KMU und IT-Dienstleister: Zu groß, zu klein – oder genau richtig?

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7 Fragen, mit denen der Mittelstand seinen IT- und KI-Partner findet.

 

Deutschlands Mittelstand will digitalisieren und dabei verstärkt auf KI setzen. Technisch wäre bereits heute vieles möglich: von adaptiver Prozessautomatisierung bis zu KI-gestütztem Wissensmanagement. In der Praxis scheitern viele Projekte jedoch zumeist weniger an technischen Hürden, als an ungeeigneten Lösungsansätzen, an fehlender Detailabstimmung mit der Fachabteilung und an Unsicherheiten rund um Technologieauswahl und Regulierungen. Die wesentliche strategische Frage lautet deshalb: Welchem Partner vertraue ich, meine Wertschöpfung, meine Daten und meine Mitarbeitenden durch die Transformation zu führen?

Stefan Bär, Chief Technology Officer bei Nagarro, beantwortet im Folgenden sieben Fragen, welche helfen sollen, IT- und KI-Dienstleister kritisch zu prüfen.

 

  1. Versteht der Partner mein Geschäftsmodell, oder nur meine IT-Landschaft?

»Wer nur Systemlandschaften und Technologien sieht, übersieht häufig die zentrale Bedeutung der eigentlichen Wertschöpfung. Ein guter Partner kann Ihre Kernprozesse, Ihre Margenlogik und die wichtigsten Besonderheiten Ihrer Branche in einfachen Worten erklären, bevor überhaupt ein Angebot auf dem Tisch liegt. Auf diesem Wege orientieren sich die Lösungen an Ihrem Geschäftsmodell und nicht rein an der vorhandenen IT. Wenn Ihr Gegenüber nicht klar zurückspiegeln kann, worin Ihre Wertschöpfung liegt, wird es schwer, später zukunftsfähige Digital- und KI-Architekturen aufzubauen.«

 

  1. Spreche ich im Alltag mit Seniorberatern, oder mit einer Junior-Pyramide?

»Mittelständische Unternehmen verfügen selten über große interne Projektorganisationen. Umso wichtiger ist, wer auf Dienstleisterseite tatsächlich liefert. Entscheidend ist, ob erfahrene Beraterinnen, Projektleiter und Architektinnen von der ersten Pitch-Präsentation bis zum Go-live an Bord sind und ob Sie diese Personen in Workshops und Entscheidungsrunden wiedersehen oder nach der Angebotsphase aus dem Projekt verschwinden. Wo Seniorität nur auf der Folie existiert und die Umsetzung an wechselnde Junior-Teams delegiert wird, steigen die Risiken von Verzögerungen, Fehlentscheidungen und Reibungsverlusten deutlich.«

 

  1. Wie sieht das Delivery-Modell aus? Agil, aber mit Governance?

»Die Aussage »Wir arbeiten agil« klingt modern, sagt aber zunächst wenig aus. Für Mittelständler ist entscheidend, wie Agilität konkret ausgestaltet ist ohne den Projekterfolg zu gefährden und wie die Kontrolle sichergestellt bleibt. Klarheit braucht es etwa bei der Frage, wer ausgerichtet an einer langfristigen Produktvision das Backlog priorisiert, wie Sprints geplant und ihre Zielerreichung geprüft werden und wie mit Scope-Änderungen sowie möglichen Mehrkosten umgegangen wird. Professionelle Anbieter verbinden agile Methoden mit klar definierten Meilensteinen, nachvollziehbaren Verantwortlichkeiten und transparenten Entscheidungen. Agilität ist dann kein Freibrief für Beliebigkeit, sondern ein strukturiertes Vorgehen, das Anpassungsfähigkeit und Steuerbarkeit verbindet.«

 

  1. Wie adressiert der Partner EU AI Act, DSGVO und Security-by-Design konkret?

»EU AI Act, DSGVO und Informationssicherheit sind für KI-Projekte im Mittelstand keine Fußnote, sondern Grundvoraussetzung. Allgemeine Hinweise auf eine »Legal-Abteilung« reichen dafür nicht. Fragen Sie stattdessen, wie der Dienstleister Risiken unterschiedlicher Use Cases bewertet, insbesondere bei möglichen Hochrisiko-Anwendungen, wie er Datenflüsse systematisch modelliert und dokumentiert und wie Security- und Privacy-by-Design in Architektur, Prozesse und Tests eingebettet sind. Ein seriöser Partner bleibt nicht bei unverbindlichen Prinzipien stehen, sondern kann Ihnen für Ihr jeweiliges Vorhaben dazu konkrete Vorgehensmodelle, Vorlagen, Beispiele und klare Verantwortlichkeiten zeigen.«

 

  1. Bin ich ein großer Fisch in einem kleinen Teich, oder nur ein kleines Projekt im globalen Portfolio?

»Die Größe eines Dienstleisters ist kein Wert an sich. Wichtiger ist, welchen Stellenwert Ihr Projekt tatsächlich hat. Fragen Sie, welche Bedeutung Projekte Ihrer Größenordnung im Gesamtportfolio einnehmen und wie viele vergleichbare mittelständische Kunden der Partner betreut. Ideal sind Anbieter, bei denen Sie sichtbar und relevant sind: groß genug, um ernst genommen zu werden, und gleichzeitig klein genug, um direkten Zugang zu den entscheidenden Personen zu haben. Wo Ihr Projekt lediglich eine Randnotiz in einem globalen Portfolio ist, werden Prioritäten im Zweifel anders gesetzt als in Ihrem Sinne.«

 

  1. Wie transparent ist der Partner bei Kosten, Lock-in und Exit-Szenarien?

»Digital- und KI-Projekte schaffen fast immer Abhängigkeiten, beispielweise zu bestimmten Cloud-Plattformen, proprietären Technologien und KI-Modellen oder nutzungsabhängigen SaaS-Diensten. Die Frage ist nicht, ob solche Lock-ins entstehen, sondern wie offen darüber gesprochen wird. Ein guter Partner kann klar benennen, wo Abhängigkeiten entstehen, welche Spielräume Sie behalten und wie ein geordneter Ausstieg aussehen könnte. Dazu gehören definierte Exit-Szenarien, etwa für Datenexport, Übergabe von Code und Modellen oder strukturierten Know-how-Transfer, sowie eine vertraglich eindeutig geregelte Ownership von Daten, Modellen und geistigem Eigentum. Wer aktiv über Ausstiegsmöglichkeiten spricht, denkt meist eher im langfristigen Interesse des Kunden als ausschließlich im kurzfristigen Dienstleistungsprojekt.«

 

  1. Kann ich dem Partner fachlich und ethisch vertrauen?

»Am Ende bleibt die Wahl eines IT- und KI-Partners eine Vertrauensentscheidung. Hilfreich sind die drei Dimensionen Ability, Dependability und Integrity. Ability beschreibt, ob der Partner nachweislich erfolgreiche Projekte geliefert hat, ob es belastbare Referenzen und konkrete Ergebnisse gibt. Dependability zeigt sich darin, ob Zusagen eingehalten, Risiken offen angesprochen und Probleme früh kommuniziert werden. Integrity schließlich betrifft die Frage, wie ernst der Partner die gesellschaftlichen Auswirkungen seiner Lösungen nimmt, zum Beispiel den Umgang mit Bias, Transparenz gegenüber Nutzenden oder die Einbindung von Mitarbeitenden, deren Aufgaben sich durch KI verändern. Wo fachliche Stärke, Verlässlichkeit und Haltung zusammenpassen, kann belastbares Vertrauen entstehen.«

 

Fazit: Partnerwahl ist die eigentliche KI-Strategie

»Für den Mittelstand ist die wichtigste KI-Entscheidung häufig nicht die Wahl des Tools, sondern die Wahl des richtigen Partners. Die sieben Fragen bilden einen kompakten Stresstest für Seniorität, Regulierungskompetenz und echtes Interesse an Ihrer Wertschöpfung. Wer sie konsequent stellt, reduziert das Risiko teurer Fehlschläge und erhöht die Chance, einen Partner zu finden, dem man Wertschöpfung, Daten und Mitarbeitende tatsächlich anvertrauen kann.«

 

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