Agentic AI – großes Agentensterben oder Gamechanger für die deutsche Industrie?

Illustration Absmeier foto freepik ki

Warum Agentic AI für den produzierenden Mittelstand nicht zwischen Hype, Hoffnung und fehlender Umsetzungskraft verkümmern darf.

 

Laut Gartner werden bis 2027 über 40 Prozent aller Agentic-AI-Projekte eingestellt – wegen explodierender Kosten, ungeklärtem Geschäftsnutzen und mangelnder Risikokontrolle [1]. Doch was ist mit den anderen 60 Prozent?

Das Amara-Gesetz liefert vielleicht eine Antwort: Neue Technologien werden kurzfristig überschätzt, langfristig unterschätzt. So auch bei Agentic AI – die heutigen Auswirkungen sind begrenzt, doch langfristig wird sie Arbeitsabläufe, Entscheidungsprozesse und operative Effizienz grundlegend transformieren [2].

Entscheidend ist daher: Was muss der produzierende Mittelstand beachten, damit AI-Agenten im eigenen Unternehmen das Laufen lernen?

 

Zwischen visionären Powerpoint-Folien und echter Wertschöpfung klafft noch eine beachtliche Lücke

Agentic AI wird oft mystifiziert, da sie fälschlicherweise mit GenAI gleichgesetzt wird. Doch Agentic AI geht weiter – diese Systeme assistieren nicht nur, sondern agieren autonom, treffen Entscheidungen, steuern Prozesse und setzen Ziele eigenständig um, was gleichermaßen Chancen und Herausforderungen schafft. Im industriellen Kontext könnte Agentic AI beispielsweise Lagerprozesse selbstständig steuern, Lieferketten dynamisch anpassen oder Produktionsfehler proaktiv vermeiden – und damit diese Bereiche auf ein neues Niveau heben.

Agentic-Systeme versprechen Effizienzgewinne, schnellere Reaktionszeiten und einen höheren Automatisierungsgrad. Doch ihre Einführung verlangt mehr als nur technische Machbarkeit. Sie fordert ein tiefes Verständnis für Prozesse, Verantwortlichkeiten und wirtschaftliche Zielsetzungen.

Gerade der industrielle Mittelstand zeigt hier (noch) große Zurückhaltung. Verständlich, da viele Unternehmen noch nicht einmal GenAI strategisch integriert haben. Für einen echten Wandel muss AI dorthin, wo sie wirklich den Unterschied macht: in die Fachabteilungen, und weg vom »Ich-probiers-mal-aus-Modus« hinein in eine systematische Practice.

 

AI muss raus aus dem Stuhlkreis und rein in eine strategische Gesamtkonzeptionierung

Für Agentic AI gilt das noch mehr. Voreilige Projekte ohne Fokus auf Nutzen, Datenqualität, Governance und Akzeptanz verschwenden nicht nur Ressourcen, sondern verspielen Vertrauen – bei Management und Mitarbeitenden.

Das EY European AI Barometer 2025 zeigt [3]: 70 Prozent der deutschen Arbeitnehmenden befürchten Jobverluste durch AI, 36 Prozent sorgen sich um den eigenen Arbeitsplatz. Die zentrale Frage lautet daher: Ersetzt oder unterstützt AI?

Deshalb braucht es klare Haltung: Agentic AI ist weder Selbstzweck noch Allheilmittel, sondern ein Werkzeug zur Entlastung, Prozessstabilisierung und Entscheidungsbeschleunigung – aber nur bei bedachtem, strategischem Einsatz entlang klarer Mehrwertversprechen.

 

Meiner Meinung nach sind hierbei vier Faktoren entscheidend:

  1. Technologische Passung ermöglichen:
    Agentic AI benötigt Systeme, die Daten integrieren, Prozesse modular abbilden und sich flexibel erweitern lassen – etwa über standardisierte Schnittstellen für AI-Module. Ob On-premises oder Cloud – entscheidend ist die Integrationsfähigkeit in bestehende IT-Landschaften.
  2. Fachabteilungen abholen:
    Nicht die Chefetage oder die IT-Abteilung, sondern die Fachbereiche kennen die Prozesse, die Hebel und die Schwachstellen innerhalb einer Organisation am besten. Sie müssen frühzeitig eingebunden werden – durch klare Rollen, Weiterbildung, Change-Management und praxisnahe Pilotprojekte.
  3. Vertrauen und Sicherheit schaffen:
    Die menschliche Verantwortung bleibt bestehen, insbesondere bei sicherheitsrelevanten oder geschäftskritischen Entscheidungen. Vertrauen in Agentic AI entsteht durch nachvollziehbare Entscheidungsprozesse – etwa über Entscheidungsprotokolle, Quellennachweise oder visuelle Darstellungen der Argumentationskette.
  4. Wissenstransfer sicherstellen:
    Wenn ein Drittel der Fachkräfte binnen fünf Jahren in Rente geht, muss das Wissen erfahrener Meister zwingend in AI-basierte Knowledge-Systeme überführt werden. Sonst verlieren Unternehmen wertvolles Know-how – und hoffnungsvolle Agentic-AI-Projekte könnten bis 2027 vor dem Aus stehen.

Wer jetzt gezielt investiert – mit klar abgesteckten Projekten und realistischem Erwartungsmanagement – kann Agentic AI wirtschaftlich sinnvoll operationalisieren. Es geht um kluges Entscheiden, nicht um blindes Vertrauen.

Christoph Kull, President Business Applications bei Proalpha

 

[1] www.gartner.com/en/newsroom/press-releases/2025-06-25-gartner-predicts-over-40-percent-of-agentic-ai-projects-will-be-canceled-by-end-of-2027
[2] beyondbuzzwords.de/blog/interview-agentic-ai-ist-gekommen-um-zu-bleiben
[3] www.ey.com/de_de/insights/ai/ey-european-ai-barometer-2025

 

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