Zwischen Fachkräftemangel, Cyberrisiken, souveräne Clouds und KI-Potenzial – Ernstfall Digitalisierung

Seit Anfang des Jahres ist Kai Grunwitz neuer Vorsitzender der Geschäftsführung von Kyndryl Deutschland. Im Gespräch mit »manage it« spricht er über den unterschätzten Reiz des Mainframes, warum Mut zur Digitalisierung wichtiger ist als jede Regulierung – und wie technologische Allianzen mit Microsoft & Co. zum Schlüssel für resiliente Infrastrukturen werden.

 


Herr Grunwitz, Sie sind nun bald ein halbes Jahr im Amt. Was war Ihr erster Eindruck vom Zustand der IT-Landschaft in Deutschland – und welche Rolle spielt Kyndryl dabei?

Der deutsche Markt ist in vielerlei Hinsicht besonders: stark reguliert, gleichzeitig aber auch hoch industrialisiert und technologisch anspruchsvoll. Als Kyndryl sind wir in einer guten Ausgangsposition – insbesondere bei kritischen Infrastrukturen, Mainframe-Technologien und hybriden IT-Landschaften. Wir verfügen über ein breites Kunden-Setup und starke Teams in unseren Delivery Centern. Und: Wir sind führend beim Betrieb von Mainframes. 50 Prozent der nicht kundeneigen betriebenen Mainframes in Europa laufen über uns. Dieses Know-how ist heute gefragter denn je – auch weil die Mainframe-Technologie im Zuge von Compliance-Vorgaben wie DORA oder gestiegenen Sicherheitsanforderungen eine Renaissance erlebt. Mit diesem starken Portfolio sind wir gut für unsere Wachstumsstrategie aufgestellt.

 

Kai Grunwitz,
Vorsitzender der Geschäftsführung,
Kyndryl Deutschland


Der Mainframe – ein Dauerbrenner in der IT? Manche halten ihn ja für ein Relikt der Vergangenheit …

Totgesagte leben bekanntlich länger. Und im Fall des Mainframes stimmt das allemal. Die Technologie bleibt ­zentraler Ankerpunkt für viele geschäftskritische Applikationen. Wir setzen dabei nicht nur auf das Know-how erfahrener Spezialisten, sondern investieren gezielt in Nachwuchs. Unsere jüngste Belegschaft im Mainframe-Umfeld kommt direkt von den Hochschulen. Dazu nutzen wir moderne Tools und KI, um etwa Cobol-Code effizienter zu analysieren und zu modernisieren. Die Begeisterung in unseren Teams ist spürbar – und das unterscheidet uns von vielen Wettbewerbern.


Ein anderer Trend ist der Weg in die Cloud. Wie begegnet Kyndryl der wachsenden Nachfrage – insbesondere vor dem Hintergrund regulatorischer Anforderungen?

Die Frage ist nicht mehr, ob Unternehmen in die Cloud gehen – sondern in welche. Wir sehen eine klare Tendenz zur privaten und souveränen Cloud. Kyndryl bietet hier entsprechende Plattformen und Stacks an – auf Wunsch auch in Kombination mit Public-Cloud-Angeboten unserer Partner. Wichtig ist uns: Die Kunden haben die Wahl. Und gerade im europäischen Kontext, Stichwort AI Act, braucht es sichere und transparente Datenplattformen für KI-Anwendungen. Das adressieren wir unter anderem mit souveränen AI-Services – entwickelt für hochregulierte Branchen.


Apropos KI – viele Unternehmen sehen hier Potenzial, andere eher Unsicherheit. Was ist Ihre Einschätzung?

Künstliche Intelligenz ist kein Selbstzweck. Entscheidend ist, dass sie zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beiträgt. Wir stehen dabei an der Schwelle einer neuen Welle mit Agentic AI. Die Frage ist: Haben Unternehmen den Mut, Geschäftsprozesse grundlegend zu verändern? Wer KI bloß einsetzt, um analoge Prozesse digital abzubilden, schöpft das Potenzial nicht aus. Es braucht konkrete Business Cases, die passenden Skills und die notwendige Sicherheit. KI muss von Anfang an mitgedacht – und abgesichert – werden.


Wie steht es um den Mittelstand? Kommt die Transformation dort an?

Der Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – aber er kämpft mit Ressourcenmangel. Compliance, Security, KI und Digitalisierung gleichzeitig zu stemmen, ist kaum allein zu schaffen. Viele Unternehmen suchen daher gezielt nach Partnern, die ihnen helfen, ihre internen IT-Kapazitäten auf das Kerngeschäft zu fokussieren. Genau da sehen wir unseren Auftrag. Wir übernehmen den stabilen IT-Betrieb – vom Mainframe bis zur hybriden Cloud – und schaffen so Freiräume für Innovation.


Kritische Infrastrukturen sind dabei ein Kernthema. Wie gehen Sie mit den besonderen Herausforderungen um?

Als weltweit größter IT-Infrastruktur-Dienstleister begleiten wir unsere Kunden ganzheitlich – von der Risikoanalyse über die Incident-Response-Planung bis hin zum realen Krisenfall. Entscheidend ist, dass Notfallpläne nicht nur existieren, sondern geprobt werden. Ein Blatt Papier an der Wand hilft im Ernstfall nicht. Deshalb legen wir großen Wert auf realistische Tests und Schulungen – insbesondere in sensiblen Bereichen wie Gesundheit, Logistik oder Finanzwesen.


Ein weiteres Thema ist die zunehmende Verzahnung von IT und OT – gerade im industriellen Umfeld.

Die Grenze zwischen IT und OT verschwimmt zunehmend. Moderne Produktion ist ohne digitale Steuerung nicht denkbar. Gleichzeitig stoßen hier oft zwei Kulturen aufeinander: IT denkt in Innovation, OT in Stabilität. Wir sehen uns als Brückenbauer. Mit digitalen Zwillingen, KI und simulierten Sandboxen helfen wir unseren Kunden, Innovation sicher und kontrolliert in die Produktion zu bringen.


Und wie wichtig sind dabei technologische Partnerschaften – zum Beispiel mit Microsoft?

Essenziell. Wir sind kein Hersteller, sondern ein Service- und Beratungsunternehmen. Deshalb setzen wir auf eine klare Allianzstrategie – mit Hyperscalern wie Microsoft, AWS oder Google Cloud, genauso wie mit spezialisierten Technologieanbietern NetApp, Dell, Cisco, Nvidea, SAP oder auch Veeam oder PaloAlto. Gemeinsam entwickeln wir Lösungen etwa für Cloud Transformation, Zero-Trust Architekturen, Daten­sicherheit oder KI-basierte Services. Unser Ziel: Beratungs- und Betriebskompetenz mit modernster und zukunftsorientierter Technologie zu verbinden. Unsere Beratungssparte Kyndryl Consult haben wir stark ausgebaut, allein diese Geschäftssparte hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt. Nur so können wir den Anforderungen unserer Kunden gerecht werden, deren kritische Infrastrukturen nicht nur zu betreiben, sondern auch zu modernisieren und schlicht stetig zu verbessern. 


Wenn Sie ein Ranking aufstellen müssten – was sind die größten Herausforderungen für Unternehmen derzeit?

Erstens: die Veränderungsbereitschaft. Es fehlt häufig der Mut, alte Prozesse zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Zweitens: der Fachkräftemangel und die begrenzten Ressourcen. Drittens: die Sicherheit. Cyberangriffe nehmen in nie dagewesener Zahl und Komplexität zu. Und viertens: der Umgang mit KI. Es braucht tragfähige Use Cases – sonst bleibt es beim Hype.


Wie ist denn die Stimmung in der Wirtschaft – gerade mit Blick auf die aktuellen Prognosen?

Die Herausforderungen sind groß, doch wir haben in Deutschland die Stärke und den Fokus, sie zu meistern. Natürlich werden Projekte heute stärker auf ihren Businessnutzen hin geprüft. Aber wir sehen auch: Viele Unternehmen erkennen, dass sie jetzt investieren müssen, um morgen wettbewerbsfähig zu sein. Kyndryl hat dabei klare Antworten – etwa beim Aufbau effizienter, sicherer Infrastrukturen oder einer am Business ausgerichteten IT Modernisierung. Wichtig ist, dass wir Schritt für Schritt vorangehen. Wie im japanischen Kaizen-Prinzip: jeden Tag ein Prozent besser. Daraus entsteht echte Transformation.

Herr Grunwitz, vielen Dank für das transformative Gespräch.

 


Illustration: © Wave Break Media Ltd, Siarhei Yurchanka | Dreamstime.com

 

 

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