Wachsender Wohlstand, stabile Ungleichheit

Wie sind Einkommen und Vermögen in Deutschland verteilt? Diese Frage ist seit jeher Thema in den Kommentarspalten der Zeitungen und an Stammtischen. Auch in der Wissenschaft gibt es unterschiedliche Ansichten. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist dieser Frage nun in einer neuen umfangreichen Studie nachgegangen. Insgesamt ist die Situation deutlich besser als noch vor einigen Jahren – allerdings gibt es nach wie vor Handlungsbedarf.

 

Die IW-Studie wertet wichtige Indikatoren zur Verteilung von Einkommen und Vermögen aus und kommt dabei zu Ergebnissen, die in der öffentlichen Diskussion bisher kaum wahrgenommen werden. Datenbasis bilden die Haushaltsbefragung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP), der Mikrozensus, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) sowie die EU-Befragung EU-SILC. Die Ergebnisse im Überblick:

 

  1. Verfügbares Haushaltseinkommen

Das verfügbare Haushaltseinkommen ist das Geld, das tatsächlich jeden Monat ausgegeben werden kann, also der Betrag, der nach staatlicher Umverteilung auf dem Konto ist. Im Schnitt haben die Deutschen inzwischen ein deutlich höheres Haushaltseinkommen zur Verfügung als noch vor einigen Jahren. Zwischen 1991 und 2017 sind die realen Haushaltseinkommen im Durchschnitt um 20 Prozent gestiegen, spätestens seit 2013 profitieren so gut wie alle Einkommensschichten davon.

 

  1. Verteilung der verfügbaren Haushaltseinkommen

Das allgemeine Ungleichheitsniveau wird mit dem sogenannten Gini-Koeffizienten gemessen, der in der Regel Werte zwischen null und eins annehmen kann. Ein Wert von null bedeutet, dass alle gleich viel besitzen, bei einem Wert von eins besitzt einer alles und die anderen nichts. Seit dem Jahr 2005 ist die Ungleichheit der Einkommen relativ konstant bei vergleichsweise geringen 0,29 Punkten– und das, obwohl die Zuwanderung von Geflüchteten sich in den Daten bereits wiederspiegelt.

 

  1. Nettovermögen

Unter Nettovermögen verstehen Wissenschaftler das tatsächliche Vermögen, also den Wert von Häusern, Autos oder Aktien abzüglich aller Schulden und Hypotheken. Die Verteilung der Nettovermögen ist in Deutschland seit Mitte der 2000er Jahre stabil. Im Schnitt besaßen die Deutschen im Jahr 2017 rund 233.000 Euro Nettovermögen. Der Haushalt, der in der Mitte der Vermögensverteilung stand, kam auf ein Nettovermögen von 70.800 Euro.

 

  1. Einkommensmobilität

Gelingt es jemandem, sein Einkommen im Laufe der Zeit stärker zu steigern als andere, ist der soziale Aufstieg gelungen. Zwischen 2009 und 2017 haben rund 60 Prozent der Deutschen aus der untersten Einkommensgruppe den Aufstieg nach oben geschafft. Damit waren es mehr als noch kurz nach der Wende, wobei sich diese positive Entwicklung vor allem im Westen widerspiegelt.

 

Insgesamt zeigt sich, dass es den Deutschen in der Mehrheit inzwischen deutlich besser geht als noch vor einigen Jahren. »Seit dem Jahr 2013 beobachten wir relativ große Einkommenszuwächse, gerade im unteren und mittleren Bereich«, sagt IW-Verteilungsexperte und Studienautor Maximilian Stockhausen. »Das ist besonders erfreulich, da dies zur weiteren Stabilisierung der Verteilung beigetragen hat.« Doch gibt es nach wie vor Handlungsbedarf: 16 Prozent sind von relativer Einkommensarmut bedroht, haben also weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung. Der Wert hat sich in den vergangenen Jahren kaum mehr verändert.

 

Dr. Maximilian Stockhausen

Economist für Verteilung

 

72 Artikel zu „Ungleichheit“

Rollenverständnis: Social Media und die Ungleichheit der Geschlechter

Je stärker junge Menschen soziale Medien nutzen, desto stärker ausgeprägt sind stereotype Rollenbilder – so interpretiert die Kinderrechtsorganisation Plan International die Ergebnisse ihrer aktuellen Studie zu dem Thema. Befragt wurden 1.000 junge Menschen zwischen 14 und 32 Jahren. Demnach geben 17 Prozent der Frauen ohne tägliche Social-Media-Nutzung an, es in Ordnung zu finden, wenn Frauen…

Vermögen in Deutschland legen deutlich zu, Ungleichheit verharrt auf hohem Niveau

Individuelle Nettovermögen legen zwischen 2012 und 2017 im Schnitt um ein Fünftel an Wert zu – Vor allem Immobilien und Betriebsvermögen tragen zur Wertsteigerung bei – Ungleichheit bleibt auch im internationalen Vergleich hoch – Ostdeutsche nur halb so vermögend wie Westdeutsche Die Deutschen werden reicher: Nachdem das Nettovermögen zwischen 2002 und 2012 nominal nur wenig…

Deutlich zunehmende Realeinkommen bei steigender Einkommensungleichheit

Ein Großteil der Bevölkerung profitiert von steigenden Einkommen, doch seit der Finanzkrise nimmt die Ungleichheit der Einkommen wieder zu –– Mehr als die Hälfte hält den eigenen Nettolohn für zu niedrig, obwohl die Einkommenszuwächse positiv wahrgenommen werden   Für die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist das verfügbare reale Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1991 und 2016 gestiegen,…

Unfaire Ungleichheit: Einkommen in den Niederlanden am fairsten verteilt

Das Einkommen der Menschen in den Niederlanden, Finnland und Norwegen ist in Europa am fairsten verteilt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der ifo-Wissenschaftler Andreas Peichl und Paul Hufe zusammen mit ihrem Kollegen Ravi Kanbur (Cornell University) [1]. »Wir haben ein neues Maß der ›unfairen Ungleichheit‹ entwickelt. Für die Berechnungen werden erstmals zwei Dinge…

Ungleichheit: Medienberichte beeinflussen und verunsichern Bürger

Die Medien berichten seit einigen Jahren immer häufiger über Ungleichheit, obwohl sich die Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland kaum verändert hat. Das belegt eine gemeinsame Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und von EcoAustria. Die Studie zeigt zudem, dass die Berichterstattung die Menschen verunsichert – zumindest kurzfristig. Leitmedien berichten immer häufiger…

Einkommensungleichheit hat seit dem Jahr 2000 zugenommen

Eine Mehrheit von deutschen Wirtschaftsprofessoren glaubt, dass die Einkommensungleichheit in Deutschland seit der Jahrtausendwende zugenommen hat. Das zeigt das Ökonomenpanel, eine monatliche Umfrage unter den Lehrstuhlinhabern, die das ifo Institut in Zusammenarbeit mit der FAZ durchführt. 63 Prozent der Professoren sehen eine Zunahme der Einkommensungleichheit seit dem Jahre 2000, 21 Prozent verneinen das, 16 Prozent…

Studie zeigt auf: Geschlechtsspezifische Ungleichheit so hoch wie nie

Kein »equal pay«: In Deutschland verdienen Frauen im Projektmanagement aktuell durchschnittlich 23,6 Prozent weniger als Männer; bei den variablen Gehaltsanteilen beträgt die Differenz sogar 47,1 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt die 5. Gehaltsstudie der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. In konkreten Zahlen gemessen verdienen Männer im Jahresdurchschnitt rund 83.000 Euro, bei ihren weiblichen…

Deutschlands digitale Unvernunft – 6 politische Fehler

Um es gleich klarzustellen, Unvernunft heißt nicht Dummheit, sondern mangelndes Verstehen. Das passiert selbst Menschen mit hoher Intelligenz hin und wieder und ist keine Schande. Es entsteht aber massiver Schaden, wenn aufgrund von Unvernunft schlechte Entscheidungen getroffen werden, die ohne großen Aufwand vermieden werden können. Jüngstes Beispiel ist die kürzlich eingeführte Bonpflicht. Ein Vergleich der…

Deutsche sparen sich arm, Briten trotz geringerem Einkommen mit 176 Prozent größerem Vermögen

Haushaltsnettoeinkommen in Deutschland 17 Prozent höher als in Großbritannien. Briten mit 176 Prozent größerem Vermögen als Deutsche. Deutschland bei Vermögen pro Kopf auf Rang 33 weit abgeschlagen. Durchschnittliche Rendite der Deutschen bei Geldanlage mit 4,9 Prozent äußerst gering (UK 10,2 Prozent). Reiches Deutschland, armes Deutschland: trotz guten Einkommen gelingt es den Deutschen nicht, sich ein…

Lohnschere in Deutschland schließt sich langsam – Zahl der Geringverdienenden geht zurück

Bruttostundenlöhne sind zwischen 2013 bis 2018 deutlich gestiegen, Ungleichheit nimmt ab – Daten deuten erstmals auf Schrumpfen des Niedriglohnsektors hin – 2,4 Millionen Anspruchsberechtigte erhalten aber immer noch keinen Mindestlohn – Geplantes Gesetz zur Arbeitszeiterfassung könnte Umgehung des Mindestlohns entgegenwirken.   Nach einer langen Phase des Rückgangs oder der Stagnation sind die Bruttostundenlöhne in Deutschland…

Mit Frauen in der Chefetage gibt es weniger Fehlverhalten

Ausgewogene Vertretung von Frauen und Männer reduziert die Strafen für Fehlverhalten von Banken um 7,48 Millionen Dollar pro Jahr Neue Studie, die von Wissenschaftlern der Cass Business School mitverfasst wurde, zeigt, dass Banken mit einer starken weiblichen Präsenz im Verwaltungsrat weniger Geldstrafen für Fehlverhalten auferlegt werden [1].   Die Studie mit dem Titel »Gender Diversity…

Economist Democracy Index: Der Stand der Demokratie

https://de.statista.com/infografik/20599/economist-democracy-index/ Wie es um die Demokratie weltweit steht, ermittelt jährlich der Democracy Index vom Economist – im vergangenen Jahr verschlechterte sich der Indexwert leicht von 5,48 auf 5,44 Punkte. In der aktuellen Ausgabe für das Jahr 2019 werden 22 Länder als »vollständige Demokratien« eingestuft, darunter auch Deutschland. Allerdings schafft es die Bundesrepublik nicht auf den Spitzenwert, wie die Grafik…

Weniger Gehalt trotz gleicher Leistung – Frauen in Tech-Berufen noch immer benachteiligt

Die Wahrnehmung einer »gläsernen Decke« als Aufstiegsbarriere für Frauen ist noch größer als im letzten Jahr. Weltweit erleben Frauen, die in der Technologiebranche arbeiten, weiterhin Nachteile in den Bereichen Gehalt und Karriereentwicklung. Laut der aktuellen Ivanti Women in Tech Survey ist der Gender Pay Gap nach wie vor ein zentrales Thema. 64 Prozent der über…