Satire – Zu stolz zum Reden?

Satire – Zu stolz zum Reden?

Was Spam, Fake-Profile und Friseure über Männer verraten.

Auswertungen von Spam-Kampagnen deuten darauf hin, dass Männer leichtgläubiger sind als Frauen (umgangssprachlich »dümmer«). Es gibt ja allerhand Rollenklischees. Beispielsweise, dass Männer nie nach dem Weg fragen und lieber fünf Mal falsch fahren. Was ist dran und was bedeutet das für uns in der IT-Industrie?

Das anekdotische Wissen um die limitierten Kommunikationsfähigkeiten von Männern habe ich vor kurzem in einer unwissenschaftlichen Mini-Studie verfestigt. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sitzen beim Friseur im Stuhl, legen den Kopf in den Nacken, um die Haare gewaschen zu bekommen. Der erste Wasserstrahl erreicht Ihre Haare und Kopfhaut. Und während der Friseur oder die Friseurin anfängt Ihren Kopf zu massieren, fragt er oder sie: »Passt die Temperatur so?« Gesetzt, das Wasser wäre zu heiß, was würden Sie antworten?

Eine einfache Frage beantworten.Von 30 befragten Männern im Alter zwischen 20 und 50 Jahren gaben 23 an, auf die Temperaturfrage beim Friseur »Ja, klar!« zu antworten. Immer. Egal, ob das Wasser zu kalt oder zu heiß sei. Von den restlichen sieben Männern trugen vier eine Glatze. Drei verstanden die Frage nicht. Sie konnten mit dem Begriff »Haare waschen« nichts anfangen.

Gegenprobe beim anderen Geschlecht: 100 Prozent von zehn befragten Frauen würden mit der Frage »Passt die Temperatur so?« auf völlig unterschiedliche Weise umgehen. Sie erklärten unisono, darauf zu antworten, ob ihnen die Temperatur passt. Das heißt, um das nochmals ganz deutlich zu sagen, die Frauen beantworteten die gestellte Frage, die Männer waren nicht dazu in der Lage.

Weiter mit einer Kontrollgruppe der Studie: Ein Friseur und eine Friseurin erklärten auf Nachfrage, dass sie sich in der Tat öfters wundern, welch großes Temperaturspektrum männliche Kunden ertragen, ohne ihre Schmerzen zu verbalisieren. Versetzen Sie sich nun bitte in den Friseur: Sie sind beruflich gezwungen, einem männlichen Kunden die Haare zu waschen. Das Wasser hat einen schlechten Tag. Just in dem Moment, als Sie beginnen, den Kunden zu benetzen, wird es kochend heiß. Sie erschrecken. Sie fragen, schon etwas peinlich berührt, die Frage, die Sie schon tausendmal gestellt haben »Passt die Temperatur so?« Sie nutzen sogar Suggestion! »Ist es zu heiß?« Nichts zu machen. Zurück kommt das stereotype »Jaja, passt schon.« Weil Sie sich nicht über den Kundenwunsch hinwegsetzen können, verbrennen Sie sich die eigenen Hände gleich mit.

Männer haben also den eigenartigen Defekt, selbst einfache Kommunikationsmuster nicht erkennen zu können. Dieses Phänomen nutzen Spammer. Wer sich seinen Spam-Ordner durchschaut, dem fallen unzählige Varianten von Angeboten zur Penisverlängerung und gefälschten Viagra-Pillen auf. (Nein, das liegt nicht daran, dass Spammer sich die Mühe machen würden ihre Mailings nach Geschlechtern zu segmentieren.) Zugegeben, die Erfolgsrate für Spam-Mails liegt bei weniger als 0,00001 Prozent. Das zeigte eine Untersuchung mit Penisverlängerungsangeboten per E-Mail. In 26 Tagen und bei 350 Millionen versendeten E-Mails kauften nur 28 Menschen das Produkt. Jetzt werden Sie sagen: Dass das Männer waren, überrascht wenig. Nur: Wo bleiben denn Kampagnen für Fruchtbarkeitsmittel bei Frauen? Pillen für Brustvergrößerungen? Orangenhautwundermittel?

Oder Fake-Profile in sozialen Netzwerken: Es sind in der Mehrzahl leicht bekleidete Frauen mit offenherzigen sexuellen Präferenzen, die Fotos von Autos und Fußball teilen. Und es sind in der Mehrzahl, nein fast ausschließlich, Männer, die durch diese Tricks angesprochen werden. Ziel ist es, ihnen den Kopf zu verdrehen oder sie instinkthaft zu dem einen Klick zu viel zu veranlassen, der das Endgerät den Hackern preisgibt. Fake-Profile, um Frauen hinein zu legen? Fehlanzeige. Nicht einmal für klischeehaft gefälschte Louis-Vuitton-Taschen oder Manolo-Blahnik-Schuhe reicht es.

Die Spam-Industrie ist doch für etwas gut. Halten wir also fest: Die Spam-Industrie ist für etwas gut. Zumindest hat sie ungewollt aufgezeigt, dass Männer dü…, äh, leichtgläubiger sind als Frauen. Dass es Männern gelingt, derart schnell derart falsche Entscheidungen zu treffen, wie Viagra-Pillen bei dubiosen Direktvermarktern zu bestellen, sich über das Internet mit gelangweilten Hausfrauen anzufreunden, die aussehen wie Fotomodels, oder sich einfach die Kopfhaut verbrühen zu lassen, hat wohl etwas mit Stolz und Erziehung zu tun. Das Phänomen, dass Mann sich selbst hinterher kaum eingesteht, wie leichtgläubig das war, wäre noch gesondert zu diskutieren.

Männer in der Informationsgesellschaft: Noch zu gebrauchen? Wir könnten das jetzt so stehen lassen und als lustige Merkwürdigkeit ohne Belang abtun. In der Mehrheit waschen wir ja nicht fremden Männern die Haare. Wir könnten die geschundenen Friseurhände, Hacker-Opfer und Betrugs-Opfer ihrem bedauerlichen Schicksal überlassen.

Wir könnten. Außer wir glauben daran, dass wir uns zügig von einer produktionslastigen Volkswirtschaft in eine informations- und kommunikationsdominierte entwickeln. Irgendwas herstellen, überspitzen wir mal, kann heute jeder und morgen jeder Roboter. Die Produktion an sich kann durch Automatisierung und Maschinen heute derart effizient durchgeführt und in fernste Länder verlagert werden, so dass sich in unseren Gesellschaften weniger Menschen dabei die Finger schmutzig machen. Volkswirtschaftlich ist es nützlicher (lustigerweise ist der übliche Begriff dafür »produktiver«), wenn sich mehr Menschen darum kümmern, dass Produkte und Dienstleistungen ihre Kunden finden. Wenn Dinge so produziert werden, wie sie nachgefragt werden. Das ist aber die Kunst der Kommunikation.

Es ist verständlich, dass Männer eine gesellschaftlich dominante Rolle spielten, als Tunnel noch mit der Spitzhacke gebaut wurden und Gruben mit der Schaufel ausgehoben wurden. Was aber soll man mit ihnen anfangen, wenn plötzlich essenziell wird, auf eine einfache Frage richtig zu antworten? Oder bei Unklarheiten eine einfache Frage zu stellen: Wo lang? (Selbst beim Tunnelbau wäre das nicht unwichtig!)

Stellen wir uns auch hier ein paar Situationen vor, in denen männliche Kommunikationsmuster eher nicht weiterhelfen:

Sie (Bauleiterin): »Ist Ihnen die Baugrube tief genug?« – Er (Architekt): »Ja, klar.«

Sie (im Aufzug): »Ich will ins siebte Stockwerk. Soll ich für Sie auch was drücken?« – Er: »Passt schon.« (Läuft später sechs Stockwerke runter.)

Sie (Vertrieblerin): »Wollen Sie das lieber in steingrau oder aschgrau?« – Er (Einkaufsleiter): »Wie sie meinen.«

Sie (am PC): »Seit dem Update finde ich mich mit der Software nicht mehr zurecht. Und du?« – Er: »Häh?«

Sie (im Büro): »Hast du gefragt, ob der Chef das heute noch braucht?« – Er: (Schweigen.)

Es wurde viel fantasiert, was ein steigender Frauenanteil in traditionellen Männerdomänen bewirkt. Und in der IT haben wir immer noch einen sehr, sehr hohen Männeranteil. Dabei ist die Antwort vielleicht ganz einfach: Normalität in der Kommunikation. Spannend!


autor_wieland_algeWieland Alge,
General Manager EMEA, Barracuda Networks
www.barracuda.com

 

 


Titelbild: © Diana Sidelnikov /shutterstock.com

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