Daten zu hosten,…

Versteckte Cloud-Kosten: Unternehmen setzen verstärkt auf hybride Speicherlösungen

Zwei Drittel der deutschen Unternehmen überschreiten ihre Cloud-Budgets. Egress-Gebühren erschweren IT- oder Geschäftsinitiativen in Unternehmen.   Laut den Ergebnissen des jährlichen Global Cloud Storage Index von Wasabi Technologies setzen immer mehr Unternehmen auf Hybrid-Cloud-Modelle – 40 Prozent der Unternehmen in Europa verfolgen demnach eine Mischung aus Public-Cloud- und On-Premises-Lösungen [1]. In der Studie wurden 1.600…

»Kauf europäisch« ist nicht genug – digitale Souveränität gibt es nur mit Open Source Software

Standpunkt von Peter Ganten, Vorstandsvorsitzender der Open Source Business Alliance – Bundesverband für digitale Souveränität. Nie war deutlicher als in diesen Tagen, wie kritisch es um unsere digitale Souveränität steht. Der von den USA ausgelöste internationale Zollkrieg tobt, geopolitische Krisen bestimmen die Politik, und die USA sind längst kein verlässlicher Partner mehr, sondern verhalten sich…

KI zwingt Abstriche in Sachen Hybrid-Cloud-Sicherheit zu machen

KI verursacht größeres Netzwerkdatenvolumen und -komplexität und folglich auch das Risiko. Zudem gefährden Kompromisse die Sicherheit der hybriden Cloud-Infrastruktur, weshalb deutsche Sicherheits- und IT-Entscheider ihre Strategie überdenken und sich zunehmend von der Public Cloud entfernen. Gleichzeitig gewinnt die Netzwerksichtbarkeit weiter an Bedeutung.   63 Prozent der deutschen Sicherheits- und IT-Entscheider berichten, dass sie im Laufe…

enclaive und Bare.ID kooperieren: Confidential Cloud Computing trifft digitales Identitätsmanagement

enclaive, einer der führenden deutschen Anbieter im Bereich Confidential Computing, und Bare.ID, einer der führenden deutschen SSO-as-a-Service-Anbieter, arbeiten ab sofort bei der Bereitstellung innovativer, sicherer und flexibler Authentisierungsservices zusammen. Die Kombination der Confidential Cloud Computing-Plattform von enclaive mit der Authentifizierungstechnologie von Bare.ID ermöglicht es Unternehmen, eine sichere End-to-End-Kommunikation, lückenlose Compliance und digitale Souveränität zu gewährleisten.…