Fachkräftemangel 2035: Warum smartes Workforce Management über Zukunft oder Stillstand entscheidet

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Die Arbeitswelt steht an einem Kipppunkt: Der Fachkräftemangel ist zur bedrohenden Herausforderung geworden, nicht nur für einzelne Branchen, sondern für ganze Volkswirtschaften. Deutschland trifft es besonders hart. Der demografische Wandel, unzureichende Bildungsanpassung, schleppende Digitalisierung und eine nicht zukunftsfeste Zuwanderungspolitik verschärfen die Lage. Was fehlt, sind nicht nur Hände, sondern auch Köpfe.

 

Das Ende der Vollbeschäftigungsillusion

Schon heute bleiben mehr als 1,5 Millionen Stellen unbesetzt. Tendenz steigend: Bis 2035 könnten es laut Bundesagentur für Arbeit bis zu sieben Millionen sein. Maschinenbau, Logistik, IT und Pflege gehören zu den besonders betroffenen Sektoren. Gleichzeitig verlieren Unternehmen zunehmend Mitarbeiter durch Überlastung und innere Kündigung – eine Spirale, die Produktivität wie Innovationskraft bedroht. Im Jahr 2024 entgingen der deutschen Wirtschaft rund 49 Milliarden Euro an Wertschöpfung, weil Personal fehlte.

Doch es wäre ein Irrtum, diese Entwicklung für ein temporäres Tief zu halten. Vielmehr ist es die Folge eines systemischen Defizits: Der Arbeitsmarkt passt nicht mehr zu den Anforderungen des digitalen Zeitalters.

 

Von der Krise zur Strategie: Workforce Management als Schlüssel

Die gute Nachricht: Es gibt Lösungen. Smartes Workforce Management, also die strategische Steuerung von Zeit, Qualifikation, Bedarf und Verfügbarkeit, entwickelt sich zum zentralen Hebel für Resilienz. Digitale Tools erlauben nicht nur effiziente Schichtplanung, sondern verbinden Echtzeitdaten, Prognosen und individuelle Präferenzen zu einem agilen Betriebssystem der Arbeit.

Diese Systeme ersetzen kein HR, sie erweitern es; und zwar in Richtung Business-Enablement. Wer sie einsetzt, kann Personal nicht nur besser einsetzen, sondern auch nachhaltiger binden. Voraussetzung: Unternehmen müssen in Digitalisierung investieren, interne Silos aufbrechen und Workforce Management nicht als Tool, sondern als Haltung begreifen.

 

Praxis trifft Wirkung: Drei Beispiele der Transformation

Wie das konkret aussieht, zeigt etwa Hermes Fulfilment. Ausgelöst durch das Ausscheiden einer Mitarbeiterin mit Schlüsselfunktion begann dort eine Transformation, die aus einem IT-Projekt ein Kulturprojekt machte. Die mobile App zur Schichtplanung wurde anfangs skeptisch beäugt; heute ist sie Standard. Mitarbeiter buchen ihre Schichten selbst, Rückfragen sind selten geworden. Der Betriebsrat, zunächst kritisch, wurde zum aktiven Gestalter. Ein Kulturwandel in Echtzeit.

Ähnlich innovativ agiert der Blutspendedienst des Bayerischen Roten Kreuzes. 4.800 mobile Spendentermine pro Jahr. Was früher auf Papier geplant wurde, läuft heute alles digital: von der Dienstplanverteilung über Wunschdienste bis zur Integration externer Daten wie Verkehrslage oder Spenderhistorie. Die Folge: mehr Teilzeitoptionen, mehr Planungsgerechtigkeit, mehr Versorgungssicherheit.

Noch weiter geht Hornbach Baumarkt AG. Mit dem Konzept »Arbeitszeit nach Maß« stellt das Unternehmen die Systemfrage: Wofür ist klassische Arbeitszeit eigentlich noch die Lösung? Die Antwort: Für viele Lebensrealitäten ist sie es nicht mehr. Wer will, kann Urlaubs- in Freizeittage tauschen, in Teilzeit wechseln oder seine Wochenstunden neu verteilen. Das Ergebnis: sinkende Fluktuation, steigende Bewerberzahlen, höhere Zufriedenheit. Freiheit wird hier nicht als Chaos verstanden, sondern als Rahmenbedingung für Souveränität.

 

KI als Taktgeber, Mensch als Dirigent

Besonders spannend wird Workforce Management im Zusammenspiel mit künstlicher Intelligenz. Automatisierte Schichtvorschläge, Echtzeitreaktionen auf Ausfälle, lernende Bedarfsvorhersagen; KI-Systeme steigern Effizienz und Passgenauigkeit. Doch sie ersetzen nicht das menschliche Urteilsvermögen. Im Gegenteil, sie verlangen es.

Mensch-KI-Co-Play heißt das Modell, das den Unterschied macht. Der Algorithmus erkennt Muster, der Mensch erkennt Bedeutung. Führung bedeutet in diesem Kontext nicht Kontrolle, sondern Vertrauen, Kommunikation, Kontextsensibilität. Oder wie es Steffi Burkhart formulierte: »Technologie macht Fortschritt, aber Menschen machen den Unterschied.«

 

Die neue Führung: Sinn, Vertrauen und Teilhabe

Wer die Herausforderungen der Workforce Crisis meistern will, muss mehr tun als Software einführen. Er muss sich kulturell neu ausrichten. Das beginnt mit einer Führung, die inspiriert statt kontrolliert. Die Teilhabe nicht als Nice-to-have, sondern als strategische Notwendigkeit begreift. Die fragt: »Mögen wir Menschen wirklich?« – und diese Frage nicht nur rhetorisch stellt.

Konkret heißt das: Unternehmen sollten jetzt digitale Planungstools einführen, um ihre Mitarbeitenden vorausschauend, datengestützt und transparent in die Personalplanung einzubinden. Nur so lassen sich operative Notwendigkeiten mit individueller Planbarkeit in Einklang bringen. Gleichzeitig braucht es eine neue Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung; weg von starren Modellen, hin zu Lebensrealitäten, die Vielfalt ernst nehmen. Arbeitszeitmodelle müssen den Menschen dienen, nicht umgekehrt.

Ebenso zentral ist die strategische Weiterentwicklung von Qualifikationen. Weiterbildung darf nicht mehr punktuell verstanden werden, sondern als kontinuierlicher Prozess, der Mitarbeitende für den digitalen Wandel befähigt und das Unternehmen zukunftsfähig hält. Parallel dazu gilt es, eine Führungskultur zu etablieren, die auf Vertrauen, Dialog und geteilte Verantwortung setzt. Führungskräfte der Zukunft agieren nicht als Kontrollinstanzen, sondern als Enabler.

Und schließlich müssen Unternehmen internationale Talente gezielt ansprechen und ihnen nicht nur eine Anstellung, sondern echte Integrationsperspektiven bieten; sprachlich, kulturell und sozial. Denn in einer zunehmend vernetzten Arbeitswelt ist Vielfalt keine Bürde, sondern ein strategischer Vorteil.

Diese Schritte erfordern Mut. Mut zur Disruption von Routinen. Mut zur Investition in Technik und Training. Vor allem aber: Mut zum Menschen.

 

Zukunft ist keine Verlängerung der Vergangenheit

Die Global Workforce Crisis zwingt uns zum Umdenken. Unternehmen, die Workforce Management als kulturelle Innovation verstehen, haben nicht nur die besseren Tools; sie haben die besseren Chancen. Weil sie nicht warten, bis der Mangel sie lähmt, sondern gestalten, bevor er sie trifft.

Wer Mensch und Maschine zusammendenkt, wer Sinn, Daten und Dialog verbindet, der macht aus einem Problem eine Perspektive. Die Zukunft der Arbeit beginnt dort, wo Effizienz nicht das Ziel ist, sondern der Mensch.

Dr. Sebastian Vogl, Workforce-Management-Spezialist, Managing Director bei ATOSS Software SE

 

Der Beitrag bündelt zentrale Erkenntnisse des ATOSS Workforce Management Day 2025. Die Konferenz brachte Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und HR-Tech zusammen, um die drängendsten Herausforderungen rund um den globalen Fachkräftemangel zu analysieren und praxisnahe Lösungsansätze zu diskutieren. Im Zentrum standen smarte Workforce-Strategien, der produktive Einsatz von Technologie und das Zusammenspiel von Mensch und KI als Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Arbeitswelt.

 

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