Helmholtz Quantum Center: Forschungszentrum Jülich baut Technologielabor für Quantencomputer auf

Am Forschungszentrum Jülich entsteht ein nationaler Forschungsschwerpunkt für Quantencomputer. Mit dem Helmholtz Quantum Center (HQC) wird ein zentrales Technologielabor etabliert, welches das gesamte Forschungsspektrum für Quantencomputing abdeckt – von der Erforschung von Quantenmaterialien bis zur Prototypenentwicklung. Das von der Helmholtz-Gemeinschaft mit knapp 50 Millionen Euro finanzierte Projekt startet im Januar 2020.

Blick ins Innere des europäischen Quantencomputers OpenSuperQ (derzeit noch im Aufbau) am Jülicher Peter Grünberg Institut.

Copyright: Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach

 

»Quantencomputing wird unsere Welt verändern – in Wissenschaft, Industrie, Wirtschaft und Alltag«, erklärt Prof. Sebastian Schmidt, Mitglied des Vorstandes des Forschungszentrums Jülich. »Es in der deutschen Wissenschaft und Industrie zu etablieren ist eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahre und erfordert ein enormes Ausmaß an Kooperation. Das Helmholtz Quantum Center wird die zentrale Infrastruktur der Helmholtz-Gemeinschaft sein, um den wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen beim Bau eines europäischen Quantencomputers zu begegnen.«

Das Thema Quantentechnologien und Quantencomputing hat auch auf höchster Forschungs- und wirtschaftspolitischer Ebene eine hohe Aufmerksamkeit. Auf Grund des erwarteten Einflusses auf alle Bereiche von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ist eine technologische Unabhängigkeit Europas zwingend notwendig. Zum einen ist sie ein wesentlicher Bestandteil der Cybersicherheitskonzepte von morgen. Darüber hinaus hat vor allem der Bereich des Quantencomputings in letzter Zeit stark an Dynamik gewonnen und ist ein schnell wachsender Industriezweig. International wird massiv in Quantencomputing investiert, insbesondere in China und den USA – wissenschaftliche Exzellenz und Know-how stammen jedoch zu einem guten Teil aus europäischer Forschung.

 

Chancen für Wissenschaft und Wirtschaft in NRW

Neben der zentralen Rolle in der nationalen Strategie bietet das Helmholtz Quantum Center insbesondere enorme Chancen, den Standort Nordrhein-Westfalen zu einem der wichtigsten Innovationsstandorte für Quantentechnologie in Europa zu entwickeln. Das ist nicht allein für die Wissenschaft von Bedeutung, sondern besonders auch für die Wirtschaft und Industrie einer Region im Strukturwandel.

»Eine offene Forschungsatmosphäre und die Vernetzung von allen Bereichen – Wissenschaft, Wirtschaft, Industrie – sind für uns außerordentlich wichtig«, erklärt Stefan Tautz. Der Direktor am Jülicher Peter Grünberg Instituts wird die Wissenschaftler während der Aufbauphase des HQC vertreten. »Die amerikanischen Tech-Konzerne sind derzeit die Vorreiter in der Forschung, sozusagen das Windows und iOS des Quantencomputing. Unser Ziel ist es, mit dem HQC eine Art Linux des Quantencomputing zu katalysieren.«

 

Von einzelnen Qubits bis zu kompletten Systemen

Das HQC wird verschiedene Arten von Qubits, dem Quantencomputer-Äquivalent klassischer Computerbits, erforschen – von technologisch bereits weit entwickelten Systemen bis hin zu vielversprechenden neueren Konzepten. Jede Art von Qubit hat ihre eigenen Vor- und Nachteile – bisher ist nicht entschieden, welches Konzept sich am Ende langfristig durchsetzen wird.

So untersuchen Jülicher Wissenschaftler wie David DiVincenzo und Kristel Michielsen zusammen mit europäischen Partnern im Flagship-Projekt OpenSuperQ bereits supraleitende Qubits die zum Bau eines europäischen Quantencomputers in Jülich zur Anwendung kommen werden. »Ein neues Team von Wissenschaftlern ist dabei, unser erstes Quantencomputer-Labor in Betrieb zu nehmen, das nun von unseren Partnern im europäischen OpenSuperQ-Quantenflaggschiff-Projekt kleine Prototypen supraleitender Quantencomputer-Chips zum Testen erhält«, erklärt Prof. David DiVincenzo. »Wir beabsichtigen, in jeder Phase des Scale-up der Quantenhardware einen Beitrag zu leisten.«

Eine alternative Plattform, atomare Qubits in optischen Fallen, wird für Quantensimulation im Flagship-Projekt PASQUANS entwickelt, unter Teilnahme des Jülicher Theoretikers Tommaso Calarco: »Unsere wissenschaftlichen Partner in ganz Europa arbeiten an Experimenten zur gezielten Manipulation kalter Atome, um die Eigenschaften von komplexen Quantenmaterialien zu erforschen. Für einige solcher Fragestellungen erwarten wir, die Rechenleistung existierender Computer bereits in den nächsten Jahren zu übertreffen.«

Auf solche Quantenprozessoren unterschiedlicher Art soll die zukünftige europäische Quantencomputing- und -simulationsinfrastruktur aufgebaut werden, wobei Jülich eine wichtige Rolle spielen kann.

Andere Arten von Qubits sind noch nicht so gut kontrollierbar oder sogar erst in einem frühen Stadium der Erforschung wie Halbleiter-Qubits. Darüber hinaus sollen neue Ideen – etwa Qubits basierend auf topologischen Isolatoren – getestet werden.

 

Alle unter einem Dach

Das HQC bündelt sechs Forschungsfelder und sieben Technologiecluster, und verbindet so Grundlagenforschung, Theorie und Entwicklung – von Quantenmaterialien bis hin zu kompletten Quantencomputersystemen. Forschung an Werkstoffen für Qubits wird verknüpft mit der Fertigung von Geräten und Systemen für Quantencomputer und dem Co-Design von Hard- und Software. JUNIQ, die im Oktober gestartete Jülicher Nutzer-Infrastruktur für Quantencomputing, wird das vereinheitlichte Portal zu den verschiedenen Quantencomputern sein – zugänglich über die Cloud für deutsche und europäische Nutzer.

Das Quantenzentrum wird in einem Neubau mit modernster Versuchsausrüstung auf dem Campus des Forschungszentrums untergebracht, mit direkter Anbindung an die Helmholtz Nano Facility, und eng mit den Instituten des Forschungszentrums verzahnt sein.

Das neue Zentrum wird darüber hinaus zwei neue Institute für Quantenkontrolle und Quantencomputer beherbergen, ebenso wie das JARA-Institut für Quantum Information, das innerhalb der Jülich Aachen Research Alliance eingerichtet wurde. Auch die Jülicher Laboreinrichtungen im Rahmen des europäischen »Quantum Flagship« werden in dem neuen Gebäude ein Zuhause finden.

Das HQC wird regionalen Universitäten, nationalen und europäischen Partnern aus Wissenschaft und Industrie offen stehen, für Gemeinschaftsprojekte in ausgewählten Forschungsbereichen. Dafür werden Labor- und Büroräume für Gastwissenschaftler bereitgestellt, sowie spezielle Treffpunkte für den Austausch wissenschaftlicher Ideen vorgesehen.

 

Das Helmholtz Quantum Center wird seine Arbeit Anfang 2020 aufnehmen und ab 2025 im Vollbetrieb sein.

 

 

Stimmen aus der Politik

Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Thomas Rachel MdB:

»Wir müssen den Anschluss behalten, damit sich unsere Industrie nicht von anderen Ländern abhängig macht und auch in Zukunft frei entscheiden kann«, erklärt Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. »Aus diesen Gründen ist es wichtig, das Know-how zu allen Aspekten des Quantencomputing in Europa zu erhalten und weiterzuentwickeln. Es ist noch nicht zu spät, die Kapazitäten in diesem Bereich in Europa auszubauen, aber die Investitionen müssen jetzt beginnen. Mit dem Ausbau des Quantencomputing-Schwerpunkts im Forschungszentrum wird so ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der Strategien auf der Ebene von Helmholtz, Deutschland und Europa geleistet.«

Isabel Pfeiffer-Poensgen, Wissenschaftsministerin des Landes Nordrhein-Westfalen:

»Dass das Helmholtz Quantum Center (HQC) in Jülich angesiedelt wird, belegt die besondere wissenschaftliche Exzellenz des Forschungszentrums auf dem Gebiet der Quantentechnologie. Mit dem HQC im Bereich der anwendungsorientierten Grundlagenforschung sowie der Quantencomputer Nutzer-Infrastruktur JUNIQ bietet das Forschungszentrum Jülich Wissenschaft und Wirtschaft in NRW hervorragende Anknüpfungspunkte an diese spannende Zukunftstechnologie. Das zeigt: Der Forschungsstandort Nordrhein-Westfalen ist auf dem Feld des Quantencomputings gut aufgestellt.«

Wirtschafts- und Innovationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Prof. Dr. Andreas Pinkwart:

»Von Quantentechnologien werden bahnbrechende Fortschritte in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft erwartet und technische Lösungen entstehen, die die heutigen deutlich übertreffen werden. Ich freue mich sehr, dass das ehrgeizige Projekt nun startet und dem Standort Nordrhein-Westfalen die Chance eröffnet, sich zu einem der wichtigsten Innovationsstandorte für Quantentechnologie in Europa zu entwickeln. Aufgrund seiner Innovationskraft wird das Forschungszentrum nicht nur bundesweit, sondern auch international Strahlkraft entfalten. Das Helmholtz Quantum Center kann zur Keimzelle für wissensbasierte Innovationen, neue Technologien und Start-ups werden und bietet damit auch eine ausgezeichnete Basis für die Entstehung ganz neuer, zukunftsweisender Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen. Die Koordinierungsstelle Quantentechnologien des NRW-Wirtschafts- und Innovationsministeriums wird das Helmholtz Quantum Center gerne mit seiner Expertise unterstützen.«

 

95 Artikel zu „Quanten“

Der Quantencomputer gefährdet schon heute die Sicherheit von Daten

Die nächste IT-Ära lässt noch lange auf sich warten. Dennoch müssen Unternehmen handeln. Wann der Quantencomputer kommerziell zur Verfügung stehen wird, weiß niemand. Unternehmen müssen aber schon heute Vorkehrungen treffen, sonst gefährden sie den Schutz ihrer Daten, warnt die Security Division von NTT.   Es erscheint widersprüchlich: Der Quantencomputer ist unermesslich schnell, steckt aber noch…

Blockchain: Uneinigkeit über Bedrohung durch Quantencomputing

  Quantencomputing könnte eine ernstzunehmende Bedrohung für aktuelle Verschlüsselungsstandards und damit auch für die Blockchain-Technologie sein, da die Verschlüsselung ein zentrales Element der Blockchain ist. IT-Sicherheitsentscheider sind sich uneinig, ob diese Bedrohung beherrschbar ist oder nicht. Dies zeigt eine aktuelle Civey-Umfrage unter 1.000 IT-Sicherheitsentscheidern in Deutschland im Auftrag von eco – Verband der Internetwirtschaft e.V.…

Die Überlegenheit der Quantencomputer ist belegt – aber ohne maximale Transparenz in den Datenverkehr wird es nicht erfolgreich sein

  Ron Lifton, Senior Enterprise Solutions Manager bei NETSCOUT kommentiert:   »Obwohl es zweifellos ein enormer Meilenstein ist, dass Google die Überlegenheit der Quantencomputer – die sogenannte Quantum Supremacy – belegen konnte, steht dem Unternehmen noch eine gewaltige Aufgabe bevor. Wenn schnelles und leistungsfähiges Quanten-Computing über die Cloud verfügbar wird, können riesige Datenmengen und Aufgaben…

Unternehmen wollen Quantencomputing jetzt

 Führungskräfte fordern die Forcierung von Quantencomputing-Lösungen zur Beschleunigung des digitalen Wandels und der Erschließung entsprechender Marktchancen. Nahezu 90 Prozent der weltweiten Studienteilnehmer beurteilen die derzeit verfügbaren Computing-Kapazitäten als limitierenden Faktor bei der Realisierung innovativer Businessprozesse. Immerhin zwei Drittel zeigen sich in dieser Hinsicht sehr ungeduldig und hätten lieber heute als morgen konkrete Lösungen anstatt nur…

Quantencomputing-Effekte einfach nutzen – Digital Annealing revolutioniert Problemlösungen

Quantencomputer haben zweifellos das Potenzial, die IT-Welt nachhaltig zu verändern. Denn sie bieten eine vielfach höhere Rechenleistung als konventionelle Rechner. Doch bislang sind Quantenrechner wegen ihrer komplexen Technologie meist nur in Forschungslaboren anzutreffen. Lösungen wie der Quantencomputing-inspirierte Digital Annealer machen diese Quantencomputing-Effekte für Unternehmen einfach nutzbar.

2019, das Quanten-Jahr? Das nicht, aber das Jahr um sich darauf vorzubereiten

Vor einigen Wochen veröffentlichte die National Academies of Sciences, Engineering and Medicine einen neuen Bericht, in dem sie Fortschritte und Perspektiven – oder deren Fehlen – rund um das Thema Quantencomputer – untersucht hat [1]. Der Report skizziert verschiedene technische und finanzielle Probleme, die es zu überwinden gilt, bevor man einen funktionsfähigen Quantencomputer bauen kann.…

Ein Quantensprung für die Quantentechnologie

Im Oktober 2018 ist das Quantentechnologie-Flaggschiff der Europäischen Kommission vom Stapel gelaufen. Das Forschungsprogramm soll mit Fördergeldern im Umfang von einer Milliarde Euro über zehn Jahre hinweg die Entwicklung von Produkten fördern, die auf den Regeln der exotischen Quantenwelt beruhen. Zusätzlich wird die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode rund 650 Millionen Euro beisteuern. Zu den…

Quantum-Flagship: Gemeinsam zum europäischen Quantencomputer

Start der europäischen Forschungsinitiative »Quantum Flagship«. Mehr als 5000 Forscherinnen und Forscher aus Wissenschaft und Industrie sind daran beteiligt. Quantentechnologien in Europa vom Forschungslabor in die Alltagstechnik übersetzen: Das ist das Ziel der Forschungsinitiative »Quantum-Flagship«, die heute mit einer Auftaktveranstaltung in Wien offiziell startet. Mit einem Budget von einer Milliarde Euro und einer Laufzeit von…

Wir alle werden mit Quantencomputern arbeiten

Es ist keine Frage des »Ob«, es geht um das »Wann«. Wann werden wir den ersten Quantencomputer einsetzen und dank datenbasierter Muster präzise Vorhersagen von Kundenbedürfnissen generieren? Wann werden wir Zukunftsszenarien und Geschäftsprozesse so real simulieren können, dass sich das kommende Geschäftsjahr bereits im Hier und Jetzt abbilden lässt? Die Zahl aktiver Vorreiter wächst in…

Quantencomputing für Jedermann über die Cloud

IBM Research macht erstmals einen Quantencomputer öffentlich zugänglich. Ab sofort kann jeder Interessierte mittels Desktop-Computer oder Mobilgerät über die IBM Cloud auf einen Quantenprozessor bestehend aus fünf Quantenbits (Qubits) zugreifen und Experimente durchführen. Der freie Zugang soll Innovationen hin zum praktischen Einsatz von Quantencomputern beschleunigen. Für IBM ist die Quantentechnologie die Zukunft der Informationsverarbeitung. Sie…

Wissenschaftler erzielen Meilenstein in der Erforschung von praxistauglichen Quantencomputern

Wissenschaftler des IBM Thomas J. Watson Research Centers haben einen Schaltkreis aus vier, in einem quadratischen Gitter angeordneten Quantenbits erfolgreich entwickelt. Dieser entspricht der kleinsten vollständigen Einheit eines skalierbaren Quantencomputers mit Quantenfehlerkorrektur. Die IBM-Forscher konnten mit ihrer Arbeit erstmals die zwei Arten von Quantenfehlern (sogenannte Bit-flip- und Phase-flip-Fehler), die in jedem Quantencomputer auftreten können, erkennen…