Fachkräftemangel abfedern – Routine automatisieren mit KI

Die Arbeitslast steigt, die Belegschaft schrumpft – in Zeiten des demographischen Wandels sind Kapazitätsengpässe für viele Unternehmen zum neuen Status quo geworden. Während sich erfahrene Mitarbeiter in den Ruhestand verabschieden, erschwert der zunehmende Fachkräftemangel die Kompensierung oder gar Ausweitung der personellen Ressourcen. Als letzte Stellschraube für mehr Effizienz bleibt da oft nur die Technologie. Sie eröffnet Wege für höhere Automatisierungsgrade im Tagesgeschäft – etwa durch eine geschickte Kombination von Process Mining und KI.

Ob manuelle Rechercheaufgaben, stupide Datenübertragungen oder die Bearbeitung der immer selben Standardprozesse: Ein zentraler Flaschenhals in der Effizienz von Unternehmen sind zeitraubende, immer wiederkehrende Routinetätigkeiten, wie sie sich im Tagesgeschäft gerade bei Bestellungen, der Verarbeitung von Service-Fällen oder bei der Freigabe von Werkstattaufträgen finden.

Mitarbeiter verlieren dadurch wertvolle Zeit, die wiederum für die eigentlich wertschöpfenden Aspekte ihrer Zuständigkeiten fehlt. Was Unternehmen deshalb benötigen, sind Mittel und Wege, Aufgaben wie diese auf effiziente Weise zu identifizieren und idealerweise softwaregesteuert zu automatisieren. Vor allem der Einsatz von KI-Technologien bietet dazu effiziente Möglichkeiten, insbesondere wenn Unternehmen mit einem vorausgehenden Process Mining eine solide Datenbasis für die intelligenten Algorithmen schaffen.

Automatisierungsmöglichkeiten identifizieren. Vor der eigentlichen Prozessautomatisierung gilt es zunächst, die Abläufe in der täglichen Arbeit zu identifizieren, die sich für eine Automatisierung durch KI tatsächlich eignen. Dazu empfiehlt es sich, die realen Abläufe in der täglichen Unternehmenspraxis mithilfe von Process Mining anonymisiert zu beobachten und zu dokumentieren. Idealerweise sollte dieser Prozess über einen Zeitraum von etwa drei bis vier Monaten erfolgen, um eine solide Datengrundlage für die KI zu erhalten.

Im Kontext einer Standardbestellung etwa erfasst die Technologie Faktoren wie die Zeitdauer zwischen dem ersten Auftreten des Bedarfs und der Abgabe der Bestellung, oder die Anzahl der Arbeitsschritte, die durchlaufen werden, bis die Aufgabe erfolgreich abgeschlossen ist. Vergeht durchschnittlich nur sehr wenig Zeit vom Öffnen der entsprechenden Maske bis zur Finalisierung der Bestellung, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen einfachen Ablauf, der gut an eine künstliche Intelligenz übergeben werden könnte. Dauert der Prozess hingegen lang, werden immer wieder neue Fenster zur Klärung von Details geöffnet oder Rückfragen an Kollegen verschickt, liegt unter Umständen ein komplexerer Fall vor, der menschliches Denkvermögen zur korrekten Bearbeitung erfordert.

Die ermittelten Prozessdaten können dann mit zusätzlichen Parametern in Korrelation gesetzt werden, etwa Lieferant, Liefertermin oder Zahlungsbedingungen. Das ermöglicht es der künstlichen Intelligenz wiederum, Muster in den Prozesseigenschaften zu erkennen, die auf eine hohe Automatisierbarkeit der jeweiligen Aufgabe hindeuten. Auf Wunsch kann die intelligente Technologie dann so konfiguriert werden, dass sie die identifizierten Routineaufgaben künftig selbstständig erledigt.

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Gerade letzterer Schritt ist für viele Unternehmen jedoch nicht selten die größte Herausforderung für eine effiziente Prozessautomatisierung. Können geschäftliche Handlungen – auch mit finanziellen Folgen – -tatsächlich ohne letzte Kontrollinstanz einer künstlichen Intelligenz überlassen werden? Eine berechtigte Frage, denn zumindest nach aktuellem Stand der Technik ist künstliche Intelligenz nicht in der Lage, zu »verstehen«, was sie gerade tut, oder konkret Auskunft darüber zu geben, wie genau sie zu einer bestimmten Entscheidung kommt.

Ein blindes Vertrauen in die Technologie ist dabei im ersten Schritt jedoch gar nicht notwendig. Vielmehr hat es sich bewährt, den entsprechenden Algorithmus zunächst derart zu konfigurieren, dass die Ergebnisse lediglich in Empfehlungsform ausgesprochen werden, welche die zuständigen Mitarbeiter annehmen oder ablehnen können, bevor die Automatisierung beginnt. So verbleibt die Entscheidungshoheit zu jedem Zeitpunkt beim Menschen, während das System durch das jeweilige Feedback kontinuierlich dazulernt und sich weiter verbessert.

Gleichzeitig können Unternehmen so Schritt für Schritt Vertrauen in die intelligente Technologie aufbauen. Unterbreitet der Algorithmus über Monate hinweg Vorschläge, deren Korrektheit die Mitarbeiter durchwegs bestätigen, können Unternehmen darüber nachdenken, schließlich doch auf den Zwischenschritt zu verzichten und die jeweiligen Prozesse vollständig an die künstliche Intelligenz zu übergeben.

Mitarbeiter mitnehmen. Der Aufbau von Vertrauen ist ein entscheidender Schritt im Verlauf eines KI-Projekts, denn wie bei jeder großen technologischen Innovation steht und fällt der Erfolg mit der Akzeptanz der Mitarbeiter. Entscheidend ist es daher, entsprechende Szenarien mit Zustimmung und Unterstützung der Belegschaft zu realisieren sowie möglicherweise bestehende Ängste oder Befürchtungen ernst zu nehmen und aktiv abzubauen.

Dazu gehört insbesondere eine offene Kommunikationspolitik. Denn das Ziel einer intelligenten Prozessautomatisierung besteht nicht darin, Mitarbeiter mittel- oder langfristig durch KI zu ersetzen, im Gegenteil. Egal wie beeindruckend die Ergebnisse moderner Technologie auch sein mögen, eines werden Menschen dem System auf absehbare Zeit immer voraushaben: echte Denkfähigkeit und Verstand, um das große Ganze genauso wie den Einzelfall zu betrachten und tatsächlich zu verstehen. Dieser grundlegende Unterschied ist es, der die Automatisierungsfähigkeiten der KI auf Routineaufgaben beschränkt sein lässt, während Sonderfälle weiterhin nur der Mensch lösen kann.

Der Einsatz von KI zur Prozessautomatisierung zielt darauf ab, überlasteten Teams die langersehnte Luft zum Atmen zu verschaffen und es ihnen zu ermöglichen, ihre menschlichen Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen, um steigende Arbeitsaufwände effektiv zu bewältigen – auch und gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.

 


Ralf Bachthaler,
Vorstand der Asseco Solutions

 

 

Illustration: © knstart | Dreamstime.com

 

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