Speed Retailing und Dynamic Pricing: Umsetzung im deutschen Handel erfolgt nur zögerlich

Dynamisches Preismanagement kann in beschleunigtem Handelsmarkt Umsatz und Margen steigern. Das große Potenzial von Speed-Retailing-Geschäftsmodellen wird allerdings noch zu selten genutzt.

Geschwindigkeit als neues Paradigma bestimmt immer stärker das Marktumfeld von Handelsunternehmen. Technologische Entwicklungen sowie sich veränderndes Konsumentenverhalten bewirken die schnelle Erosion von Wettbewerbsvorteilen. In diesem beschleunigten Wettbewerb können künftig nur agile Unternehmen erfolgreich bestehen, die Chancen und Risiken im Markt schneller identifizieren und ergreifen. Eine Neuausrichtung von Handelsgeschäftsmodellen auf Geschwindigkeit (Speed Retailing) wird zur Notwendigkeit und impliziert die bedürfnisorientierte, kontinuierliche und schnelle Anpassung vertrieblicher Werthebel, um Kundenanforderungen besser und schneller befriedigen zu können als der Wettbewerb. Dies zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Management- und Technologieberatung BearingPoint und des IIHD Instituts.

Von der wettbewerbsorientierten zur kundenzentrierten Preisbildung

Dynamisches Preismanagement (Dynamic Pricing) stellt einen zentralen Baustein von Speed-Retailing-Geschäftsmodellen dar und beschreibt den Paradigmenwechsel von wettbewerbsorientierter zu kundenzentrierter Preisbildung. Nicht mehr der niedrigste Preis im Wettbewerb, sondern der beste Preis für den jeweiligen Kunden bestimmt das Preismanagement des Handels. Es handelt sich um ein individualisiertes Preismanagement, da der Preisbestimmung Verhaltensweisen und Charakteristika des Kunden zugrunde gelegt werden.

»Dynamic Pricing ist eine der führenden Tendenzen im Handelsbereich. Ziel ist es, jedem Einzelnen zur richtigen Zeit am richtigen Ort den richtigen Preis anzubieten, der zum Kauf des Produktes führt. Aus Preisbeobachtungen ist beispielsweise bekannt, dass Kunden an bestimmten Tagen bereit sind, 20 Prozent höhere Preise zu zahlen. Von daher bietet dynamisches Preismanagement große Möglichkeiten zur nachhaltigen Umsatzsteigerung«, erklärt Kay Manke, Partner bei BearingPoint.

Dynamic Pricing kann Umsatz und Marge steigern

Geschwindigkeit in der Umsetzung und richtiges Timing vorausgesetzt ergeben sich für Handelsunternehmen neue Perspektiven der proaktiven Realisierung von Umsatz- und Margenpotenzialen. Auch die gezieltere Steuerung von Abverkäufen wird durch ein dynamisches Preismanagement ermöglicht, was gleichermaßen Margenpotenziale freisetzt. Hierzulande gilt Otto als einer der Vorreiter im Bereich des dynamischen Preismanagements, wenngleich die vorhandenen technischen Möglichkeiten im gesamten deutschen Handel bisher kaum ausgeschöpft werden. 80 Prozent der deutschen interaktiven Handelsunternehmen passen ihre Preise nur nach Bedarf an und lassen so Umsatz-, Margen- und Ertragspotenziale ungenutzt.

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Insbesondere für den Lebensmitteleinzelhandel, der bislang lediglich Umsatzrentabilitäten zwischen drei und fünf Prozent erwirtschaften konnte, stellt Dynamic Pricing ein wertvolles Instrument zur Ertragsoptimierung dar. Elektronische Preisschilder sind dabei das Medium, um Dynamic Pricing von der digitalen in die stationäre Welt zu überführen. So können Handelsunternehmen per Knopfdruck Preise anpassen. In Deutschland haben Rewe sowie einige Edeka-Märkte die Technologie bereits umgesetzt. In Summe zeigt sich der deutsche FMCG-Handel (Fast Moving Consumer Goods) jedoch erwartungsgemäß verhalten. Nur 13 Prozent der Unternehmen verfügen über elektronische Preisschilder und sind somit in der Lage, Prozesse des Preismanagements auf Geschwindigkeit auszurichten. 37 Prozent erachten die Technologie als nicht relevant.

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Erfolgsfaktor Lieferzeit

Geschwindigkeit ist nicht nur für das Preismanagement, sondern auch für die Lieferzeit im Online-Handel von entscheidender Bedeutung. Laut der Studie nimmt die Akzeptanz des Konsumenten für Lieferzeiten kontinuierlich ab. Nur noch 44 Prozent der deutschen Kunden sind heute bereit, über zwei Tage auf ihre Bestellung zu warten. Zum Vergleich: 2009 waren es noch 66 Prozent. Im Lebensmittelhandel ist »Same-Day-Delivery« sogar gängige Praxis. Die Optimierung von Lieferzeiten verlangt jedoch Innovationen entlang der gesamten Lieferkette. Handelsunternehmen müssen ihre Lagerhaltung dezentralisieren, indem sie eine lokale Distribution am Bedarfsort aufbauen. Dies begünstigt insbesondere Cross-Channel-Handelsunternehmen, die Filialen als dezentrale Warenlager nutzen können, um so näher am Kunden zu sein. Die Filiale erhält so im Zeitalter von Speed Retailing eine weitere wichtige Funktion und wird umso mehr zum zentralen Interaktionspunkt zwischen Kunden und Handel.

Kernvoraussetzung Daten

Kernvoraussetzung für Speed Retailing und dynamisches Preismanagement ist eine ganzheitliche Wahrnehmung des Kunden sowie ein Verständnis seiner Lebensumstände und seines individuellen Lebensentwurfes, um seine Bedürfnisse antizipieren zu können. Der Schlüssel hierfür liegt in den richtigen Daten. Diese Daten strukturiert und nach klar definierten Regeln zu erheben, auf individueller Kundenebene zusammenzuführen und unternehmensweit zu synchronisieren, ist zentrale Prämisse für datengetriebenes, faktenbasiertes Handeln sowie die schnelle und passgenaue Befriedigung von Kundenbedürfnissen.

»Um die Potenziale von Speed Retailing monetarisieren zu können, müssen Handelsunternehmen ihre Systeme neu ausrichten. Sie benötigen moderne Tools zur Datensammlung und -systematisierung, um ein vollständiges Bild des Kunden zu erstellen. Nur so sind ein effektives Preismanagement und eine gezielte Ansprache möglich«, erläutert Prof. Jörg Funder, Geschäftsführender Direktor des IIHD Instituts.

[1] Die Studie ist unter dem folgenden Link verfügbar: www.bearingpoint.com/de-de/adaptive-thinking/insights/speed-retailing/


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