Am 1. August 2024 tratt der AI Act der Europäischen Union in Kraft [1].
Hier ein Auszug des Kommentars von Bitkom-Präsident Dr. Ralf Wintergerst [2]: »[…] Ob Deutschland und Europa zu Innovationsstandorten für künstliche Intelligenz oder zu Nachzüglern werden, hängt entscheidend von der weiteren Ausgestaltung und Umsetzung des AI Acts ab. Die Umsetzung darf nicht zur Hängepartie für Unternehmen werden: Lange Rechtsunsicherheit, unklare Zuständigkeiten und aufwendig bürokratische Prozesse in der Umsetzung des AI Acts würden europäische KI-Innovation behindern. Ziel muss sein, den Einsatz von KI sowohl in Wirtschaft und Verwaltung als auch in der Gesellschaft konsequent voranzubringen. Das kann nur gelingen, wenn die Umsetzung bürokratiearm und praxisnah erfolgt. […].«
Die proALPHA Studie »Deutscher Mittelstand im Regulierungskorsett« [3] aus dem März dieses Jahres bestätigt die Position des Bitkom und zeigt das Stimmungsbarometer unter 200 mittelständischen Unternehmen aus Deutschland zu den Auswirkungen sie betreffender aktueller sowie künftiger gesetzlicher Regulatorik – explizit auch zum AI Act:
- Auch wenn die überwiegende Mehrheit (68 Prozent) der mittelständischen Unternehmen in Deutschland das Korsett der nationalen und europäischen Regulatorik als zu eng geschnürt empfindet, geben 64 Prozent der befragten Mittelständler in Deutschland an, dass der von der Europäischen Union beschlossene AI Act – auch wenn ungenügend – ihnen zumindest einen Rahmen für ein gewisses Maß an Rechts- und Planungssicherheit bietet.
- Generell befürworten drei von vier (72 Prozent) der befragten Mittelständler mehr Pragmatismus anstatt politikgetriebener Moralisierung zugunsten der wirtschaftlichen Fortentwicklung.
- Vor allem kleinere Unternehmen sehen sich durch den EU AI Act bei ihren Innovationen ausgebremst. Das sagen zumindest 41 Prozent der befragten Unternehmen mit bis zu 100 Mitarbeitenden im Vergleich zu den größeren mit bis zu 500 Mitarbeitenden (24 Prozent stimmen hier zu).
- Fertigungsindustrie vom EU AI Act besonders betroffen: Die Studie zeigt auch, dass der AI Act der Europäischen Union besonders für die produzierende Industrie als Innovationsbremse (38 Prozent im Vergleich zu 32 Prozent im Branchendurchschnitt) gesehen wird. Auch wollen in der Fertigung mehr Unternehmen (34 Prozent im Vergleich zu 26 Prozent im Branchendurchschnitt) ihre Produktion aufgrund des EU AI Acts ins Ausland verlagern. Weitere 32 Prozent (im Vergleich zu 28 Prozent im Branchendurchschnitt) stimmen der Aussage zu, dass Deutschland aufgrund dieses Gesetzes seine führende Position im internationalen Wettbewerb einbüßt.
»Oft schießt die Politik über ihr Ziel hinaus. Das zeigt unsere Umfrage etwa beim Thema Nachhaltigkeit oder Lieferkette«, so Michael Finkler, Geschäftsführer Business Development bei proALPHA. »Daher sollten sich Politiker immer auch die Frage stellen, inwiefern gut nur gut gemeint ist und wie sich für Wirtschaft und Gesellschaft ein wirklich nachhaltiges Ergebnis erzielen lässt. Das ist ein bisschen wie in der Schule: Gibt es zu viele Regeln und Vorgaben, besteht die Gefahr, dass sie gerade deswegen weniger Beachtung finden.«
Der Wunschzettel des deutschen Mittelstands an die Politik
Auf die Frage, wie die Politik Unternehmen (mehr) unterstützen könnte, ergibt sich laut der proALPHA-Studie im Mittelstand in Deutschland jedenfalls folgendes Stimmungsbild:
- Größere Transparenz, Planungssicherheit und Klarheit über die zukünftige Zielsetzung – etwa in den Bereichen Nachhaltigkeit, Lieferkette und künstliche Intelligenz (37 Prozent)
- Vereinfachung des Steuersystems durch weniger Bürokratie und höhere Pauschalen (35 Prozent)
- Kostenausgleich für den erhöhten Administrationsaufwand (33 Prozent)
- Prämien für klimafreundliche Investitionen und bessere Abschreibungsmöglichkeiten (30 Prozent)
- Weniger Regulierung insgesamt (29 Prozent)
- Neue Investitionsanreize, um Deutschland als Standort wieder attraktiver zu machen (29 Prozent)
- Einbindung mittelständischer Unternehmen bei der Gestaltung der Regularien (28 Prozent)
- Ressourcen für die Fortbildung von Mitarbeitenden zu den Regularien (27 Prozent)
[1] eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=OJ:L_202401689
[2] www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Bitkom-zum-Inkrafttreten-des-AI-Acts
[3] www.proalpha.com/de/whitepaper/2405/mittelstand-regulatorik
Der AI Act und der deutsche Mittelstand: Eine Analyse der Auswirkungen
Mit dem Inkrafttreten des AI Act am 1. August 2024 betritt die Europäische Union Neuland in der Regulierung von künstlicher Intelligenz (KI). Dieses Gesetz stellt einen Meilenstein dar, da es erstmalig einen rechtlichen Rahmen für den Einsatz und die Entwicklung von KI-Technologien bietet. Für den deutschen Mittelstand, der das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet, bringt der AI Act sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich.
Der AI Act folgt einem risikobasierten Ansatz, der KI-Systeme in verschiedene Risikokategorien einteilt. Diese Einteilung ist entscheidend, da sie bestimmt, welche Anforderungen an die jeweiligen Systeme gestellt werden. Für mittelständische Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre KI-Anwendungen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls anpassen müssen, um den neuen Vorschriften zu entsprechen.
Ein zentraler Aspekt des AI Act ist der Schutz der Grundrechte und der Sicherheit der Bürger. KI-Systeme, die als hochriskant eingestuft werden, wie solche, die in sensiblen Bereichen wie Gesundheit oder Verkehr eingesetzt werden, unterliegen strengen Auflagen. Dazu gehören Qualitätsprüfungen, menschliche Aufsicht, Transparenzpflichten und Dokumentationserfordernisse. Für den Mittelstand bedeutet dies, dass Investitionen in Compliance und die Schulung von Mitarbeitern unerlässlich werden, um den neuen regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden.
Die neue Regulierung kann jedoch auch als Katalysator für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit dienen. Der AI Act schafft Klarheit und Rechtssicherheit, was für Unternehmen, die in KI investieren möchten, von Vorteil ist. Dies könnte insbesondere für mittelständische Unternehmen eine Chance sein, ihre Marktposition zu stärken und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Der TÜV-Verband hat bereits einen Compliance-Check für KI angekündigt, der Unternehmen dabei unterstützen soll, die Anforderungen des AI Act zu erfüllen.
Es ist jedoch wichtig, dass der Mittelstand die Unterstützung erhält, die er benötigt, um von den Vorteilen des AI Act profitieren zu können. Dies umfasst finanzielle Förderungen, Zugang zu Fachwissen und technologischen Ressourcen. Die Bundesregierung plant, mit zwei KI-Zentren das Entwicklungstempo und die Sicherheit für künstliche Intelligenz aus Deutschland zu erhöhen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der AI Act eine neue Ära in der KI-Regulierung einläutet, die den deutschen Mittelstand vor Herausforderungen stellt, aber auch bedeutende Möglichkeiten bietet. Es wird darauf ankommen, wie schnell und effektiv mittelständische Unternehmen die neuen Regelungen umsetzen und für sich nutzen können. Der AI Act könnte somit ein wichtiger Schritt sein, um Deutschland als führende Nation in der KI-Technologie zu etablieren.
Genki Absmeier
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