EY Mittelstandsbarometer: Geschäftslage im Mittelstand leicht verschlechtert, in den meisten Branchen aber weiter überwiegend gut. Einstellungsbereitschaft sinkt, Fachkräftemangel bleibt Hauptsorge. Konjunkturpessimismus überwiegt. Große Sorgen in Maschinenbau und Autoindustrie.
Die schwächere Konjunkturentwicklung hinterlässt auch im deutschen Mittelstand Spuren: Immerhin jeder zehnte Mittelständler bezeichnet die eigene Geschäftslage als schlecht oder eher schlecht – vor einem Jahr lag der Anteil nur bei drei Prozent. Der Anteil der Unternehmen, die uneingeschränkt zufrieden sind, sinkt gleichzeitig von 65 auf 57 Prozent.
Vor allem die allgemeine Wirtschaftslage macht den Unternehmern Sorgen: Fast jeder dritte Mittelständler – 30 Prozent – rechnet mit einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in Deutschland, nur 21 Prozent erwarten eine positive Entwicklung der Konjunktur.
Die eingetrübten Aussichten wirken sich auch auf die Investitions- und Einstellungsbereitschaft aus, die jeweils deutlich geringer ausfällt als im Vorjahr. Unterm Strich wollen aber weiterhin mehr Unternehmen ihre Investitionen erhöhen und neue Mitarbeiter einstellen als umgekehrt. Gesucht werden vor allem IT-Spezialisten: Jeder dritte Mittelständler hat offene Stellen im IT-Bereich, jeder sechste sucht Mitarbeiter für die Buchhaltung, jeder siebte hat Vakanzen im Bereich Forschung und Entwicklung.
Das sind Ergebnisse des Mittelstandsbarometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Für die Studie wurden deutschlandweit 1.500 mittelständische Unternehmen mit mindestens 20 Millionen Euro und höchstens eine Milliarde Euro Umsatz befragt. Die Studie wird seit dem Jahr 2004 jährlich durchgeführt.
»Die Stimmung in weiten Teilen des deutschen Mittelstands ist trotz der schwierigen Wirtschaftslage bemerkenswert gut«, kommentiert Michael Marbler, Partner bei EY und verantwortlich für den Bereich Mittelstand, die Ergebnisse. »In einigen Branchen – vor allem in der Autobranche und dem Maschinenbau – haben die Unternehmen in den Krisenmodus umgeschaltet. Bei der Mehrzahl der übrigen Unternehmen laufen die Geschäfte aber nach wie vor gut bis sehr gut.«
Baubranche boomt – Autoindustrie leidet
Die Befragungsergebnisse zeigen, dass sich die Stimmung vor allem in der Automobilindustrie massiv eingetrübt hat. Nur noch 31 Prozent der Unternehmen aus dieser Branche äußern sich zufrieden mit ihrer Geschäftslage – vor einem Jahr waren es noch 46 Prozent, Anfang 2018 sogar 67 Prozent. »Damit stehen vor allem die Regionen mit einem hohen Anteil von Autoherstellern und Zulieferern vor großen Herausforderungen, also etwa die Flächenländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen«, sagt Marbler. Die schwierige Lage der Autoindustrie spiegelt sich auch in der Beschäftigungsentwicklung wider. In keiner anderen Branche ist der Anteil der Unternehmen, die Stellen abbauen wollen, so groß: 18 Prozent der Mittelständler aus der Autobranche wollen die Zahl der Mitarbeiter reduzieren, nur fünf Prozent wollen sie erhöhen. Zum Vergleich: In der Baubranche planen hingegen 32 Prozent der Unternehmen, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen, nur sieben Prozent wollen Stellen abbauen.
Nicht nur in der Autoindustrie, auch im Maschinenbau und in der chemischen Industrie hat sich die Geschäftslage gegenüber dem Vorjahr massiv eingetrübt. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Branchen, in denen die Geschäfte offenbar nach wie vor glänzend laufen: 68 Prozent der Bauunternehmen und sogar 70 Prozent der Mittelständler aus der Elektrotechnik-Branche sind derzeit mit der Geschäftsentwicklung rundum zufrieden.
»Die Lage im Mittelstand ist je nach Branche sehr unterschiedlich«, so Marbler. »Während etwa Dienstleister und die Baubranche nach wie vor florieren, hat sich die Lage in anderen Branchen in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert. Die Schwäche der Leitbranchen Autoindustrie und Maschinenbau zieht zunehmend auch angrenzende Branchen in Mitleidenschaft. Auch wenn von einer flächendeckenden Krise derzeit noch keine Rede sein kann, sollte die weltweite Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands durch eine integrierte Wirtschafts-, Steuer- und Industriepolitik gestärkt werden«, betont Marbler daher.
Jobmotor Mittelstand gerät ins Stottern
Außer in der Autobranche sollen in den kommenden sechs Monaten in allen Branchen mehr neue Stellen entstehen als wegfallen – der Beschäftigungstrend bleibt also per Saldo positiv. Allerdings will deutschlandweit nur noch knapp jedes vierte Unternehmen zusätzliche Mitarbeiter einstellen – das ist der niedrigste Wert seit dem Jahr 2013. Immerhin planen aber nur sieben Prozent, die Zahl der Mitarbeiter zu reduzieren. »Ein Stellenabbau im größeren Stil ist nur in der Autobranche zu erwarten. In anderen wichtigen Branchen werden hingegen weiterhin neue Stellen geschaffen«, erwartet Marbler. Die Lage auf dem deutschen Arbeitsmarkt dürfte damit aus Arbeitgebersicht angespannt bleiben: »Viele Mittelständler befinden sich aufgrund der zunehmenden Digitalisierung in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Geschäftsmodell, Produktportfolio, Produktionsprozesse: Alles gehört auf den Prüfstand. Um diese Herausforderung zu bestehen, brauchen sie mehr denn je qualifizierte und motivierte Mitarbeiter.«
Der Fachkräftemangel bleibt daher das größte Risiko für den Mittelstand: Die Mehrheit – 56 Prozent – der deutschen Mittelständler bezeichnen den Fachkräftemangel als große Gefahr. Das sind nur drei Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr. Der zunehmende Wettbewerb und die konjunkturelle Situation folgen im Sorgen-Ranking mit 50 beziehungsweise 46 Prozent erst auf den Plätzen zwei und drei.
Berliner Unternehmer voller Optimismus
Am besten ist das Geschäftsklima derzeit in Berlin: 97 Prozent der Mittelständler in der Bundeshauptstadt sind derzeit mit ihrer Geschäftslage zufrieden. Entsprechend groß ist hier auch die Bereitschaft, neue Mitarbeiter einzustellen: Gut jeder dritte Berliner Mittelständler (36 Prozent) sucht derzeit nach zusätzlichem Personal. In Hamburg und Hessen liegt der Anteil mit 34 Prozent nur knapp darunter. Deutlich zurückhaltender äußern sich die Unternehmen in Sachsen, wo nur 16 Prozent der Mittelständler Neueinstellungen planen, und in Schleswig-Holstein, wo der Anteil sogar nur bei 11 Prozent liegt.
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