Authentisierung: Stress vorbei – Passwortfrei

Der Einsatz von Biometrie und Customer-Identity-Access-Management-Lösungen setzt neue Maßstäbe bei Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit.

Ein Blick in die Zukunft. Ein Mitarbeiter eines renommierten Unternehmens mit mehreren internationalen Standorten ist auf Geschäftsreise. Er landet am Flughafen, sein Reisepass wird mit einem kontaktlosen Chipgerät ausgelesen und er kann das Land betreten. Er erreicht die Firmenzentrale und passiert dort nach einer automatischen Zugangskontrolle, basierend auf dem Gehmuster, den Haupteingang. Nach Feierabend besucht er ein Restaurant und bezahlt dank Gesichtserkennung mit einem Lächeln.

Dieses Szenario ist bereits in wenigen Jahren denkbar, denn die biometrische Identifikation wird zunehmend eingesetzt. Der Vorteil biometrischer Verfahren ist, dass diese Attribute weder vergessen noch gestohlen noch weitergegeben werden können. 

Das Passwort ist passé. Besonders in der Online-Welt profitieren Nutzer von biometrischen Authentisierungsverfahren, da jeder User im Gegensatz zur realen Welt mehrere »Identitäten« besitzt. Im Laufe der Zeit sammeln sich zahlreiche Kombinationen aus Benutzernamen und Passwörtern an und es ist nahezu unmöglich, sich all diese Kombinationen zu merken. Internetnutzer tendieren daher dazu, möglichst einfache Passwörter zu verwenden und ihre Passwörter oder Variationen davon bei mehreren Diensten zu verwenden. Laut einer Studie des Hasso-Plattner-Instituts waren »12345«, »hallo« und »passwort« unter den Top 10 der meistgenutzten Passwörter im Jahr 2018 in Deutschland. Und auch die Generierung von Passwörtern erzeugt bei vielen Internetnutzern Stress. 32 % der Deutschen verwenden Fantasiewörter, 21 % nutzen persönliche Informationen wie Geburtsdaten oder Haustiernamen, nur 11 % setzen auf die von Experten empfohlene Satzmethode. Die vermehrte Nutzung von mobilen Geräten verschärft das Problem zusätzlich: Studien belegen, dass die Qualität der Passwörter auf mobilen Endgeräten aus nachvollziehbaren Gründen nochmals deutlich schlechter ist: Denn welcher Benutzer verwendet schon freiwillig lange Passwörter mit Sonderzeichen auf seinem Smartphone? 

Cyberkriminelle haben demzufolge oft ein leichtes Spiel beim Hacken von Passwörtern. Social Engineering, Phishing und Brute-Force-Angriffe weisen eine hohe Erfolgsquote auf – und im Internet kursieren bereits seit Jahren Datenbanken mit Millionen Zugangsdaten. Im Dark Web ist der Handel von Anmeldeinformationen ein Milliardenmarkt. 

Biometrie erfährt immer mehr Akzeptanz. Das Ende des Passworts ist also nicht eine Frage der Zeit, sondern eine dringende Notwendigkeit. Mit der biometrischen Authentisierung steht bereits eine Alternative bereit, die von vielen Anwendern schon regelmäßig genutzt wird, beispielsweise beim Entsperren von mobilen Endgeräten oder Notebooks mit dem Fingerabdruck oder der Face ID. 

Aufgrund der ersten positiven Erfahrungen steigt die Akzeptanz von biometrischen Authentisierungsverfahren zunehmend. Laut einer Studie von PwC können sich 58 % der Deutschen vorstellen, biometrische Verfahren beim Online- und Mobile-Banking einzusetzen. 61 % der Befragten können sich eine Nutzung bei Zugangskontrollen, beispielsweise am Flughafen, vorstellen. 

Besonders im Finanzsektor ist eine Umstellung auf biometrische Verfahren ein aktuelles Thema aufgrund der Einführung der EU-Zahlungsrichtlinie PSD2, die europaweit einheitliche Regelungen für den Zahlungsverkehr schafft. Bisher gängige Methoden wie etwa gedruckte TAN-Listen für die Authentisierung oder die Zahlungsfreigabe haben ausgedient, denn die PSD2-Richtlinien verlangen, dass sowohl Authentisierung wie auch die Autorisierung bei der Zahlungsfreigabe auf kryptographische Methoden zurückgreifen muss. Zudem ist klar vorgegeben, was als starke Zwei-Faktor-Authentisierung/-Autorisierung gilt: Die verwendeten Sicherheitsmerkmale müssen aus zwei von drei möglichen Bereichen stammen. Die drei Bereiche sind Wissen, Besitz und biometrische Merkmale. Eine Kombination aus Passwort und PIN reicht demzufolge nicht mehr aus, weil die kryptographische Absicherung nicht gegeben ist. Zukunftsgerichtete Lösungsansätze sind jedoch verfügbar: Der Industriestandard FIDO (https://fidoalliance.org/) basiert auf kryptographischen Methoden und ermöglicht die einfache Einbindung von biometrischen Erkennungsmethoden wie Touch ID oder Face ID, welche auf den Endgeräten der Benutzer bereits verfügbar sind. Zudem garantiert der FIDO-Ansatz, dass die biometrischen Daten das Endgerät nie verlassen. Damit können sowohl die Datenschutzrichtlinien (DSGVO) sowie die neuen Auflagen im Zahlungsumfeld (PSD2) perfekt abgedeckt werden.

Continuous Behavior Analytics. Um jedoch die höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten, ist eine sichere Authentisierung nicht ausreichend, denn auch während einer Online-Sitzung besteht das Risiko eines Cyberangriffs. Im Zuge eines Session-Hijacking-Angriffs können die verschiedenen Sessions der Webseiten übernommen werden, ohne dass der Nutzer merkt, dass seine aktive Sitzung von einem Hacker gekapert wurde. Dabei können Angreifer auf die Daten einer Webseite zugreifen oder Aktivitäten ausspähen. Es sollte also zu jedem Zeitpunkt der Online-Sitzung eine Überprüfung möglich sein, ob es sich tatsächlich um den registrierten Nutzer handelt, ohne jedoch die Usability zu gefährden. Auch hier bieten biometrische Verfahren eine Lösung. 

Sogenannte Customer-Identity-Access-Management-Lösungen (CIAM) mit integrierten maschinellen Lernverfahren vereinen Sicherheit, Privatsphäre und Benutzerfreundlichkeit, da sie das Verhalten der Nutzer erlernen und auf Basis von Algorithmen unbefugten Zugriff, betrügerische Transaktionen und den Verlust oder Missbrauch von Kundendaten in Echtzeit aufspüren und stoppen. Von zentraler Bedeutung ist dabei »Continuous Behavior Analytics«. Dabei werden diverse metrische Daten wie Tastenanschläge, Schreibgeschwindigkeit, Touchscreen-Druck und Swiping-Verhalten erfasst, da diese Faktoren bei jedem Menschen einzigartig sind. So kann der Benutzer zu jedem Zeitpunkt der Online-Sitzung automatisch ohne störende Unterbrechungen authentifiziert werden. Bei einer guten Implementierung ermöglichen Systeme, die maschinelles Lernen für die Analyse der verhaltensbezogenen Daten nutzen, ein hohes Maß an Erfolg bei der Erkennung und Vorbeugung von Betrug.

Fazit. Um den stetig größer werdenden Cybergefahren entgegenzuwirken, wird Biometrie in Zukunft unumgänglich sein, denn die passwortfreie Authentisierung ist die Authentisierung der Zukunft. Sie vereint Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit bei gleichzeitig sinkendem Administrationsaufwand. Davon profitieren sowohl Internetnutzer als auch Unternehmen und Dienstleister.



Stephan Schweizer, Chief Product Officer
NEVIS bei AdNovum Informatik AG

 

Illustration: © marketlan/shutterstock.com

 

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