Digitale Signaturen in Europa: Der Hintergrund

https://pixabay.com/de/

Für hunderte von Jahren war die Originalunterschrift so etwas wie der De-facto-Standard um unterschiedlichste Vertragsdokumente und Vereinbarungen aller Art rechtskräftig zu unterzeichnen. Vor inzwischen mehr als einem Jahrzehnt verlagerten sich immer mehr Geschäftstätigkeiten und mit ihnen die zugehörigen Prozesse ins Internet. Es hat zwar eine Weile gedauert, aber mit dem Zeitalter der digitalen Transformation beginnen handgeschriebene Unterschriften auf papierbasierten Dokumenten zunehmend zu verschwinden und digitale Signaturen werden weltweit mehr und mehr akzeptiert.

Heutzutage gehen Wirtschaftsjuristen in multinationalen Konzernen bereits dazu über digitale Signaturen zu verwenden. Das soll für mehr Sicherheit sorgen, und die Integrität einer Unmenge von täglich anfallenden Dokumenten gewährleisten. Das gilt nicht zuletzt in Europa. Frankreich liefert eines der jüngsten Beispiele. Was sämtliche öffentliche Aufträge und Vertragsdokumente anbelangt, müssen diese ab sofort zwingend mit elektronischen Signaturen unterzeichnet sein. Das hat auch Auswirkungen auf die US-amerikanischen Juristen, wenn diese mit europäischen Kollegen zusammenarbeiten. Voraussetzung dafür ist ein profundes Verständnis wichtiger europäischer Gesetze wie etwa eIDAS, die sich im Detail mit dem elektronischen Signieren von Dokumenten beschäftigen.

 

Eine Frage der Sicherheit

Gerade die eher sicherheitsaffinen Europäer haben sich infolgedessen zunehmend gefragt wie es um Herkunft und Authentizität digitaler Dokumente bestellt ist. Fragen wie: Wie kann man die Identität eines Signaturgebers sicherstellen? Wie lässt sich nachweisen, dass ein

Dokument authentisch ist? Und nicht zuletzt: kann es eine Lösung geben, die Identität und Authentizität von Dokumenten über die Grenzen der EU-Mitgliedstaaten hinweg sicherstellt?

Etwa zur selben Zeit kam auch das politische Europa zu einer Entscheidung. Es ging darum ein Mittel zu finden, mit dem man Informationen und Dienste so austauschen kann, dass die Identität und Authentizität des Absenders auf starke Weise garantiert wird. Genau das ist Sinn und Zwecke der im Jahr 2014 in Kraft getretenen Verordnung der Europäischen Union über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (eIDAS oder IVT).

eIDAS legt einen elektronischen Identifikationsstandard fest, um Online-Transaktionen in ganz Europa abzusichern und zu optimieren. Dazu stützt sich die Verordnung auf qualifizierte elektronische Vertrauensdienste. Mittels eIDAS garantiert die EU die Anerkennung eines qualifizierten digitalen Zertifikats in ihrem gesamten Hoheitsgebiet, unabhängig vom Herkunftsland und mit dem klaren Ziel digitale Grenzen innerhalb der EU zu eliminieren.

Die Verordnung erstreckt sich auf alle Sektoren um so die bisherigen Limitierungen für elektronische Transaktionen in der EU und im größeren europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu nivellieren.

 

eIDAS konkret

Die eIDAS-Verordnung definiert drei Ebenen elektronischer Signaturen:

  • einfache elektronische Signaturen
  • fortgeschrittene elektronische Signaturen
  • qualifizierte elektronische Signaturen.

Die Struktur ist hierarchisch aufgebaut. Die Anforderungen jeder Ebene bauen auf denen der darunter liegenden auf. Eine qualifizierte elektronische Signatur repräsentiert somit die höchstmöglichen Anforderungen und eine einfache elektronische Signatur niedrigsten.

 

Qualifizierte Signaturen und qualifizierte Vertrauensdiensteanbieter

eIDAS empfiehlt Unternehmen, die bei ihren digitalen Transaktionen und Informationsaustausch ein hohes Maß an Sicherheit brauchen, fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signaturen zu verwenden. Denn das ist die einzige Signaturart, die rechtlich den gleichen Wert hat wie eine handschriftliche Unterschrift.

Qualifizierte Signaturen können allerdings nur von einem qualifizierten Vertrauensdiensteanbieter (QVDA) ausgestellt werden. Der QVDA spielt eine wichtige Rolle im Prozess des qualifizierten elektronischen Signierens – gemäß eIDAS dem höchsten Maß an Sicherheit bei einer Signatur. Die Anerkennung als QVDA zu bekommen ist ein dementsprechend aufwendiger Prozess. Vertrauensdiensteanbieter müssen einen qualifizierten Status und die Erlaubnis einer staatlichen Aufsichtsbehörde eines EU-Mitgliedsstaates erhalten haben, um qualifizierte Zertifikate (für natürliche Personen)

und Siegel (für juristische Personen) bereitzustellen. Diese Zertifikate berechtigten dann zum Erstellen qualifizierter elektronischer Signaturen. Unter Einhaltung strenger Richtlinien versteht sich. Das ist aber noch nicht alles. eIDAS schreibt außerdem vor, dass jeder EU-Mitgliedstaat eine Vertrauensliste der Anbieter und Dienste zu führen hat die im betreffenden Land den qualifizierten Status erhalten haben. Ein Vertrauensdiensteanbieter ist nicht dazu berechtigt, qualifizierte Vertrauensdienste bereitzustellen, wenn er nicht in der Vertrauensliste des jeweiligen EU-Mitgliedstaates aufgeführt ist.

 

Ein typisches Beispiel

Man will die operative Belastung in Zusammenhang mit der Übermittlung von Rechtsdokumenten über offene Netzwerke senken. Wir hatten eingangs schon erwähnt, dass die Verordnung auch US-amerikanische Juristen betrifft, wenn sie mit europäischen Kollegen und Kunden zusammenarbeiten. Es gilt also auf beiden Seiten des Ozeans eIDAS und digitale Signaturen besser zu verstehen. Das folgende Beispiel bietet hilfreiche Einblicke.

Stellen Sie sich vor, Sie sind ein multinationaler Technologieanbieter, der weltweit Zehntausende von Mitarbeitenden hat. Die meisten davon in Nordamerika, allerdings laufen auch in Europa laufen immer mehr Geschäftstätigkeiten an. Die Rechtsabteilung möchte die Reaktionsfähigkeit gegenüber wichtigen Interessenvertretern verbessern. Und man will die operative Belastung beim Übermitteln von juristischen Dokumenten über offene Netzwerke verringern. Gleichzeitig machen sich die Beteiligten Sorgen um Sicherheit und Compliance. Vor nicht allzu langer Zeit eine durchaus nicht unberechtigte Sorge. Heute lässt sich das Problem vergleichsweise simpel lösen.

Man kann bestimmte Dokumente wie NDAs, Angebote, die aufgrund von Ausschreibungen (RFPs) erstellt werden und gängige Verträge (häufig als PDF-Dateien) mit digitalen Signaturen versehen. Ein Vorgang, der inzwischen sehr einfach geworden und bei den meisten der großen Cloud-Anbieter Teil des Dokumentenworkflows ist.

 

Zertifikat ist nicht gleich Zertifikat

Die Auswahl des richtigen digitalen Berechtigungsnachweises, der den gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der rechtlichen ausgestellten Zertifikats entspricht, hängt vom Einsatz ab. Nehmen wir wieder das Beispiel unserer Rechtsabteilung. Hier erfordern nicht alle Dokumente zwangsläufig das höchste Maß an Sicherheit.

Beispielsweise rechtfertigt eine Vereinbarung zu Mergers & Acquisitions (kurz M&A) durchaus ein mit hoher Sicherheit ausgestelltes Zertifikat. Ein NDA ist eher das passende Dokument für ein niedrigeres Maß an notwendiger Sicherheit.

Wie wir inzwischen wissen ist sicherste Form der digitalen Signatur hinsichtlich der eIDAS-Verordnung an die Verwendung eines qualifizierten Zertifikats gebunden. Allerdings kann in unserem Beispielfall auch ein fortgeschrittenes Zertifikat perfekt geeignet sein, da es rechtsgültig, wenn auch ohne eindeutige Beweispflicht für den Signaturgeber. Anders sieht es aus, wenn ausdrücklich ein qualifiziertes Zertifikat vorgeschrieben ist.

Wenn die Rechtsabteilung die Möglichkeit bekommen hat, ihre Dokumente mit einer fortgeschrittenen oder einer qualifizierten Signatur zu sichern, handelt es sich um eine risikobasierte Methode. Mit ihrer Hilfe kann man die Sicherheitsstufe an die Art des zu signierenden und zu übertragenden Dokuments anpassen. In beiden Fällen garantieren beide Arten von Signaturen dem Empfänger des Dokuments die Identität des Unterzeichners und gewährleisten, das Dokument nicht manipuliert wurde.

Aus juristischer Sicht betrachtet gibt es aber einen Unterschied zwischen einer fortgeschrittenen und einer qualifizierten Signatur. Eine qualifizierte elektronische Signatur kehrt die Beweispflicht im Streitfall um. Hier muss der Signaturgeber nachweisen, dass er die Signatur nicht erstellt hat. Statt dass der Anspruchsteller nachweisen muss, dass der mutmaßliche Signaturgeber die elektronische Signatur tatsächlich zur Verfügung gestellt hat. Das ist der Fall, wenn man einfache oder fortgeschrittene Signaturen verwendet.

 

Heute Europa, morgen die USA, übermorgen die Welt?

Digitale Signaturen werden in Europa mehr und mehr verwendet. Eine Entwicklung, die sich wahrscheinlich zügig auf die USA und andere Teile der Welt ausdehnt. Für Juristen ist das eine gute Nachricht, und sie sollten nicht zögern sich mit den Regularien rund um digitale Signaturen im Detail auseinanderzusetzen.

Arvid Vermote

Arvid Vermote ist Chief Information Security Officer weltweit bei GlobalSign. Er ist von Brüssel aus tätig und für die Sicherheit und Compliance im gesamten Unternehmen verantwortlich. Dazu gehört es auch, zu gewährleisten, dass Produkte und Betriebsabläufe in Übereinstimmung mit Marktvorschriften wie eIDAS stehen.

 

97 search results for „digitale Signatur“

Digitale Signatur: Auf dem Weg zum papierlosen Büro

Die Digitalisierung schreitet in deutschen Büros voran. Laut einer Bitkom-Studie haben es sich Unternehmen zum Ziel gesetzt, ihren Papierverbrauch zu reduzieren, indem sie Briefpost durch digitale Kommunikation ersetzen oder Papierakten digitalisieren. Schließlich haben digitale Dokumente gegenüber gedruckten den Vorteil, dass man sie nicht im Drucker vergessen kann. Aber auch in digitaler Form ist drauf zu…

Die digitale Signatur – wo sie heute steht und wo ihr Potenzial liegt

Gefragt sind laut Studie mobile Lösungen, gute Nutzererfahrung und Sicherheit. Die Technik für digitale Signaturen besteht bereits seit längerem, jedoch konnte sie erst in den letzten Jahren verstärkt an Bedeutung gewinnen. Welche Hintergründe dieser Entwicklung zugrunde liegen, wo weiteres Potenzial besteht und welche Hürden noch überwunden werden müssen, zeigt eine aktuelle Forrester-Studie [1] mit 25…

Digitale Signaturen: Gesetzliche Anforderungen in den USA mit Modellcharakter?

Eine aktuelle Studie von Creation Technologies hat herausgefunden, dass ein durchschnittlicher Mitarbeiter mit Unterschriftsberechtigung etwa 1.350 $ an jährlichen papierbezogenen Kosten verursacht. Für die unterschriftlastige Architektur-, Ingenieur- und Baubranche (AEC), wo Projektpläne, RFIs, Verträge, Zeichnungen und Entwürfe gegebenenfalls sogar mehrere Unterzeichner brauchen, kommt einiges an Kosten zusammen. Setzt man aber einen komplett elektronischen Workflow für…

Digitale Signaturen – Auf dem Weg zu einem digitalen Europa

Die digitale Signatur kommt: Sie ersetzt zusehends die klassische Unterschrift auf Papier und hat das Potenzial, zur führenden Transaktionsform für Unterschriften zu werden. Sie umfasst den Prozess der Unterschrift selbst, die Authentifizierung sowie die Verifizierung der Daten – und gilt bereits heute als sicher. Im Rahmen der Studie »Digitale Signaturen – Auf dem Weg zu…

Digitale Unterschriften im Netz: Wie funktionieren elektronische Signaturen?

Mithilfe von digitalen Unterschriften, sogenannten elektronischen Signaturen, lassen sich Dokumente rechtlich verbindlich, schnell und sicher unterzeichnen. Wo kommen die verschiedenen Formen der elektronischen Signatur zum Einsatz.   Verträge, Angebote, Formulare und Bescheinigungen in Schriftform zu unterzeichnen und zu versenden, kann Tage, ja sogar Wochen dauern. Mit digitalen Unterschriften, elektronische Signatur genannt, lässt sich dieser Prozess…

Digitalisierung: Kann digitale Technologie die Welt besser machen?

38 Prozent der deutschen Teilnehmer des Digital Society Index 2018 [1] glauben, dass die Digitalisierung zur Lösung der dringendsten Herausforderungen (z.B. Armut, Gesundheitsprobleme, Umweltzerstörung) der Welt beitragen wird. Damit ist der technologische Zukunftsoptimismus der Bundesbürger im Vergleich eher wenig ausgeprägt, wie der Blick auf die Grafik zeigt. Anders sieht das in China aus: 71 Prozent…

Fast jedes zweite Unternehmen will mehr ins digitale Büro investieren

■  Je größer der Betrieb, desto mehr wird in digitale Lösungen fürs Büro gesteckt. ■  Selbsteinschätzung: Büro zur Hälfte digitalisiert. Der Weg zum digitalen Büro ist laut deutschen Unternehmen etwa zur Hälfte geschafft. Das zeigt der Digital Office Index 2018 – eine repräsentative Befragung von 1.106 Unternehmen ab 20 Mitarbeitern des Digitalverbands Bitkom [1]. Nach…

DAK-Gesundheit: In zehn Jahren vom klassischen Dokumenten­management zu digitalen Arbeitsprozessen

Mit 5,8 Millionen Versicherten zählt die DAK-Gesundheit zu den ganz Großen unter den deutschen Krankenkassen – auch bei der Flut an täglich bis zu 120.000 eingehenden Dokumenten. Um diese Arbeitslast zu digitalisieren und auf gut 10.000 Mitarbeiter zu verteilen, setzt sie auf Softwarelösungen der Materna-Tochter IQDoQ.

Immer mehr Nutzer kennen digitale Zertifikate

Digitale Zertifikate sind die Basis für sichere Transaktionen in der Industrie 4.0 und im Internet. Wie sehen Lösungen für sichere Maschinenidentitäten aus?   Ob bei der Identifikation von Maschinen, beim Online-Banking, in sozialen Netzwerken oder bei der Anmeldung in digitalen Rathäusern: Fast überall im Internet werden digitale Zertifikate eingesetzt. Mit ihnen kann jede Person, jeder…

So können Unternehmen ihre digitale Kommunikation wirkungsvoll gegen Hacker verteidigen

  Unverschlüsselte E-Mails öffnen Cyberkriminellen Tür und Tor – dennoch sind sie in den meisten Unternehmen Standard. Brabbler erläutert, warum sie besser auf durchgängig verschlüsselte und geschlossene Kommunikationsplattformen setzen sollten.   Deutsche Unternehmen sind ein besonders beliebtes Ziel von Hackern. Laut Bitkom wurden in den beiden vergangenen Jahren über die Hälfte von ihnen Opfer von…

Sichere Plattform, um digitales Geld zu senden und zu erhalten

Die Softwareexperten der Kölner CryptoTec AG reisen mit zwei neuen Security Apps auf die RSA Conference nach San Francisco. Auf der RSA Conference 2017 in San Francisco präsentiert das Kölner Unternehmen CryptoTec AG seine neuen Lösungen rund um die Themen IT-Sicherheit, verschlüsselte Echtzeitkommunikation sowie Schutz vor Datendiebstahl und digitaler Industriespionage. Im deutschen Pavillon stellt CryptoTec…

Zukunftsorientierte Unternehmen setzen auf die Elektronische Signatur

Noch in diesem Jahr wird eIDAS in der gesamten EU verbindlich. In wenigen Monaten wird sich der Status der Elektronischen Signatur verändern: Am 1. Juli 2016 wird die EU-Regelung eIDAS (Electronic Identification and Trust Services) in Kraft treten. Von der Europäischen Union bereits 2014 verabschiedet, ermöglicht die Elektronische Signatur nun eine einheitliche Praxis in allen…

Die automatisierte IT-Fabrik legt den Grundstein für das digitale Unternehmen und die digitale Verwaltung

Der CeBIT-Auftritt des IT-Dienstleisters Materna GmbH steht unter dem Motto »Digitales Zusammenspiel«. Das »Digitale Zusammenspiel« ist die Basis, um die digitale Transformation in Unternehmen, Behörden und IT gemeinsam voranzutreiben. Denn die öffentliche Hand und die Wirtschaft können viel voneinander lernen auf dem Weg der digitalen Transformation. Der Materna-Messestand in Halle 7, Stand C17 symbolisiert das…