Gegenwärtig lässt sich beobachten, dass in den Leitmedien zunehmend von der Zukunft der Arbeit gesprochen wird. Ganze Themenwochen werden hierzu veranstaltet, und nicht selten werden entweder blühende Landschaften oder Schreckensszenarien gezeichnet – je nach Gusto und ohne wissenschaftliche Belege. Wie auch – der Wandel schreitet vermeintlich schließlich zu schnell voran. Das iPhone feiert kommendes Jahr gerade einmal seinen zehnten Geburtstag; Smartphones sind jedoch nicht mehr wegzudenken – weder aus der Privat- noch aus der Arbeitswelt. Das merkt jeder, der sein Smartphone einen Tag nicht nutzen kann.
Dennoch ist zunächst einmal eine gewisse Gelassenheit geboten, denn seien wir ehrlich: Wer nicht zur Belegschaft der innovativen und international erfolgreichen – und dementsprechend auch finanziell gut situierten – Anbieter wie Microsoft, Google oder Facebook zählt, sondern in den unzähligen, kleinen und mittelständischen Büros der Bundesrepublik angestellt ist, wird wohl auch im nächsten Jahr eher noch in klassischen Büros mit einigermaßen festen Arbeitsplätzen arbeiten, anstatt die von Microsoft im neuen, Münchener Büro ausgerufene Loslösung von räumlichen Trennungen und die Förderung der Zusammenarbeit, auch über Abteilungs- und Hierarchiegrenzen hinweg, erleben zu dürfen. Um dies zu realisieren, gibt es bei Microsoft zum Beispiel nun vier verschiedene, flexible Arbeitsbereiche die von Rückzugsorten für Tätigkeiten, die eine hohe Konzentration erfordern, bis hin zu Büroflächen, die bewusst auf Teamarbeit und Kollaboration, reichen.
Beeindruckend und soziologisch höchst spannend – werden doch die über Jahre etablierten Gewohnheiten der »älteren« Mitarbeiter zwecks Effizienzsteigerung geändert. Dies wird alles erst durch eine neue Technisierung der Arbeitswelt ermöglicht, die Zusammenarbeit und flexibles Arbeiten ermöglichen soll. Inwieweit diese Entwicklung jedoch tatsächlich erfolgreich sein wird, muss sicherlich die Zukunft zeigen; fest steht jedoch bisher: Die Forschung ist sich hierüber sehr uneinig, und es gibt unter dem Stichwort »Produktivitätsparadox« bereits seit den 1980er Jahren eine ganze Reihe von Diskussionen und Thesen, die davon ausgehen, dass trotz der Investition in neue Informationstechnik weder die Wettbewerbsfähigkeit noch die Produktivität gesteigert werden würde.
Ganz so schwarz sollte man nicht malen, denn zweifelsohne sind etwa Social-Business-Tools wie professionelle Realtime-Chat-Software oder umfängliche Social-Business-Enterprise-Network-Suites daran beteiligt, die Zusammenarbeit zu verbessern und können auch dabei behilflich sein, die Bedürfnisse junger, neuer Arbeitnehmer ernst zu nehmen und in den Arbeitsalltag zu überführen. Die (Neu-) Gestaltung des Arbeitsplatzes ist gerade erst in Gang gekommen. Wie sich das Ganze jedoch nachhaltig auswirken wird, wird wohl erst die Zeit zeigen.
Der Wandel braucht Zeit, und Technik ist nicht alles
Zurück jedoch zum deutschen Mittelstand: Selbstverständlich wandeln sich auch in diesen Betrieben die Arbeitsbedingungen allmählich, eine gesteigerte Mobilität als auch eine verbesserte Erreichbarkeit über mobile Endgeräte sind vielerorts schon erreicht, Cloud-Computing-Subskriptionen ermöglichen einen kostengünstigen, professionellen und flexibleren Bezug von IT-Ressourcen und allgemein lassen sich stellenweise durchaus positive Tendenzen hinsichtlich der Work-Life-Balance beobachten.
Bei aller Euphorie der Digitalisierung zum Trotz: Der Wandel braucht Zeit und ist nicht nur durch die Einführung neuer Informationstechnologie bedingt. Vielmehr spielen auch soziale und ökonomische sowie organisatorische Faktoren eine Rolle, die zweifelsohne starken Einfluss auf die Arbeitswelt haben. Zusätzlich zu Aspekten, die wir Ihnen vor kurzer Zeit erläutert haben, sind sicherlich hierbei auch übergeordnete, gesellschaftliche Aspekte zu nennen. Zum einen befinden wir uns nach wie vor in anhaltenden, technisch-wirtschaftlichen Prozessen des Übergangs zu industriellen Produktionsweisen, in denen sich die maschinelle Erzeugung von Gütern und Dienstleistungen durchsetzt (Industrialisierung) sowie in einer Phase, in dem sich eine zunehmende Subjektivierung der Arbeit einstellt, die durch neue Arbeitsorganisationen (oftmals projektförmig, mobil sowie mit einer starken Rationalisierung der Arbeit in Zusammenhang stehen) längst den gesamten Menschen und sein gesamtes Arbeitsvermögen bedingen.
Es wird vermutet, dass dies eine ganze Reihe neuer Problemstellungen mit sich bringen kann (Stichwort: Burnout), wenn nicht entsprechende Maßnahmen zur Abfederung dieser Prozesse ergriffen werden. Technische Innovationen sind hierbei sicherlich Enabler dieser teilweise auch zunehmenden Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben, nicht jedoch der ursächliche Auslöser. Dessen sollte sich bei allen angestrebten Maßnahmen der Beratung und Implementierung neuer Technik immer wieder bewusstgemacht werden. Es ist unabdingbar, auch die Bedürfnisse der eigenen Mitarbeiter mit einzubeziehen – sie sind schließlich die unverzichtbaren Träger einer erfolgreichen Organisation.
Wie sieht die Zukunft denn nun aus?
Wie bereits erwähnt, die Forschung ist sich hierüber sehr uneinig und unterschiedliche Studien weisen unterschiedliche Ergebnisse auf – etwa in Bezug auf die Verbesserung der Work-Life-Balance. Dementsprechend lassen sich oftmals nur kleinteilige und zeitlich von der Entwicklung schnell überholte, zudem sehr widersprüchliche Studien beziehungsweise Ergebnisse, die nicht selten in »die eine« oder »die andere« Richtung (positive vs. negative Entwicklungen) tendieren, finden.
Doch sind Sorgen um die zukünftigen Arbeitsplätze berechtigt? Glaubt man einer Studie aus dem Jahr 2013 der Oxford-Wissenschaftler Frey und Osborne, sind in den nächsten ein bis zwei Dekaden rund 47 Prozent aller Berufe in den USA potenziell von einer zunehmenden Automatisierung bedroht [1]. Der britische Ökonom Jeremy Bowles berechnete 2014 für den deutschen Arbeitsmarkt sogar Zahlen von rund 51 Prozent aller Arbeitsplätze, die langfristig durch Automationseffekte der Digitalisierung gefährdet seien [2]. Bonin et al. (2015) halten diese Zahlen für überzogen und geben hierbei hingegen »lediglich« Zahlen von rund 12 Prozent an und verweisen zusätzlich darauf, dass je höher das Bildungsniveau der Arbeitnehmer sei, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, von Automatisierungseffekten betroffen zu sein, sei [3].
Ohnehin halten eine ganze Reihe von Wissenschaftlern Argumente und Thesen gegen die Gefahr der flächendeckenden Freisetzungsprognosen und betonen, dass die durch neue Technologien gesteigerte Effizienz auch neue Märkte, Produkte sowie Beschäftigungsmöglichkeiten schafft, die die Jobverluste wieder relativieren. Tätigkeiten würden sich zweifelsohne ändern, jedoch nicht unbedingt gestrichen werden, da die neue Technologiebranche erst eine Vielzahl neuer Aufgaben hervorbringe – dies ließe sich vor allem im kundenbezogenen Dienstleistungsbranchen beobachten.
An diesem kurzen Aufriss des Forschungsstands wird deutlich, dass die Wissenschaft gegenwärtig nur wenige Antworten auf die Frage nach der Arbeit der Zukunft geben kann. Mehr und mehr sind nun Unternehmen gefragt, neue Konzepte zu evaluieren und umzusetzen. Dabei ist stets auch auf die oben erwähnten sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen zu achten, um nicht nur die reine Effizienz steigern zu wollen, sondern eine Arbeitswelt zu schaffen, in der Technik vor allen Dingen unterstützend sowie zielgerichtet wirkt und weder zur Überwachung noch zur Bedrohung für die eigenen Mitarbeiter wird. Nur in einem solchen Arbeitsumfeld ist ein produktives sowie gesundes Arbeiten möglich.
Oliver Giering, Experton Group, www.experton-group.de
Bottom Line (ICT-Anwenderunternehmen):
Wohin die Zukunft der Arbeit führt, darüber gehen die Einschätzungen derzeit teilweise noch deutlich auseinander. Fest aber steht, dass technische Innovationen zwar Enabler, nicht jedoch der ursächliche Auslöser dieser Entwicklung sind. Wichtig dabei ist, die Bedürfnisse der eigenen Mitarbeiter miteinzubeziehen.
Bottom Line (ICT-Anbieterunternehmen):
Angesichts der Ungewissheit, wohin sich die Arbeitswelt entwickelt, können sich Dienstleister vorteilhaft aufstellen, die in dieser Hinsicht überzeugende Konzepte vorweisen. Wichtig hierbei ist, über die rein technologische Lösung hinauszudenken und die organisatorischen und kulturellen Aspekte des Wandels zu berücksichtigen.
[1 ] Frey, C./Osborne, M. (2013): The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation? Oxford Martin School (OMS) working paper. Oxford
[2] Bowles, J. (2014): The computerisation of European jobs – who will win and who will lose from the impact of new technology onto old areas of employment?
[3] Bonin, H., Gregory, T. & Zierahn, U. (2015): Übertragung der Studie von Frey/Osborne (2013) auf Deutschland, ZEW.
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