WLAN-5 ist in vielen Unternehmen gut bekannt und weit verbreitet. Die WIFI-Bänder sind zwar oft überlastet, aber mit WLAN-6 soll alles besser werden. Dagegen sind private 5G-Mobilfunk-Netze innerhalb von Firmen völliges Neuland: Sie versprechen ebenfalls rasanten Speed und kurze Reaktionszeiten, aber mehr Stabilität durch geschützte Frequenz-Bänder. Jetzt haben die Architekten der Firmennetze die Qual der Wahl: 5G-Mobilfunk oder WLAN-6?
5G-Netze können die Digitalisierung der Industrie in Schwung bringen. Funktechnisch haben 5G und WLAN-6 große Ähnlichkeiten: Beide erzielen hohe Datenraten im Gigabit-Bereich. Beide schaffen kurze Latenzzeiten unterhalb 10 Millisekunden. Und beide können in der gleichen Funkzelle eine hohe Zahl von Endgeräten versorgen und verwalten. Dadurch eignen sich beide Funktechniken für dichte Umgebungen mit vielen mobilen Endgeräten, etwa Großraumbüros, Kongresszentren, Hörsäle, Einkaufszentren, Hotels, Bahnhöfe, Stadien, Flughäfen.
WLAN Fluch und Segen: Freier Zugang für Alle. Doch WLAN hat ein immer größeres Problem durch das enorme Wachstum an WLAN-Geräten und WLAN-Anwendungen: Die knappen Frequenz-Bänder bei 2,4 und 5 GHz sind immer stärker überfüllt, weil sie nichts kosten, weil man sie fast überall auf der Welt lizenzfrei, sprich umsonst, nutzen darf. Jeder darf WIFI-Stationen, WLAN-Router und WLAN-Repeater nach Belieben aufstellen: Egal ob große, mittlere oder kleine Firmen, Behörden, Schulen, Unis, Krankenhäuser, Gewerbetreibende, Freiberufler und ganz viele private WLAN-User. Der Frequenz-Mangel wird zwar mit WLAN-6 etwas besser gemanagt, aber das Hauptproblem, der freie Zugang zu den WLAN-Bändern, bleibt bestehen.
Mobilfunk-Ordnung durch kontrollierte Vergabe. Ganz anders im Mobilfunk: Wer dort die knappen Frequenzen als Provider nutzen will, muss zuvor Millionen oder Milliarden Euro auf den Tisch des Staates blättern. Mit einer Ausnahme: Deutsche Firmen können ab dem zweiten Halbjahr 2019 Frequenzen für 5G-Campusnetze fast für Lau beantragen. Wie dieses? Voila:
Bundesweite 5G-Bänder. Am 12. Juni 2019 ist die Versteigerung der bundesweiten 5G-Pionier-Frequenzen von 3400 bis 3700 MHz sowie rund um 2 GHz für die bundesweite Nutzung zu Ende gegangen. Insgesamt wurden in diesen Bändern 420 MHz für 6.549.651.000 Euro, also rund 6,6 Milliarden, an die vier Netzbetreiber Drillisch Netz AG alias 1&1, Telefónica Deutschland GmbH & Co. OHG,Telekom Deutschland GmbH undVodafone GmbH versteigert. Damit ist jetzt der Weg frei für die Vergabe der restlichen Frequenzen im Bereich von 3700 bis 3800 MHz.
Lokale 5G-Campus-Netze. Tatsächlich sollen lokale Frequenzen im Bereich von 3700 bis 3800 MHz ab dem zweiten Halbjahr 2019 von der Bundesnetzagentur, kurz BNetzA, nach entsprechenden Anträgen vergeben werden. Und zwar zum Kosten-Deckungs-Prinzip, also nicht per Auktion gegen Höchstgebote. Just diese Frequenzen haben eine hohe Eignung für lokale Anwendungen in Hallen und auf Werksgeländen.
5G-Bedarf der Auto-Industrie. In der »Kommentierung des Anhörungsentwurfs zur lokalen und regionalen Bereitstellung des Frequenzbereichs 3700 MHz – 3800 MHz für den drahtlosen Netzzugang« vertraten Arjen Kreis und Christian Ferstl im Namen aller Kollegen des Kompetenznetzwerks 5G der AUDI AG folgende Meinung: »Die vielfältigen Anforderungen der unterschiedlichsten Industrien wird der neue Standard weitaus umfassender erfüllen können als bisherige Technologien. Vielfach höhere Übertragungskapazitäten, sehr geringe Latenzzeiten, flexible Bandbreiten für Up- und Downlink, sichere Datenübertragung, garantierte Datenraten über virtuelle Netzwerke, verteilte Server-Architekturen und eine hohe Ausfallsicherheit kennzeichnen diese Technologie.« Eine leistungsfähige, digitale Infrastruktur werde nicht erst auf der Straße, sondern schon bei der industriellen Fertigung von Fahrzeugen benötigt. In ihrer BNetzA-Kommentierung erläutern die Herren von Audi drei spannende Use Cases, die man in ähnlicher Form auch in den Kommentaren der Daimler AG und weiterer Autobauer findet.
Anbindung von Funk-Robotern. Die an Industrierobotern montierten Greifer und Aktoren würden aktuell via Kabel angebunden, welche durch viele Bewegungen und Vibrationen stark beansprucht werden und deshalb sehr kostspielig sind. Eine Alternative zum Kabel sei der Einsatz von Funktechnologie. Hier eine Audi-Beispielrechnung:
- Anzahl Profinet-Netzwerkteilnehmer pro Roboter: 2
- Netzwerkauslastung für bidirektionalen Profinet-Datenaustausch mit Übertragungssicherheit (Uplink/Downlink): 800/800 Kbps pro Roboter
- Roboter / Fläche Modellhalle: 1800/30.000 m²
- Anzahl Roboter mit Greifern auf einer Fläche von 2000 m² (Karosseriebau): 120
- Gesamtmenge Netzwerkbandbreite pro Zelle (Uplink/Downlink): 96 Mbps
- Mit Sicherheit und Puffer: 150 Mbps
Jürgen Kübler und Anja Misselbeck von der Daimler AG sehen das in ihrem Kommentierungsschreiben an die BNetzA ganz ähnlich und kommentieren dieses Rechenbeispiel so: »Für eine verlässliche Übertragungssicherheit muss die Anbindung der einzelnen UEs (Mobilfunk-Teilnehmer) in der Endumgebung genauestens evaluiert werden. Wir erwarten allerdings, dass auch hier das verfügbare Spektrum im Umfang von 100 MHz bereits mit der Anzahl der heutigen Anwendungsfälle sehr knapp werden wird und zukünftige Use Cases ausschließt, da die Anwendungen parallel im gleichen Segment stattfinden. Alle oben getroffenen Annahmen basieren außerdem auf dem jeweils günstigsten Fall.«
Software-Betankung von Autos auf dem Fließband. Jedes Fahrzeug, das produziert wird, werde im Laufe des Produktionsablaufs mit der nötigen Software bespielt, erklären Audi und Daimler fast wortgleich: Die Datenmenge, die nach aktuellem Stand bei diesem Software-Download anfällt, liege bei ca. 50 GB in 20 Minuten, also einer Downloadrate von knapp 330 Mbps. Bei einem produzierten Fahrzeug alle 1,5 Minuten seien circa 14 Fahrzeuge gleichzeitig in der Datenbetankung, was auf einen Download-Datendurchsatz von insgesamt 4,6 Gbps hinauslaufe. Parallel dazu fände in derselben Zeit ein Daten-Upload von insgesamt 10 GB statt. Demgemäß würden hier 925 Mbps Upload-Geschwindigkeit benötigt. Um während der Fahrzeugbetankung auch eine Echtzeitdiagnose der Systeme betreiben zu können, müsse systemseitig eine maximale Round-Trip-Latenz von maximal 50 Millisekunden sichergestellt werden. Dafür sei es nötig, pro Fahrzeug eine ausreichend große Menge Frequenzspektrum zu reservieren.
Software-Update fertiger Fahrzeuge im Außenbereich. Der heutige und zukünftige Softwareanteil im Fahrzeug steigt stetig an, erläutern Audi und Daimler fast unisono. Bei autonom fahrenden Fahrzeugen sei dieser Softwareanteil auch kritisch in Bezug auf den Insassen- und Personenschutz. Darum sei hier die Aktualität der Daten von größter Wichtigkeit. Im Außenbereich eines Fahrzeugwerks mittlerer Größe befänden sich circa 1.000 Fahrzeuge. Der Fahrzeugzulauf sei von der Taktung der Produktion abhängig, ebenso wie der Transport der Fahrzeuge zu den Händlern beziehungsweise Exportterminals.
Aus den Beispiel-Rechnungen wird klar, warum Frequenzen im Bereich 3700 MHz – 3800 MHz in der vollen Bandbreite von 100 MHz für lokale Campus-Nutzungen (mindestens) benötigt werden. Die Pilotprojekte der nächsten Monate werden zeigen, ob 5G in Unternehmen stabiler ist als WLAN-6.
Dr. Harald Karcher arbeitet als
Technik-Tester und Journalist
in München.
Illustrationen: © anttoniart /shutterstock.com
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