Kann sich Europa überhaupt von den US-Cloud-Giganten trennen?

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Angesichts der jüngsten politischen Veränderungen in den USA suchen Unternehmen in der EU nach Wegen, sich von den großen US-Cloud-Anbietern unabhängiger zu machen. Die Trennung wird aber nicht einfach sein.

 

Seit Jahren verlassen sich europäische Unternehmen auf die US-amerikanischen Cloud-Giganten Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud, um ihre Daten zu hosten, Anwendungen auszuführen und ihre digitale Infrastruktur zu betreiben. Doch angesichts der globalen politischen Veränderungen und wachsender Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes überdenken viele europäische Unternehmen ihre Abhängigkeit von US-Technologieunternehmen.

Sebastian Scheele, CEO und Gründer des Hamburger Softwareunternehmens Kubermatic, beschreibt die Problematik und stellt Lösungsansätze vor.

 

Der wachsende Ruf nach digitaler Souveränität

Unter der Trump-Regierung sind europäische Unternehmen und Regierungen zunehmend misstrauisch gegenüber dem Einfluss der US-Regierung auf amerikanische Technologieunternehmen geworden. Ein Hauptanliegen ist der CLOUD Act [1]. Der Clarifying Lawful Overseas Use of Data (CLOUD) Act ermöglicht es US-Behörden, auf Daten zuzugreifen, die von amerikanischen Technologieunternehmen gespeichert sind, um schwere Straftaten zu untersuchen, selbst wenn diese Daten außerhalb der US-Grenzen gespeichert sind.

Die Regierung argumentierte, dies würde die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei strafrechtlichen Ermittlungen erleichtern. Der CLOUD Act hat jedoch Befürchtungen ausgelöst, dass sensible europäische Daten der rechtlichen Kontrolle der USA unterliegen könnten, was einige Unternehmen dazu veranlasst hat, nach Alternativen in ihrer Nähe zu suchen.

»In Europa besteht ein großer Wunsch, Risiken zu minimieren und sich von der übermäßigen Abhängigkeit von US-Technologieunternehmen zu lösen«, sagt Marietje Schaake, Non-Resident Fellow am Cyber Policy Center der Stanford University und ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments. Diese Meinung wurde in einem offenen Brief von über 100 Organisationen bekräftigt, in dem die europäischen Politiker zu mehr technologischer Unabhängigkeit aufgefordert wurden [2].

 

Die Verlagerung hin zu europäischen Cloud-Anbietern

Europäische Cloud-Anbieter nutzen diese Chance. Unternehmen wie OVHcloud, Nextcloud und Open Telekom Cloud positionieren sich als echte Alternativen zu den US-amerikanischen Hyperscalern.

»Die Motivation, digital souveräne Anbieter zu nutzen, hat sich verändert«, erklärt Falk Weinreich, Managing Director von OVHcloud Deutschland. »Es geht nicht mehr nur um Datenschutz, sondern um die Angst vor einer Abschaltung durch die amerikanische Seite.«

Diese Sorge ist nicht unbegründet. Ein erheblicher Prozentsatz der europäischen Unternehmen ist von amerikanischen Cloud-Anbietern abhängig, sodass jede Störung – sei sie politischer, regulatorischer oder technischer Natur – unvorhersehbare Folgen haben könnte.

 

Die Herausforderungen der Abkehr von US-Clouds

Trotz der Dynamik ist es leichter gesagt als getan, sich aus der Dominanz der US-Clouds zu befreien. Die großen amerikanischen Anbieter – Amazon Web Services (AWS), Microsoft Azure und Google Cloud Platform (GCP) – dominieren nach wie vor den globalen Markt mit einem geschätzten Anteil von 62 Prozent (Statista, 2025 [3]).

Das Cloud-Ökosystem in Europa entwickelt sich zwar rasant, doch europäische Anbieter arbeiten noch daran, einige Funktionen nachzuholen – insbesondere bei groß angelegten Bereitstellungen, komplexen KI-Workloads und globaler Reichweite. Aus diesem Grund entscheiden sich viele Unternehmen für einen pragmatischen Weg: Sie setzen auf eine Hybrid-Cloud-Strategie, die US-amerikanische und europäische Anbieter kombiniert. Auf diese Weise können sie Risiken streuen, ihre Resilienz erhöhen, Datenhoheitsziele erreichen und dennoch von den Innovationen der drei großen Anbieter profitieren.

 

Der Weg nach vorn

Die Umstellung auf europäische Cloud-Anbieter steckt zwar noch in den Kinderschuhen, spiegelt jedoch eine viel umfassendere Debatte über digitale Souveränität und die Resilienz der Infrastruktur wider. In Zeiten fragiler Lieferketten ist es von entscheidender Bedeutung, sicher, flexibel und unabhängig zu bleiben.

Eine Initiative, die diesen Wandel unterstützt, ist NeoNephos, eine Community-basierte Plattform, die Cloud-native-Experten, -Projekte und -Anbieter zusammenbringt, die sich auf den Aufbau einer souveränen Cloud-Infrastruktur in Europa konzentrieren [4]. Ziel ist es, Unternehmen, Regierungen und Entwickler mit Ressourcen, Best Practices und Tools zu versorgen, um die Abhängigkeit von ausländischen Hyperscalern zu verringern und ein autonomeres Cloud-Ökosystem zu fördern.

Für Unternehmen, die die Kontrolle über ihre Cloud-Umgebungen zurückgewinnen möchten, ohne dabei Kompromisse bei der Leistung einzugehen, bieten Lösungen wie Kubermatic Cloud Stack (KCS) und Kubermatic Developer Platform (KDP) eine leistungsstarke Alternative. Mit KCS können Unternehmen ihre eigene Private-Cloud-Infrastruktur vollständig mit Kubernetes aufbauen und verwalten. Die Lösung eignet sich besonders für Unternehmen, die mit sensiblen Daten umgehen, da sie mehr Flexibilität bietet und Datenschutzbedenken ausräumt.

Angesichts der sich weiterentwickelnden Cloud-Landschaft in Europa müssen Unternehmen strategisch darüber nachdenken, wie sie Sicherheit, Leistung und Unabhängigkeit in Einklang bringen können. Es ist klar, dass die mögliche Trennung von den US-Cloud-Giganten nicht über Nacht geschehen wird. Sie wird schrittweise, komplex und in vielen Fällen hybrid verlaufen. Eines ist jedoch sicher: Die Diskussion über digitale Unabhängigkeit hat gerade erst begonnen.

 

[1] https://www.cov.com/en/news-and-insights/insights/2018/03/cloud-act-creates-new-framework-for-cross-border-data-access
[2] https://www.the-guild.eu/news-and-blog/news/2025/open-letter-in-support-of-fp10.html
[3] https://www.statista.com/chart/18819/worldwide-market-share-of-leading-cloud-infrastructure-service-providers/
[4] https://neonephos.org/

 

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