Operational Excellence: Überwindung traditioneller Strukturen

Illustration Absmeier foto freepik ki

Die Rolle von Operational Excellence bei der Transformation stärken.

Jedes vierte Unternehmen im Finanzdienstleistungs- und Immobiliensektor hat in den vergangenen zwei Jahren seine Digitalisierungsziele verfehlt. Häufig, weil sie ihre Prozesse vernachlässigen, wie Patrick Giesen beobachtet. Der Partner und Head of Business Process Automation im Bereich Financial Services bei KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sagt, dass sich die Rolle der Operational Excellence und damit die Sicht auf Prozesse komplett verändern muss. Nicht mehr das Ziel dürfe im Fokus stehen – sondern der Weg dorthin. Hier erklärt er, was er damit meint.

 

Es wirkt wie ein Widerspruch, den die Lünendonk-Studie für KPMG offenbart [1]. Und ehrlich gesagt: Es ist auch einer. Zwar wird der Beitrag der Operations für den Unternehmenserfolg von den befragten Finanz- und Immobilienunternehmen als hoch eingeschätzt. Gerade die Steigerung der Prozesseffizienz (74 %), ein hochwertigeres Kundenerlebnis (74 %) und die Entlastung der Mitarbeitenden (71 %) werden demnach mit Operational Excellence verbunden. Allerdings sind die Operations nur in jedem zweiten Unternehmen bereits vollständig in die Wertschöpfungskette integriert – vom Anfang bis zum Ende. Das passt nicht zusammen.

Da überrascht es kaum, dass in den vergangenen zwei Jahren die allermeisten Unternehmen die Ziele ihrer Digitalisierungsprogramme nicht vollständig erreicht haben. Ganz im Gegenteil: Jedes vierte Unternehmen hat sie sogar verfehlt. Sie sprechen den Operations eine wesentliche Rolle für das Erreichen ihrer Ziele zu, kümmern sich letztendlich aber zu wenig um deren Optimierung. Gerade einmal 29 Prozent der Befragten nehmen ihre Prozesse als gut aufgestellt wahr.

 

In Silos sind sie super

Das klingt zwar schlecht, muss aber in Wahrheit nicht unbedingt eine schlechte Nachricht sein. Denn wenn den Befragten die Bedeutung der Prozessoptimierung bereits bewusst ist und es bei ihnen nur noch an der Umsetzung hapert, schlummert in diesem Bereich jede Menge Potenzial, das Unternehmen nutzen können.

Aber wie kann ihnen das gelingen? Auf diese Frage liefert die Lünendonk-Studie Antworten. So ist es zwar der erklärte Wunsch der befragten Unternehmen, ihre Prozesse Ende-zu-Ende, also einmal entlang der kompletten Wertschöpfungskette, zu steuern. Das ist unter anderem daran zu erkennen, dass immerhin bereits 61 Prozent der Betriebe E2E-Gesamtverantwortliche und 52 Prozent eine initiale Prozesssteuerung etabliert haben. Von ihren hierarchisch geprägten Strukturen hat sich allerdings gerade einmal etwas mehr als ein Drittel der Institutionen verabschiedet.

Diese Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr und ist auch in Teilen nachvollziehbar. Schließlich hat sich die Branche jahrelang damit beschäftigt, ihre Hierarchien zu festigen und mit eindeutigen Zuständigkeiten zu operieren. Mit anderen Worten: Viele Unternehmen sind aufgrund traditioneller Organisationsstrukturen gut darin, sich innerhalb von Silos zu optimieren. Allerdings scheitern sie häufig daran, über Silogrenzen hinweg effiziente, digitale Lösungen zu finden. Und damit ist das größte Problem schon beim Namen genannt.

 

Vom kleinen Use Case zum großen Ziel

Silos sind der natürliche Feind eines jeden Digitalisierungsprojekts. Durch derartiges Denken werden notwendige organisatorische Integrationsleistung etwa durch begleitendes Change- oder Transformations-Management unterschätzt. Das führt dazu, dass Projekte ins Stocken geraten – und Ziele letztendlich verfehlt werden. Wer also die Digitalisierung innerhalb der Organisation vorantreiben und Ende-zu-Ende-Prozesse etablieren will, muss sich von seinen historisch gewachsenen Strukturen verabschieden.

Es braucht dafür zunächst auch gar nicht den ganz großen Wurf. Schließlich steht zu Beginn nicht zwingend das Digitalisierungsziel im Fokus, sondern der Weg dorthin. Anders gesagt: Nicht das Ergebnis ist das Ziel, sondern der Prozess. Und dieser beginnt mit dem Wechsel hin zur Ende-zu-Ende-Orientierung sowie der Entwicklung eines Zielbildes – von der Aufbauorganisation bis zur Technologie, mit der dieses Ziel erreicht werden soll. Die Umsetzung erfolgt schließlich zuerst mit kleinen, in sich geschlossenen Use Cases, deren Erfolg möglichst objektiv und mit Blick auf die gesamtheitliche Transformation evaluiert wird. Wo sinnvoll, kann dann vertikal, gleichartig und horizontal oder anknüpfend skaliert werden. Ist der Prozess geglückt, können daraufhin weitere Use Cases umgesetzt und das Zielbild weiter geschärft werden.

 

Der Mensch wird zum Steuermann

Damit das gelingt, muss sich die Sicht auf Prozesse komplett verändern. Weg von vertikalen Strukturen hin zu multifunktionalen Einheiten, sogenannten Center of Ecxellence (CoE). Diese auf Prozessoptimierung ausgerichtete Einheit nimmt die Ende-zu-Ende-Ketten in den Blick. Sie arbeitet mit Systemen, die modular aufgebaut sind und durch den Einsatz von Workflows und künstlicher Intelligenz (KI) regelmäßige Aufgaben automatisiert durchführt. Die Mitarbeitenden haben die Aktivitäten über ein zentrales Prozessdashboard im Blick und übernehmen eher eine vorgebende und steuernde als eine durchführende Rolle. Eingriffe erfolgen nur noch, wenn es zu Abweichungen von der Regel oder anderen Auffälligkeiten kommt. Auf diese Weise wird die Operations-Funktion schneller, flexibler und intelligenter – und zum Wettbewerbsvorteil.

Die gute Nachricht: Mit Blick auf die Lünendonk-Studie haben das die meisten Unternehmen bereits erkannt. Sie wissen um die Bedeutung von Operational Excellence und wollen sie stärker als bisher nutzen, um ihre Digitalisierungsziele zu erreichen. Die schlechte Nachricht: Der Druck steigt – und der Weg ist noch weit.

[1] https://hub.kpmg.de/de/operational-excellence-als-schluessel-fuer-eine-erfolgreiche-digitale-transformation

 

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