Rechenzentrumsbranche in der Pflicht – Gegen Energie­vampire hilft kein Knoblauch

Rechenzentren sind als Stromfresser verschrien. Im Vereinigte Königreich werden sie gar schon als »Energievampire« gescholten, die das Stromnetz leersaugen, sodass für andere häufig nichts übrig bleibt [1]. Die Diskussionen um den hohen Energieverbrauch von Rechenzentren konzentrieren sich fast ausschließlich auf den Bereich der Neubauten, obwohl etwa 60 Prozent des Bestands an Rechenzentren in Europa älter als achtzehn Jahre sind.

Diese alten Anlagen spielen eine wesentliche Rolle, um die wachsende Nachfrage nach digitalen Diensten zu befriedigen, und ihre Auswirkungen auf die Umwelt werden oft übersehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sie bei der Umsetzung höherer Energiestandards nicht übersehen werden. Eigentümer und Betreiber müssen die Umweltbelastung durch ihre Rechenzentren, einschließlich des Stromverbrauchs, freiwillig verringern. Nachrüstungen sind ohnehin unabdingbar, um den Wert der Anlagen zu schützen und die Betriebskosten angesichts anhaltend hoher Energiepreise im Griff zu behalten.

Regulierung setzt Branche unter Druck. Das Zeitfenster für freiwillige Verbesserungen beginnt sich nun jedoch zu schließen. Die Europäische Kommission hat ihre Bemühungen um den Klimawandel intensiviert und im Juli 2021 einen Vorschlag für eine Neufassung der Richtlinie zur Energieeffizienz als Teil des Pakets »Delivering on the European Green Deal« vorgelegt. Die EU hat darüber hinaus eine Taxonomie für Nachhaltigkeit veröffentlicht, ein Klassifizierungssystem, das Kriterien für wirtschaftliche Aktivitäten definiert, die mit einem Netto-Null-Ziel bis 2050 und Nachhaltigkeitsbestrebungen über den Klimaschutz hinaus in Einklang stehen. In Deutschland ist zudem das Energieeffizienzgesetz in Kraft getreten. Alle drei Beispiele haben direkte Auswirkungen auf die Rechenzentrumsbranche.

Branche am Scheideweg. Es besteht kein Zweifel, dass sich die Rechenzentrumsbranche an einem Scheideweg befindet. Der eine Weg besteht darin, proaktiv zu handeln, in neue Technologien und selbsterzeugte Energie zu investieren sowie nach innovativen Speicherlösungen zu suchen, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Der andere Weg besteht darin, sich Gesetze und Vorschriften aufzwingen zu lassen und auf die Auferlegung von Energie-, Wasser- und Emissionszielen reagieren zu müssen, auf die die Branche keinen Einfluss hat.

Die Energiemärkte stehen seit 2021 unter Druck, zum Teil als Folge der Erholung von der Covid-Pandemie. Durch den russischen Einmarsch in die Ukraine eskalierte die Situation zu einer Krise, und infolgedessen sind die Energiekosten jetzt ein Hauptfaktor für die Effizienz von Rechenzentren. Die Jahre zwischen jetzt und 2030 sind entscheidend für den Wettlauf zum Netto-Nullpunkt. Damit die Branche auf den richtigen Weg kommt, muss der Einsatz neuer und bestehender Technologien im Bereich der erneuerbaren Energieerzeugung unverzüglich und in noch nie dagewesenem Maße beschleunigt werden.

Massiver Einsatz erneuerbarer Energie. Bloomberg hat in seinem Report »New Energy Outlook 2022« ein Szenario modelliert, demzufolge bis 2050 weltweit fast 23 Terawatt an Neuen Energien zusätzlich erzeugt werden müssen, wovon 85 Prozent auf Solar- und Windenergie sowie Batteriespeicher entfallen. Die jährlichen Ausbauraten für Wind- und Solarenergie erreichen in diesem Szenario das Dreifache der im Jahr 2020 erreichten Rekordausbauraten.

Als Reaktion darauf haben bereits eine ganze Reihe von Technologieunternehmen ihre Pläne oder Erfolge bei der Umstellung auf grüne Energie bekannt gegeben. Diese Unternehmen haben ihre Muskeln spielen lassen, um große Mengen an verfügbarem Ökostrom abzurufen, aber die einfache Umstellung auf 100 % grüne Energien wird nicht ausreichen. Es müssen Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung innerhalb der bestehenden Anlagen genutzt werden, sei es durch eine intelligentere Verwaltung der IT selbst oder der unterstützenden technischen Infrastruktur.

Technologie-Upgrade jetzt. Unser aktueller Rechenzentrumsreport hat ergeben, dass mehr als 80 Prozent der Betreiber von Co-Location-Zentren, Netzbetreiber und Integratoren die Nachrüstung mit erneuerbaren Technologien in Betracht ziehen, um die Effizienz der bestehenden Anlagen zu verbessern [2]. Dies ist von entscheidender Bedeutung, weil ein erhebliches Risiko besteht, dass die schnell wachsende Nachfrage nach Informationsdiensten und rechenintensiven Anwendungen die Effizienzgewinne übersteigt, die den Energieverbrauch von Rechenzentren in der Vergangenheit in Grenzen gehalten haben. Das Potenzial für beträchtliche Effizienzsteigerungen bleibt bestehen. Es sind Investitionen in die nächste Generation von Computer-, Tauchkühlungs-, Speicher- und Wärmeabfuhrtechnologien erforderlich, um einen potenziell steilen Anstieg des Energieverbrauchs in diesem Jahrzehnt zu vermeiden. Am wichtigsten ist: Die Branche muss jetzt handeln.

 


Simon Harris,
Head of Critical Infrastructure
bei Business Critical Solutions (BCS)

 

[1] https://www.telegraph.co.uk/technology/2022/08/01/energy-vampires-sucking-britains-grid-dry/
[2] https://bcsconsultancy.com/insights/thought-leadership/opportunity-or-liability-legacy-data-centres/

 

Illustration: © Lana Sham | shutterstock.com

 


 

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