Fachkräftegewinnung per Siegel –
Vorbereitung ist alles

Immer mehr Unternehmen setzen auf Siegel, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. In vielen Fällen gehen Unternehmen allerdings die Planung im Worst-Case-Szenario an: Die Chefetage beauftragt die Werkstudentin oder den Praktikanten eine entsprechende Auszeichnung zu finden. Warum geht das meist schief, vernichtet viel Geld und wie ist die richtige Herangehensweise?

Eine gute Antwort auf den drückenden Fachkräftemangel? Viele Unternehmen wenden sie noch nicht strategisch an. Zu oft geben die Organisationen lediglich das Ziel vor, Fachkräfte zu gewinnen. Heraus kommen immer die gleichen Maßnahmen: mehr Recruiting, mehr Marketing, mehr Messen, mehr internationale Sichtbarkeit. Zu diesen Bemühungen zählen sie auch Arbeitgebersiegel. Nur wenige verfolgen tatsächlich das Ziel, als Arbeitgeber Markt- oder Branchenführer zu sein oder regional die Nase vorn zu haben. Das spiegelt sich in der Auswahl des Siegels wider. Je nach Ziel braucht es unterschiedliche Herangehensweisen – in vier Schritten treffen Mittelständler eine passende Entscheidung:

  • Klare strategische Entscheidung im Vorfeld
    Jede BWL-geschulte Geschäftsführung kennt den Unterschied zwischen Bedarf und Bedürfnis. Das eigentliche Ziel lautet, weniger Fachkräfte zu benötigen und sie gleichzeitig leichter zu gewinnen. Daraus resultiert bei vielen das Bedürfnis nach einem Siegel. Das packt das Problem aber nicht bei der Wurzel. Vom Bedarf ausgehend ist das wichtigste Kriterium, ein guter oder gar herausragend guter Arbeitgeber zu sein. Es braucht also eine klare Entscheidung: Soll das Siegel eine reine Marketingmaßnahme darstellen, also das Bedürfnis befriedigen, oder stillt nur Unternehmensentwicklung den eigentlichen Bedarf?

 

  • Klares Briefing und Kompetenz
    Erst wenn Schritt eins geklärt ist, kann der Beauftragte einen guten Job machen. Geht es nur um die Marketingwirkung (Bedürfnis), genügt ein einfaches Briefing: Die der Chefetage wichtigsten Merkmale müssen festgehalten, die erwünschte Wirkungsweise und das Budget für das Siegel vorab abgesteckt und die Einbindung in die Employer-Branding-Strategie festgelegt werden. Welches Siegelimage passt beispielsweise zum Unternehmen? Soll das Siegel die Firma generell als guten Arbeitgeber auszeichnen? Oder soll es eine besondere Stärke herausstellen wie Familienorientierung, regionale Stärke, kreative Onboarding-Prozesse oder Benefits? Erst dann ist der Auftrag eindeutig und somit für die beauftragte Person gut zu bewältigen.

 

  • Wichtige Fragen beantworten
    Betrifft es jedoch den Bedarf und somit die echte Qualität als Arbeitgeber, avanciert das ganze zur Chefsache. Hier nimmt die Maßnahme Bezug auf Strategie und Unternehmensentwicklung. Dazu muss die Leitung zunächst wichtige Fragen beantworten:

    • Wo will das Unternehmen hin? Gibt es sich als Arbeitgeber mit dem Mittelmaß zufrieden oder strebt es die Spitze, gar die Marktführerschaft an?
    • Wo steht die Firma im Vergleich zu anderen Arbeitgebern und zur Konkurrenz? Inwieweit liegt die Strategie im Trend?
    • Wie ist das Unternehmen aufgestellt? Wie arbeiten im Vergleich dazu andere Unternehmen? Und wie nehmen die Mitarbeitenden ihre Arbeitswelt wahr?
    • Wo können Stärken intern und extern punkten und gegebenenfalls weiter Fahrt aufnehmen? Wo müssen Schwächen ausgebessert werden?
    • Ist die Firma gut gewappnet, um die kommenden Herausforderungen wie Digitalisierung, Mehrgenerationenunternehmen, Umstrukturierungen, moderne Arbeitsformen zu meistern?
    • Und zu guter Letzt kommt es zum Schwur: Wie viel ist das Unternehmen bereit an Zeit, Energie und auch Geld zu investieren, um besser, gar spitze zu werden?

 

  • Check-up
    Hieraus leiten Zuständige leicht relevante Auswahlkriterien ab. Dann gilt es, die Siegel auf ihre Kraft für die Unternehmensentwicklung prüfen. Die Beauftragten sollten unbedingt die Verfahren und die Auswertungen, die hinter der Siegelvergabe stecken, vergleichen: Schaut die Auswertung auf festgelegt relevante Themen? Sind die Auswertungen so aufbereitet, dass das Unternehmen möglichst selbstständig damit arbeiten kann, um sich im Nachgang weiter zu optimieren? Wie tief gehen die Analysen? Welche Kompetenz weisen die Anbieter vor? Berücksichtigt das Siegel Zukunftsthemen? Wie hoch ist der zeitliche interne Aufwand vor, während und nach der Durchführung? Welchen Nutzen bringt die Auszeichnung auch betriebswirtschaftlich über das Marketing hinaus?

 

Fazit. Wer verstärkt auf den Bedarf statt auf das Bedürfnis abzielt, erhält beim passenden Anbieter nicht nur ein Siegel. Nachweislich wirkt sich geprüfte Arbeitgeberattraktivität auf betriebswirtschaftliche Erfolge aus. Aus einer zeag-Studie aus dem Jahr 2021 geht hervor, dass die Unternehmensleistung von attraktiven im Vergleich zu unattraktiven Unternehmen um 19 % höher liegt [1]. Gleichzeitig verbuchen sie um 24 % höhere Innovationskraft, um 23 % gesteigerte Mitarbeiterproduktivität und um 28 % höheres Unternehmenswachstum. Ein Siegel als Marketingmaßnahme wirkt auch – nur weniger nachhaltig und auf weniger Ebenen. Führungsetagen, die ausloten, wo ihr Need liegt und ihre zuständigen Mitarbeitenden entsprechend briefen, finden anhand der vier Schritte in jedem Fall die -richtige Auszeichnung.

 


Silke Masurat,
Expertin für Arbeitsplatzkultur
und Gründerin des Zentrums
für Arbeitgeberattraktivität zeag

 

[1] https://www.topjob.de/wissenswertes/detail/trendstudie-arbeitgeberattraktivitaet/

 

Illustration: © Elena Ray | Dreamstime.com

 

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