Das Prosumer-Zeitalter: Herausforderung und KI-Chance für Unternehmen

Illustration: Absmeier, Thirkgoz

Weitreichende Lockdowns haben einerseits die Einkaufsgewohnheiten nachhaltig verändert, andererseits den Einfluss von sogenannten Online-Prosumern gestärkt – also von Markenbotschaftern, die auch eigene Produkte kreieren. Diese Microbrands können auf neue Trends schneller als die Konkurrenz reagieren und diese daher auch besser nutzen. Um hier Schritt zu halten, sollten Verbrauchermarken deshalb auf KI-Tools setzen, die ihnen das nächste große Ding vorhersagen, so Hannes Weissensteiner, Managing Partner DACH bei Artefact.

 

Durch Covid-19 setzen Verbraucher beinahe ausschließlich auf den Online-Markt, um Einkäufe zu tätigen, doch die Entwicklung ist nicht neu, sondern hat sich vielmehr bereits seit Jahren abgezeichnet. Soziale Netzwerke sowie nutzergenerierte Inhalte sind kaum aufzuhalten, sodass Online-Prosumer – Konsumer, die auch eigene Produkte produzieren – als Microbrand-Wettbewerber immer einflussreicher geworden sind. Sie sind Trendsetter und führen Gespräche mit ihren Verbrauchern mit hoher Geschwindigkeit.

 

Damit hat sich für große Marken eine neue Herausforderung ergeben, denn ihnen fehlt oft die Agilität, hier mitzuhalten. Bei großen Marken dauert es von der Idee zum fertigen Endkundenprodukt durchschnittlich zwischen 15 und 22 Monaten. Doch in der modernen Welt können die kleinen und flexibleren Microbrands besonders Nischen schneller besetzen und für sich nutzen.

 

Im Gegensatz zu großen Marken sind sie auf Augenhöhe mit dem Markt und erkennen so lohnende Lücken zuerst. Dazu sind auch die Strukturen agiler und schneller, besonders in den Bereichen der Entscheidungsfindung und Produktentwicklung.

 

Ein Beispiel: Glossier. Gründerin Emily Weiss ist ursprünglich mit dem Prosumer Beauty Blog »Into the Gloss« gestartet. Dort hat sie viel über die Enttäuschungen ihrer Zielgruppe aus Millennials gelernt und konnte deren Bedürfnisse mit genau abgestimmten Beautyprodukten erfüllen. In nur fünf Jahren hat Glossier 150 Millionen Dollar Umsatz erzielt, mittlerweile ist das Unternehmen eine Nischen-Beautymarke mit einem Wert von 1,2 Milliarden Dollar.

 

Microbrands wie die schwedische Haarpflegemarke Maria Nila und die Hautpflege Skin Laundry werden vielleicht nicht die nächsten Marktführer, doch zusammen genommen vereinnahmen sie wichtige Marktanteile und Profite, die sonst den großen Marken zugefallen wären. Zwischen 2016 und 2017 haben kleine Unternehmen beispielsweise nur 19 Prozent der FMCG-Verkäufe ausgemacht, aber 53 Prozent des Branchenwachstums in den USA beigesteuert. Wie also können große Marken in dieser Umgebung relevant bleiben?

 

Mit KI in die Zukunft sehen

Statt die Zeit bis zur Markteinführung zu verkürzen, sollten sich Marken lieber darauf konzentrieren, ihre neuen Produkte zum richtigen Zeitpunkt zu lancieren – und zwar vor der Konkurrenz. Das bedeutet, Trends vorherzusagen, noch bevor sie überhaupt eintreten.

Ein durchaus schwieriges Unterfangen, doch dank der Flut von öffentlich und online verfügbaren Daten absolut machbar. So entsteht nicht nur ein Eindruck von dem, was der Kunde zukünftig wollen könnte – mit den richtigen Tools lässt sich sogar vorhersagen, wie sich die Interessen und Geschmäcker der Kunden in der Zukunft entwickeln werden.

Derartige Veränderungen beginnen oft im Kleinen, in der Geschäftswelt lassen sich von solchen »Microtrends« oft viel größere Megatrends ableiten, die nur Monate später im Markt auftauchen. Um das jeweilige Produkt also pünktlich fertig zu haben, gilt es, diese Microtrends zu erkennen und zu beobachten, lange bevor sie zu Megatrends werden.

 

Bei dieser Art der Trendermittlung geht es keinesfalls darum, in die Zukunft zu schauen, vielmehr muss die Aufmerksamkeit den Kunden gelten. Was interessiert diese aktuell, welche Veränderungen gibt es – mit den Antworten auf diese Fragen können die Entwicklungen der unterschiedlichen Trends sehr genau vorhergesagt werden.

 

Die traditionelle Marktforschung hat hierbei allerdings ausgedient, ist sie für die Online-Welt doch schlicht zu langsam. Ihren Platz nimmt eine neue Generation von KI-getriebenen Analyse- und Prognosetools ein, die den gesamten Prozess der Trendermittlung effizienter, wiederholbar und sehr genau macht.

 

Marketing-Intelligence-Abteilungen haben seit langem soziale sowie Suchdaten im Überfluss zur Verfügung. Ihnen fehlen jedoch schlicht die Zeit, Ressourcen und die mentale Rechenleistung, um diese Daten wirklich zu verstehen und zu nutzen. Dieses Problem kann KI lösen. In kürzester Zeit kann KI große Mengen öffentlicher Daten wiederholt analysieren und Marketingfachleuten wertvolle Echtzeiteinblicke in Markttrends geben.

 

Erste Schritte der Trendermittlung mit KI

Online Influencer sind in den meisten Fällen für neue Microtrends verantwortlich oder spiegeln sie zumindest wider. Der erste Schritt für Marken ist dementsprechend simpel: Sie müssen herausfinden, welche Influencer die wichtigsten Meinungsbilder in der Zielgruppe sind. Es ist verlockend, einfach die Influencer mit den größten Followerzahlen zu beobachten. In den seltensten Fällen sind diese jedoch auch die Urheber der Microtrends.

 

Je näher Unternehmen an die Quelle der Trends herankommen können, desto mehr Zeit bleibt ihnen natürlich auch, um das passende Produkt zu entwickeln, bevor der Microtrend wirklich den Markt trifft. Unüberwachte KI-Algorithmen, die von bereits vorhandenem Wissen über den Markt nicht beeinflusst werden, können genau diese frühen Meinungsmacher finden, deren Inhalte regelmäßig für neue, profitable Microtrends sorgen.

 

Ist diese Kerngruppe an Influencern erst einmal gefunden, gilt es, sie zu beobachten, um herauszufinden, wie die nächsten großen Trends aussehen werden. Auch an diesem Punkt gibt es dazu mehr Informationen als verarbeitet werden können. Oft gibt es tausende potenzielle Trends, die es Unternehmen schwierig machen, zu entscheiden, in welche tatsächlich investiert werden sollte.

 

Eine gute vorausschauende Intelligenz kann hier helfen: Sie sagt voraus, wie Trends sich verhalten und entwickeln werden, wenn sie auf einen größeren Markt treffen. So können Unternehmen erkennen, welche Trends echtes Potenzial haben und profitabel sind. Das erleichtert die Entscheidungsfindung deutlich.

 

Mit der Nutzung von KI und vorausschauender Intelligenz können Unternehmen den nächsten großen Trend selbstbewusst vorhersagen. Eine große Beauty-Marke könnte KI beispielsweise nutzen, um die wichtigsten Influencer zu finden und die potenzielle Profitabilität derer Themen auf Social Media zu prognostizieren. Mit diesen Einblicken in die Zukunft kann das Unternehmen dann entsprechende Produkte entwickeln, ein anderes Unternehmen erwerben oder ein bereits existierendes Produkt überarbeiten, um dann pünktlich zum neuen Megatrend die richtige Lösung bieten zu können.

 

Setzen große Unternehmen KI richtig ein, können sie genauso flexibel und agil wie Microbrands werden. Sicherlich wird der Entwicklungsprozess nicht kürzer, doch Marken können ihre Prozesse früher starten und so genau zum richtigen Zeitpunkt das fertige Produkt anbieten – und so Microbrands auf diesem Gebiet schlagen.

 

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