Chip-Mangel: Mit refurbished Hardware und TPM die Konsequenzen abschwächen – Ökologisch und ökonomisch sinnvoll

Der Chip-Mangel hat weltweit zahlreiche Wirtschaftsbereiche in der Mangel. Produktionsausfälle bei Chip-Herstellern und stockende Lieferketten zeigen, wie störanfällig die globalen Systeme sind. Um die IT-Infrastruktur in Rechenzentren resilienter und zugleich wirtschaftlicher aufzustellen, lohnt sich der Blick auf nachhaltigere Konzepte. Hier sind die Verwendung von refurbished Hardware und Third-Party Maintenance zu nennen.

Die Käufer sind da, allein das Produkt fehlt: Rund 7,7 Millionen Einheiten weniger als geplant wird die Automobilindustrie Ende 2021 weltweit produziert haben. Die Unternehmensberater von AlixPartners haben den globalen Chip-Mangel als Ursache ausgemacht [1]. Chip-Produzenten wie Intel erwarten anhaltende Engpässe bis 2023 – mit massiven Auswirkungen für zahlreiche Branchen: Produkteinführungen werden verschoben und Lieferzeiten schießen in die Höhe [2].

Die Gründe des Chip-Mangels sind vielfältig. Zum einen sind es die Folgen der Corona-Pandemie, mit einer sprunghaft gewachsenen Nachfrage und zugleich zurückgefahrener Produktion. Zum anderen zeigte sich in den vergangenen Monaten, dass Faktoren wie Extremwetterlagen an Produktionsstätten, Rohstoffmangel oder logistische Flaschenhälse – wie ein verstopfter Suezkanal – die sensiblen und global austarierten Lieferketten empfindlich stören können. 

Der Halbleitermangel ist auch für Rechenzentren spür-bar. Mit dem reduzierten Angebot wird es schwieriger und teurer, neue Hardware zu beschaffen. Unternehmen und Rechenzentrumsbetreiber haben zunehmend Schwierigkeiten, neue Hardware auf dem Markt zu erhalten oder müssen mit sehr langen Lieferzeiten rechnen. Das kann ihre Systeme gefährden. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach Remote-Arbeitsgerät und Cloud-fähiger IT-Infrastruktur werden zudem Leiterplatten oder Widerstände und andere Teile immer knapper. Da die Hersteller höhere Kosten entlang ihrer Lieferkette tragen, scheinen Preissteigerungen unvermeidlich.

Genau dies kündigte Robert Johnson, CEO von Vertiv, einem großen Anbieter von Rechenzentrumsinfrastruktur, bereits an: Er erklärte, dass man »Strategien entwickeln und umsetzen wird, um die [gestiegenen Lieferketten-] Kosten nach Möglichkeit an unsere Kunden weiterzugeben« [3]. Ob und wann die Preissteigerungen wieder zurückgenommen werden, ist ungewiss. Dabei dürften viele IT-Budgets aufgrund des stark erhöhten Kapazitätsbedarfs ohnehin erschöpft sein.

Vorhandenes einsetzen statt auf Neues warten. Bislang wurde deutlich stärker auf den Austausch von Servern und anderen Geräten gesetzt als auf Reparatur. Auch wurde neue Hardware im Rechenzentrum gebrauchten Komponenten vorgezogen. In einer Studie der Technogroup IT-Service GmbH gaben zwar knapp 80 Prozent der Befragten an, refurbished Hardware als sinnvolle Alternative zu Neuware zu sehen, um Kosten zu sparen und die Umwelt zu schonen [4]. Aber nur 15 Prozent verwendeten sie tatsächlich in ihrem Data Center. Wenn Neuware aufgrund des Chipmangels jedoch teurer wird oder schwieriger, beziehungsweise erst nach langen Lieferzeiten erhältlich ist, wird die aufbereitete und geprüfte refurbished Hardware für viele Unternehmen attraktiver.

Refurbished Hardware bietet zeitgemäße Leistungs- und Funktionswerte und ist bis zu 50 Prozent günstiger als vergleichbare Neuware. Gerade in Zeiten des Chip-Mangels profitieren Unternehmen davon, dass die Komponenten, Geräte und Komplettsysteme längst vorhanden sind. Das sichert die kurzfristige und dauerhafte Lieferbarkeit. Zudem ist der Ansatz ressourcenschonend und klimafreundlich. So zeigt sich hier, dass Maßnahmen für eine nachhaltigere IT gleichermaßen ökologisch wie ökonomisch vernünftig sind. 

Länger verwenden – nicht verschwenden. In der EU, den USA und weiteren Ländern wächst der Wille, die IT künftig ökologischer aufzustellen. Der Ruf von Kunden nach einem »Recht auf Reparatur« wird lauter. Dazu gehört ein leichterer, fairerer Zugang zu Software, Teilen und Werkzeugen, damit sich Reparaturen von herstellerunabhängigen Dienstleistern (TPM – Third-Party Maintenance) durchführen lassen. Der Aufbau einer solchen Reparaturkultur wird die Lebensdauer von IT-Hardware deutlich verlängern. Unternehmen verzichten auf dieser Basis zunehmend auf Upgrades und investieren in den Lebenszyklus ihrer vorhandenen Hardware – was zu sinkender Nachfrage bei Neugeräten und damit nach neuen Chips führt.

Das »Recht auf Reparatur« ist Teil eines Bewusstseinswandels in den Industrieländern. Weniger Rohstoffe zu verbrauchen, weniger Produkte herzustellen und zu entsorgen und die Güter stattdessen länger einzusetzen und wiederzuverwenden, ist die Zukunft. Dagegen werden Hersteller, die ihre Produkte mit geplanter Obsoleszenz »ausstatten«, vom Markt abgestraft. Der Gesetzgeber stützt den Wandel – in
der EU zuletzt mit der Ökodesign-Verordnung 2019/424, die eine herstellerunabhängige Wartung durch TPM-Anbieter erleichtert.

Unabhängige Wartung und Reparatur sind ökonomisch sinnvoll. Auch abseits von der Chip-Krise hilft TPM den Unternehmen dabei, die Budgets zu schonen: Unmittelbar durch die verlängerte Nutzung und den so vertagten Neukauf von Hardware; mittelbar, da die herstellerunabhängige Wartung meist günstigere Konditionen bietet als Wartungsverträge mit den OEMs. Zudem warten TPM-Anbieter auch die kostengünstigere refurbished Hardware. Dass die Wartung bestehender Anlagen durch TPM eine gute Einsparmöglichkeit ist, betonen auch die Analysten von Gartner in ihrem Market Guide zu TPM [5]. Beim Wechsel von Hersteller- zu unabhängiger Wartung errechnen sie Kostenvorteile von bis zu 70 Prozent. 

Der Einsatz von refurbished Hardware und TPM zeigt, wie ein neuer Weg vorhandene Dinge zu nutzen, eine Mangelsituation abschwächen und ökologisch wie ökonomisch sinnvoll sein kann.

 


Klaus Stöckert,
CEO, Technogroup IT-Service GmbH

 

 

[1] https://www.alixpartners.de/media-center/press-releases/press-release-shortages-related-to-semiconductors-to-cost-the-auto-industry-210-billion-in-revenues-this-year-says-new-alixpartners-forecast/
[2] https://nl.hardware.info/nieuws/78559/maurits-tichelman-intel-in-2023-zullen-de-chiptekorten-voorbij-zijn
[3] https://seekingalpha.com/article/4423271-vertiv-holdings-co-vrt-ceo-robert-johnson-on-q1-2021-results-earnings-call-transcript
[4] https://insights.technogroup.com/studie-data-center-wartung
[5] https://www.gartner.com/en/documents/3956803

 

Illustration: © JNT Visual/shutterstock.com

 

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