Dass aussagekräftige Daten einen zentralen Erfolgsfaktor moderner KI-Szenarien darstellen, ist hinreichend bekannt. Dass jedoch auch die digitale Abbildung von Prozessabläufen eine unerlässliche Grundlage bildet, weniger. Der ERP-Spezialist Asseco Solutions beschäftigt sich seit Jahren mit sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten der intelligenten Technologie im Geschäftskontext. Warum die Zukunft der KI in der Digitalisierung der Kernprozesse liegt und wie Unternehmen die Basis für eine erfolgreiche Umsetzung schaffen, erklärt CEO und CTO Markus Haller.
Herr Haller, laut Bitkom nutzt bereits jedes fünfte Unternehmen aktiv KI [1]. Dennoch zeichnet sich die große Trendwende für die Wirtschaft bislang noch nicht ab. Ist das Potenzial der intelligenten Technologie doch nicht so hoch wie erhofft?
Aus meiner Sicht ist dies kein Problem der Technologie selbst, sondern liegt vielmehr in den Szenarien begründet, zu denen künstliche Intelligenz genutzt wird. Gerade generative KI kommt in vielen Fälle noch immer hauptsächlich zu Hilfsarbeiten zum Einsatz, etwa um Meetings zusammenzufassen, Mailings zu erstellen oder auch bei der Entwicklung von Code-Komponenten zu helfen. Das sind alles tolle und hilfreiche Szenarien, erschließt jedoch nur einen winzigen Bruchteil der wahren Möglichkeiten der GenAI.
Tatsächlich birgt die Technologie das Potenzial, die Art und Weise völlig zu revolutionieren, wie Mensch und Maschine miteinander interagieren. Während die in der Vergangenheit meistgenutzte Form der KI, die analytische KI, mit komplexen Trainingsprozessen und Algorithmen immer zu einem hohen Grad ein Expertensystem blieb, steht GenAI – zumindest in ihrer einfachen Form –
jedem offen. Sie ermöglicht es, in natürlicher Sprache mit IT-Systemen zu interagieren, und eröffnet damit unter anderem völlig neue Bedienkonzepte für Software.
Schon bald werden wir Szenarien sehen, in denen Menschen und KI-Agenten gemeinsam an Aufgaben zusammenarbeiten. Und damit meine ich nicht das Brainstormen in einem Meeting, sondern zum Beispiel die automatisierte Verarbeitung eines Auftrags vom Eingang bis zur Produktion – die Kernprozesse der Wertschöpfung.
Markus Haller,
CEO und CTO bei Asseco Solutions
Wenn KI-Unterstützung für die Kernprozesse ein so großes Potenzial birgt, warum wird sie dann nicht schon großflächig in den Unternehmen umgesetzt?
Meiner Erfahrung nach liegt das daran, dass in den meisten Unternehmen eine entscheidende Grundvoraussetzung hierfür fehlt: Das zentrale Fundament für eine erfolgreiche KI-Nutzung in den Kernabläufen ist die digitale Abbildung der Unternehmensprozesse.
Noch immer herrscht in vielen Köpfen der Irrglaube vor, man müsse der KI nur eine genügend große Datenmenge zur Verfügung stellen und dann wird sie schon irgendwas Sinnvolles damit anfangen. Eine große Datenmenge ist wichtig, das stimmt, aber entscheidend ist, dass darüber auch die Prozesse in digital verarbeitbarer Form vorliegen.
Wer die KI zur Absatzentwicklung befragen will, muss ihr die erforderlichen Absatzzahlen zur Verfügung stellen. Wer möchte, dass die KI einen Auftrag in der Fertigung einplant, muss ihr vermitteln, welche konkreten Schritte dazu der Reihe nach erforderlich sind. Es ist ein und dasselbe Prinzip, doch während in ersterem Fall jeder sofort zustimmt, dass es ja gar nicht anders gehen kann, sind Unternehmen in letzterem Szenario immer wieder überrascht und frustriert, wenn die Prozessautomatisierung nicht auf Knopfdruck funktioniert.
Was müssen Unternehmen also konkret tun, um GenAI für ihre Kernprozesse nutzbar zu machen?
Kurz gesagt: Die eigenen Prozesse digital im System abbilden – und das in einer Sprache, die künstliche Intelligenz verstehen kann. Dazu eignet sich die Prozessabbildung mittels Business Process Model and Notation (BPMN).
Auf diese Weise entsteht dann quasi eine Prozesslandkarte, anhand derer generative KI die konkreten Schritte lernen kann, die zur Ausführung einer bestimmten Aufgabe erforderlich sind. Diese kann einen Ablauf beschreiben wie: Zuerst die erforderlichen Materialverfügbarkeiten im Lager prüfen, wenn diese vorhanden sind, Frau Müller um ihre Freigabe für den Auftrag bitten, und schließlich den Auftrag über die genutzte Feinplanungslösung in die Produktion einplanen. Wenn das erforderliche Material fehlt, Herrn Schmid aus dem Einkauf um eine Freigabe der Nachbestellung bitten.
Mit den entsprechenden Prozessinformationen gefüttert, ist dann beispielsweise ein KI-Agent in der Lage, in korrekter Weise am Prozess mitzuarbeiten, und damit ein entsprechendes Automatisierungspotenzial zu erschließen.
Je nach Unternehmensgröße ist die Prozesslandschaft jedoch schnell recht komplex, eine vollständige digitale Abbildung entsprechend aufwendig. Lohnt sich dieser Aufwand oder gibt es Alternativen?
Eine digitale Abbildung der eigenen Prozesse ist tatsächlich unerlässlich, um KI zur Bearbeitung von Kernprozessen sinnvoll zu nutzen. Und das wird die Zukunft sein. Allerdings müssen Unternehmen nicht zuerst ihre gesamte Prozesslandschaft bis ins letzte Detail kartographiert haben. Es ist genauso gut möglich, sich Schritt für Schritt von Kernprozess zu Kernprozess zu bewegen und damit nach und nach vom Automatisierungspotenzial moderner KI-Technologien zu profitieren.
Und selbst ohne den Einsatz von KI profitieren Unternehmen von einer digitalen Prozessabbildung. Denn diese legt auch die Grundlage dafür, dass menschliche User ihre Aufgaben im ERP-System deutlich effizienter bearbeiten können. Bislang müssen sich Anwenderinnen und Anwender stets selbst den besten Weg durch die verschiedenen Ansichten des ERP-Systems suchen. Eine Prozesssicht hingegen führt sie Schritt für Schritt durch die erforderlichen Abläufe. Die Geschwindigkeit zentraler Prozesse lässt sich so unserer Erfahrung nach teils verdoppeln oder gar verdreifachen, was die Mitarbeitenden enorm entlastet und sich positiv auf die Gesamteffizienz des Unternehmens auswirkt.
Die digitale Abbildung der Prozesse stellt die zentrale Grundlage für die KI-gestützte Arbeitswelt der Zukunft dar – liefert aber gleichzeitig auch schon heute unmittelbare Vorteile im Kontext von Fachkräftemangel und steigendem Wettbewerb.
Vielen Dank für das prozessuale Gespräch.
[1] https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Erstmals-beschaeftigt-Haelfte-Unternehmen-KI
Illustration: © Piotr Sikora, Saad Khan, GenAI | Dreamstime.com
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