Nachhaltigkeit: Wie Daten und KI unseren Flüssen eine Stimme verleihen

Illustration Absmeier foto freepik

Zahlreiche Regionen weltweit kämpfen mit Wasserverschmutzung, sei es durch Chemikalien oder Abwässer. In Deutschland sind aktuell 92 Prozent der Flüsse in schlechtem Zustand. Das Land verfehlt damit die Umweltziele der EU und wurde von der EU-Kommission ermahnt, Flüsse und Seen besser zu schützen. Verantwortlich für die hohe Belastung sind Nitrate und Pestizide aus der Landwirtschaft, Schadstoffe aus Industrie und Kraftwerken, Mikroplastik aus Haushalten sowie bauliche Veränderungen der Gewässer. Dies gefährdet nicht nur die Biodiversität, sondern auch die menschliche Gesundheit. Die Auswirkungen des Klimawandels führen außerdem dazu, dass unsere Wasservorräte mit der Nachfrage nicht Schritt halten können.

Deutschland muss sich verstärkt mit diesem Thema auseinandersetzen, und dabei soll die kürzlich von der Bundesregierung verabschiedete Nationale Wasserstrategie helfen. Aber die Herausforderungen sind groß, um die Wasserquellen zu erhalten. Denn aktuell werden Gewässer zu selten und nicht detailliert genug überwacht. Um die Wasserqualität intensiv zu monitoren, müssen wir moderne Technologien einsetzen. Dadurch verbessern wir die Datengrundlage und schaffen ein System, mit dem wir Veränderungen in Echtzeit erfassen können.

 

Daten und KI können zu gesunden Flüssen beitragen

Die Digitalisierung wird eine treibende Kraft sein, wenn es darum geht, Flüsse sauber zu halten und zu schützen. Derzeit erfolgt die Datenerhebung unserer Flüsse über das sogenannte Geo-Reporting. Dabei werden meist einmal im Monat Flussdaten erhoben. Aber auch Flüsse unterliegen Ebbe und Flut, und ihre Eigenschaften und der Verschmutzungsgrad ändern sich nicht nur monatlich, sondern im Minutentakt. Daher ist es unmöglich, mit dieser Methode eine umfassende Aussage über den Gesamtzustand eines Gewässers zu treffen.

Technologien wie künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning (ML) ermöglichen einen Einstieg in Echtzeitprognose und -überwachung. Autonome Sensoren können den Verschmutzungsgrad und Fischpopulationsdichte von Flüssen präzise messen und an vielen Flussabschnitten platziert werden. Kombiniert mit Überflugbildern und Satellitendaten lässt sich aus den Daten ein ganzheitliches Profil des Flusszustands erstellen.

Wasserversorgungsunternehmen sind zwar verpflichtet, den Gehalt an Giftstoffen und Bakterien in ihren Wasserquellen zu messen; eine Aufrüstung der notwendigen Infrastruktur ist jedoch mit hohen Kosten verbunden, was bisher umfassende Messungen verhindert hat. Anstatt deutlich mehr Sensoren einzusetzen, kann ein intelligenter KI-Ansatz die Daten der vorhandenen Messstellen besser auswerten. Tools und ML-Algorithmen nutzen die Erkenntnisse, um die Veränderungen zwischen den Sensoren genau vorherzusagen. In Bezug auf die Infrastruktur können diese innovativen Modelle auch Lecks in Wasserleitungssystemen erkennen, beispielsweise wenn der Druck zwischen Leitungen abfällt.

 

Belastungen durch Chemie und Abwässer besser erkennen

Zusätzlich verursachen Stickstoff- und Phosphorverschmutzungen Algenblüten und Sauerstoffmangel, die sich auf die Unterwasserwelt und Umwelt auswirken. KI und fortschrittliche Videoverarbeitung können helfen, schädliche Algenblüten frühzeitig zu erkennen. Sie können auch den Kohlenstoff-, Sauerstoff- und Nährstoffgehalt eines Flusses quantifizieren, um bei Bedarf einzugreifen und die Flüsse zu stabilisieren.

Außerdem belasten Abwässer unsere Flüsse. Derzeit muss Abwasser nur zu 85 Prozent gereinigt werden. Die größte Herausforderung für Kläranlagenbetreiber ist dabei der hohe Energiebedarf der Anlagen. Die Einführung von Echtzeit-Überwachungssystemen für die Anlagenverwaltung (Equipment Asset Management/EAM) kann zu erheblichen Energieeinsparungen führen und ermöglicht eine bessere Reinigung des Wassers. Gleichzeitig ist es möglich, durch die Integration von KI-Funktionen in den Klärprozess schädliche Inhaltsstoffe in der Schlammentsorgung zu identifizieren. So können Ursachen erkannt und Giftstoffe entfernt werden, bevor sie in die Flüsse gelangen.

 

Den systematischen Wandel fördern

Der Schlüssel zur Eindämmung weiterer Wasserverschmutzung liegt in der Fähigkeit, die richtigen Informationen rechtzeitig an entscheidungsbefugte Personen weiterzuleiten. Über eine Echtzeit-Überwachung können sich Wasserversorgungsunternehmen und Behörden rechtzeitig auf Überschwemmungen vorbereiten und die Bevölkerung warnen. Dadurch können Wasserversorger ihre Ressourcen effizienter einsetzen sowie Lecks und unzureichend arbeitende Anlagen erkennen.

Die derzeit eingesetzten Einzellösungen werden nicht ausreichen, um die Gesundheit unserer Flüsse zu verbessern. Erst ein ganzheitlicher Überblick über einen Fluss und der Einsatz von datengestützten Instrumenten erlaubt es Wasserversorgern, Verschmutzungen sowohl zu erkennen als auch vorherzusagen. Damit können Entscheider eingreifen, bevor große Probleme auftreten.

 

Unseren Flüssen eine Stimme geben

Durch Investitionen in moderne Technologien können wir den Flüssen eine Stimme verleihen, damit sie sich für ihre Bedürfnisse einsetzen können. Unsere Flüsse und Wasserquellen sind für das Überleben der Menschheit von entscheidender Bedeutung. Wir müssen sicherstellen, dass unsere Wasservorräte gesund sind und den Normen entsprechen.

Gleichzeitig tragen wir gemeinsam die Verantwortung, uns um die Ökosysteme in unseren Wasserquellen zu kümmern und Überschwemmungen sowie Verschmutzungen zu minimieren. Die Nutzung von Daten und künstlicher Intelligenz sind das Schlüsselelement, um unsere Umweltziele zu erreichen. In einer Zeit, in der die Gesundheit unserer Flüsse ernsthaft gefährdet ist, wird der Einsatz dieser Technologien für die Wasserwirtschaft nicht länger eine nette Beigabe sein, sondern ein Muss, wenn wir unsere Flüsse vor weiterer Verschlechterung bewahren und den bereits entstandenen Schaden mindern wollen.

Stig Martin Fiskå, Global Head of Cognizant Ocean bei Cognizant

 

Stig Martin Fiskå ist Global Head of Ocean bei Cognizant – einer neuen Geschäftseinheit, die modernste Technologien und innovative Lösungen einsetzt, um Nachhaltigkeit, Effizienz und Wachstum in der maritimen Industrie zu fördern. Fiskå verfügt über umfangreiche praktische Erfahrung in den Bereichen digitale Transformation, künstliche Intelligenz, digitaler Vertrieb, Marketing, Customer Journey, Adtech, Martech und Business Development. Vor seiner Tätigkeit als Head of Ocean er als Head of Artificial Intelligence, Data, IoT and Industry 4.0 bei Cognizant tätig.
[1] https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/fluesse-in-deutschland-92-prozent-sind-in-einem-schlechten-zustand/?tx_bundpoolnews_display%5Bfilter%5D%5Btopic%5D=11&cHash=d8ebd08578a6e1ea42c4a5a38877f324

 

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