Ein Open-Source-Business-Modell gibt es nicht

Open-Source-Technologie entfaltet ihre Wirkung dann am besten, wenn sie Bestandteil von Strategien und Taktiken zur Unterstützung eines Kern-Business-Modells ist – und nicht umgekehrt.

Illustration: Absmeier, Vetsikas

Open-Source-Business-Modelle sind in aller Munde, da mag der Titel dieses Artikels vielleicht etwas sonderbar anmuten, vor allem, weil der Artikel von jemandem stammt, dessen Job es ist, ein Ökosystem rund um ein Open-Source-Software-Projekt zu unterstützen. Haben Sie bitte Nachsicht mit mir.

Wir alle wissen, was ein Geschäftsmodell umfasst. Doch wenn wir die Produkte eines Unternehmens auf Open-Source-Technologien ausrichten, verhalten wir uns auf einmal so, als handelte es sich um ein grundlegend anderes Business.

Ich meine zwar auch, dass Open Source in puncto Konzept und Bewegung unsere Wirtschaft in fast allen Branchen stark beeinflusst, aber ich denke, dass zahlreiche Enterprise-Technologieunternehmen (vor allem Start-ups) immer mehr den Unterschied zwischen ihrem Business und den Open-Source-Projekten, mit denen sie verbunden sind, aus den Augen verlieren.

 

Druck auf ein open-source-orientiertes Unternehmen

Mit Risikokapital geförderte Start-ups auf der Suche nach einem »Open-Source-Business-Modell« geraten schnell in eine schwierige Situation. Für Investoren steht immer der Return on Investment (ROI) im Vordergrund, doch die Open-Source-Community erwartet kostenlose Software und dass es der Community gut geht. Zusätzlicher Druck erwächst daraus, dass die Unterschiede zwischen den Features einer kommerziellen Version der Software und der Entwicklungsarbeit der Community immer mehr verschwimmen.

Darüber hinaus nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass Mitbewerber auf den Plan treten, je häufiger die Open-Source-Version der Software im Unternehmen zum Einsatz kommt. Die größte Herausforderung für Softwareanbieter und ihre Mitbewerber sind Hyperscale-Cloud-Provider, die in der Lage sind, vollständig verwaltete Versionen der Open-Source-Software anbieten zu können. Diese Cloud-Provider rühmen sich damit, Chancen schnell zu erkennen, wenn es darum geht, Kunden bei der Einführung von Open-Source zu unterstützen. Dies wirkt auf Gründer und Investoren gleichermaßen einschüchternd, doch der Versuch, neue »Fast«-Open-Source-Lizenzen zu entwickeln, ist auch keine Antwort.

 

Wenn Sie es richtig machen

Anstatt sich Open-Source als Kernkomponente Ihres Geschäftsmodells vorzustellen, definieren Sie ein Geschäftsmodell für Software- und Service-Unternehmen, das für sich allein tragfähig ist. Für ein Technologieunternehmen entfaltet Open Source seine Wirkung dann am besten, wenn es Bestandteil von Strategien und Taktiken zur Unterstützung eines bereits soliden Geschäftsmodells ist, und nicht umgekehrt.

In dieser Sache bin ich nicht der Einzige, der so denkt. Anfang des Jahres hatte ich auf dem Open Source Leadership Summit der Linux Foundation die Ehre, mit Sid Sijbrandij, CEO von GitLab, ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, wie das Unternehmen, dessen Mitbegründer er ist, es schließlich schaffte, ein Geschäftsmodell zu entwickeln, das Nutzen aus Open-Source-Technologie zieht, ohne von ihr völlig abhängig zu sein.

Open Source ist in puncto Forschung und Entwicklung ein Ansatz, bei dem das Teilen in einer Community im Vordergrund steht. Eine aus Individuen und Unternehmen bestehende Community, die das gemeinsame Ziel verfolgt, einen Mehrwert für jedermann zu schaffen. Das gesamte Konzept »Open Source« fußt auf der Gründung einer Community zwecks Entwicklung von Software zur Unterstützung unterschiedlicher Unternehmen mit unterschiedlichen Interessen bei der Erreichung ihrer Unternehmensziele. Diese Community, zu der auch Ihre Kunden, Endbenutzer der Open-Source-Software und sogar Mitbewerber gehören, ist der »Ort«, wo sich mit Open-Source-Projekten enorme Wertschöpfung erzielen lässt. Ausschlaggebend für jedes Unternehmen, das für das Geschäft unverzichtbare Open-Source-Projekte entwickelt, oder dabei Unterstützung leistet, ist die Fokussierung auf ein zweigleisiges Vorgehen:

 

  1. Das Wachstum der Community unterstützen
  2. Gewährleisten, dass Sie einen angemessenen Teil des Gesamtwertes monetarisieren

 

GitLab verfolgt diesen Ansatz mit Bedacht. Der Kern des GitLab-Produkts ist zwar quelloffen, doch das DevOps-Lifecycle-Tool setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen, das mehr wertvolle Erfahrungen ermöglicht als jede andere Open-Source-Technologie allein leisten kann.

GitLab steht, offen gesagt, wie jedes andere Unternehmen auch, vor der entscheidenden Herausforderung, Umsatz zu erzielen. Anstatt sich selbst als Open-Source-Anbieter zu verkaufen, hat GitLab um seinen offenen Kern herum mehrere proprietäre Features verpackt. Das wiederum ermöglicht es GitLab, proprietäre Features und Support zu einem Paket für diesen Open-Source-Kern zu schnüren, um Unternehmen ein besseres und wertvolleres Angebot anbieten zu können. Ziel ist es, etwas Einzigartiges zu schaffen, was sich von anderen Anbietern wahrscheinlich nicht oder nicht so leicht nachahmen lässt. GitLabs Zielgruppe sind vor allem Führungskräfte, und in geringerem Umfang erfolgt der Verkauf einer kostengünstigeren Version seines Produkts an Abteilungsleiter. Außerdem steht für Entwickler beziehungsweise kleinere Entwicklerteams eine kostenlose Version zur Verfügung, um das Interesse am Open-Source-Kern und an dessen Verbreitung zu fördern sowie die geteilte Softwareentwicklung voranzutreiben.

GitLab hat die die mutige Entscheidung getroffen, eine vollständige Version seines Git-Repository Manager für kleinere Teams kostenlos zur Verfügung zu stellen. Wie bei jeder anderen Software auch, stellen sich neue Herausforderungen, sobald die Software in einem Unternehmen immer stärker eingesetzt wird. Dann ist der richtige Zeitpunkt für ein Unternehmen gekommen, um Enterprise-Lizenzen mit umfassenden Features anzubieten, mit denen sich die einzigartigen Probleme infolge der verstärkten Produktverbreitung lösen lassen.

Wie GitLab über sein Geschäftsmodell denkt, unterscheidet sich also wesentlich von anderen Unternehmen. Dies hat zu einer Reihe wichtiger Entscheidungen geführt, u. a. darüber, welche Teile des Produkts proprietär und welche Open-Source-Software sein sollten. Dieser Ansatz ermöglicht es GitLab, eine Community rund um Open Source aufzubauen, er steigert den Firmenwert, trägt zur Verbreitung bei und GitLab profitiert von dem vielseitigen Feedback der großen Entwickler-Gemeinde. GitLab ist das perfekte Beispiel für ein Unternehmen, das Open Source zur Erreichung strategischer Ziele nutzt und ein Stand-alone-Geschäftsmodell unterstützt.

 

Der nächste Schritt

In gewisser Hinsicht ist es für Ihr Unternehmen von entscheidender Bedeutung, proprietäre Software anzubieten oder sich von leicht zugänglichen Open-Source-Projekten klar zu unterscheiden. Zusätzliche Funktionalität, Integrationsmöglichkeiten, unterschiedliche Features und Enterprise-Class-Support tragen zur Erweiterung von dem bei, was ein Open-Source-Projekt allein betrachtet schon ist.

Wenn zum Beispiel Unternehmen bei der Einführung und Implementierung Ihres Produkts einen hohen Aufwand betreiben müssen, ist es überaus sinnvoll, eine leistungsstarke Services-Abteilung aufzubauen, als Aufhänger für Ihr Unternehmen, um den Kunden zum Erfolg zu verhelfen. Wir alle sollten uns für die Lösung schwieriger, für größere Unternehmen ziemlich typischen Probleme einsetzen.

Denken Sie daran: So etwas wie ein Open-Source-Business-Modell gibt es nicht. Das Business muss auch für sich allein Sinn ergeben. Arbeiten Sie von außen nach innen, und nicht umgekehrt.

Chip Childers, CTO, Cloud Foundry Foundation

 

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