35 Jahre Deutsche Einheit: Wie geht es der Wirtschaft in Ostdeutschland?

Die ostdeutschen Bundesländer können auch 34 Jahre nach der Wiedervereinigung wirtschaftlich in absehbarer Zeit nur zu den schwächeren Westländern aufschließen. In vielen Bereichen ist der Abstand noch groß, wie die Statista-Berechnung auf Basis ausgewählter wirtschaftlicher Kennzahlen zeigt. Ausnahme sind die gewerblichen Existenzgründungen, allerdings nur weil bei den neuen Ländern Berlin inkludiert ist und die gewerbliche Gründungsintensität hier besonders hoch ist.

Problematisch ist weiterhin, dass es im Osten insgesamt zu wenig Personal im Bereich Forschung und Entwicklung (»FuE«) gibt. Viele Unternehmen hätten nur wenig Mitarbeiter, die mit der Entwicklung von neuen Produkten und Verfahren befasst seien. Weiterhin liegt die Arbeitslosenquote noch immer über der im Westen, gleichwohl ist sie in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gesunken. Dass die Wirtschaft in Ostdeutschland in vielen Bereichen noch nicht vollständig zu der im Westen aufschließen konnte, hat unter anderem auch mit der Altersverteilung zu tun.

Die Wirtschaftskraft liegt auf Einwohner gerechnet im Osten noch rund 25 Prozent unter der des Westens. Die Arbeitnehmerentgelte liegen im Osten im Schnitt noch 10 Prozent unter denen Westdeutschlands. Außerdem – in der Grafik aus Datenaktualitätsgründen nicht gezeigt – fällt schwer ins Gewicht, dass die Pro-Kopf-Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen oder Produktionsanlagen im ostdeutschen Durchschnitt zuletzt gerade einmal gut 64 Prozent des Westniveaus betrugen. Dadurch kann die Industrie in den kommenden Jahren wenig dazu beitragen, dass sich der Osten wirtschaftlich stark weiterentwickelt. Matthias Janson

https://de.statista.com/infografik/23015/wirtschaftliche-kennzahlen-fuer-ostdeutschland/?lid=y2jqitrt335x

 

AfD schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland

foto freepik ki

Die Aussichtslage für die Bundestagswahl ist unübersichtlich. Viele Kommentatoren befürchten, dass radikale Kräfte und besonders die AfD zu den Gewinnern gehören könnten. Dabei sind deren ökonomische Vorschläge hochproblematisch für die deutsche Volkswirtschaft, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die im Auftrag der Unternehmensinitiative »Vielfalt ist Zukunft« entstanden ist [1].

 

Keine Partei plant so umfangreiche Steuersenkungen wie die AfD: In ihrem Wahlprogramm wirbt sie mit Steuergeschenken von 181 Milliarden Euro, umgerechnet 20 Prozent der Gesamtsteuereinnahmen. Dadurch wäre die staatliche Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt. Dies gilt umso mehr, da die Partei eine deutliche Rentenerhöhung auf 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens fordert – inklusive eines Steuerzuschusses zur Rentenversicherung.

Besonders gefährlich für den Standort ist nach wie vor die Forderung, dass die Bundesrepublik aus dem Euro und womöglich sogar aus der EU austreten soll. Die Kosten eines Dexit würden nach nur fünf Jahren 5,6 Prozent des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) – umgerechnet 690 Milliarden Euro – betragen, zeigen IW-Berechnungen. Damit würden 2,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen. Die ökonomischen Folgen eines Austritts aus der Gemeinschaftswährung kämen noch hinzu.

Ausländische Beschäftigte bringen Wirtschaft voran

Problematisch ist auch die Wirkung der AfD auf potenzielle Zuwanderer: Die Demografie-Entwicklung kann nur mit ausländischen Erwerbstätigen ausgeglichen werden. Deutschlandweit erwirtschaften die 6,7 Millionen ausländischen Beschäftigen schon heute 13,2 Prozent der Bruttowertschöpfung. Nimmt man die vor- und nachgelagerten Impulse dieser Tätigkeiten hinzu, steigt deren wirtschaftliche Bedeutung sogar auf 16,9 Prozent, das entspricht einer Wertschöpfung von 648 Milliarden Euro. Besonders in Ostdeutschland haben ausländische Beschäftigte die Wirtschaft vorangebracht: Ohne Drittstaaten-Zuwanderung hätte es hier keine Zuwächse bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung in den vergangenen Jahren gegeben.

Unternehmer geben der AfD-Energiepolitik Note 5

In der Energiepolitik kombiniert die AfD Windrad-Abbau, Kernenergie-Wiedereinstieg und eine Reparatur von Nordstream II mit Abgaben- und Steuerentlastungen. Die deutschen Unternehmen überzeugt dieses Angebot nicht: 67,2 Prozent erkennen im langfristigen Erstarken der Partei ein Risiko für die Transformationspolitik; nur sieben Prozent eine Chance. Von der Wirtschaft gibt es für die AfD-Energiepolitik ein glattes »mangelhaft« – Schulnote 5.

»Die AfD ist nicht nur eine Gefahr für den Standort, sondern sie vergiftet auch den Diskurs«, sagt Studienmitautor Knut Bergmann. »Mit Begriffen wie ›Remigration‹ oder ›The Great Reset‹ dockt die Partei bewusst an extrem rechte und verschwörungstheoretische Narrative an.« Unternehmen und Verbände trauen der Partei keinen positiven politischen Beitrag zu: »Das spiegelt sich auch im großen Engagement der deutschen Wirtschaft für Vielfalt, Weltoffenheit und Toleranz wider«, sagt IW-Hauptstadtbüroleiter Bergmann.

Knut Bergmann / Matthias Diermeier

 

[1] https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/2025/IW-Gutachten_2025-Vielfalt-ist-Zukunft.pdf

 

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Das deutsche Bildungssystem muss sich ändern, um besser auf die schnellen Veränderungen in der Gesellschaft vorzubereiten. Das ist eine zentrale Empfehlung des heute in Berlin organisierten Bildungspolitischen Forums 2025. »Für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft ist es essenziell, das ›Lernen zu lernen‹ – also die Fähigkeit, sich immer wieder neue Fähigkeiten anzueignen, die am Arbeitsmarkt benötigt…

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Der Anteil sehr guter Abiturnoten ist in den letzten 18 Jahren deutlich angestiegen. Im Jahr 2024 liegt der Anteil der Noten im Bereich von 1,0 bis 1,9 bei 30,7 Prozent – ein deutlicher Zuwachs gegenüber den 20,1 Prozent im Jahr 2006. Der Anteil von weniger guten Noten im Bereich von 3,0 bis 4,0 ist dagegen…

Deutschland muss KI-tauglich werden

Künstliche Intelligenz wird entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands – doch die Stimmung in der Branche ist ernüchternd. Laut dem aktuellen eco Branchenpuls sehen nur 10 Prozent der IT-Entscheider Deutschland gut gerüstet für die nächste KI-Revolution. Die Mehrheit stuft den Stand der Digitalisierung als mangelhaft ein – ein Drittel vergibt sogar die Schulnote 6. Ost-West-Gefälle: In…

Beschäftigtenwachstum trotz schwachem Wirtschaftswachstum

Von 2023 bis 2028 wird ein durchschnittliches jährliches Beschäftigtenwachstum von 1,2 Prozent erwartet, maßgeblich gestützt durch eine steigende sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, insbesondere bei älteren Personen. Politische Maßnahmen zur Verlängerung der Erwerbstätigkeit sind entscheidend. Der demografische Wandel wird durch Zuwanderung fast ausgeglichen, wobei qualifizierte Zuwanderung notwendig bleibt, um ausscheidende Arbeitskräfte zu ersetzen. Verbesserte Integration, schnellere Visavergabe und…

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In Deutschland ist die Geburtenbilanz seit vielen Jahren negativ. Das zeigt die Infografik von Statista auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamts. Den letzten Geburtenüberschuss gab es demzufolge im Jahr 1971 − seitdem übersteigt die jährliche Zahl der Todesfälle die der Geburten. Im letzten Jahr standen den 677.117 Neugeborenen 1.007.758 Todesfälle gegenüber – dadurch ergibt…

KI-Analyse der EZB-Kommunikation verbessert Zinsprognose

KI-Modell analysiert Kommunikation der Europäischen Zentralbank – Ermittelter Kommunikationskursindikator in Verbindung mit ökonomischen Indikatoren verbessert Prognose künftiger Zinsschritte – Aktuell hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit spricht für vorsichtiges Vorgehen der EZB.   Die Kommunikation der Europäischen Zentralbank (EZB) enthält Informationen über den zukünftigen geldpolitischen Kurs, deren Analyse Zinsprognosen erlaubt. Mithilfe künstlicher Intelligenz können diese Prognosen noch verbessert…

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Arbeitsmarkt – Lücken schließen

Bis 2034 fehlen 178.000 Arbeitskräfte im Maschinenbau. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen bald in Rente, junge Arbeitskräfte rücken kaum nach. Damit gerät auch das deutsche Rentensystem zunehmend in eine Schieflage. Was die Politik tun kann, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Impuls-Stiftung für den Maschinenbau, den Anlagebau und die Informationstechnik.

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75 Jahre Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar

Vor 75 Jahren wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland erlassen. Es ist die Verfassung auf der unser Land, wie wir es heute kennen, seit jeher fußt. In den insgesamt 146 Artikeln finden sich allgemeine Regelungen zu Bund und Ländern, Verfassungsorganen, Gesetzgebung, Rechtsprechung und dem Finanzwesen. Der wohl wichtigste Bestandteil des Grundgesetzes sind die in den ersten 19…

Je größer das KI-Modell, desto höher der Energiebedarf

Wie Embedded-KI zur Reduzierung des Stromverbrauchs beiträgt und gleichzeitig die Effizienz fördert. Der ungeheure Energiebedarf von künstlicher Intelligenz (KI) gerät zunehmend in den Blickpunkt der Diskussion. Kein Wunder, schon 2019 warnte eine US-Studie davor, dass allein das Training eines einzigen neuronalen Netzwerks so viel CO2-Emissionen verursacht wie fünf (konventionelle) Autos. Allein das Training des GPT-3…