Process Mining – Letztendlich profitieren alle

Process Mining stellt datenbasiert die tatsächlichen Prozesse samt ihren Ineffizienzen in Echtzeit dar und erlaubt es einzugreifen und Abläufe zu verbessern. »manage it« sprach mit Remy Lazarovici, Geschäftsführer DACH bei Celonis, wie Unternehmen nun ihre gesamten End-to-End-Prozesse betrachten und mit Process Intelligence optimieren können – vom Einkauf über Logistik und Produktion bis hin zur Auslieferung an den Kunden, dem Service und den Finanzprozessen.

 


Was ist Process Mining und wie unterscheidet es sich von klassischem Business Process Management?

Process Mining erfasst und analysiert die realen Unternehmensprozesse inklusive ihrer wechselseitigen ­Abhängigkeiten und Schwachstellen. Dazu wertet es ohnehin vorhandene Daten aus unterschiedlichen Quellsystemen wie etwa ERP- und CRM-Systemen aus. Aber auch andere Anwendungen, Dateien oder externe Datenquellen können einbezogen und analysiert werden, um beispielsweise Einkaufspreise oder Lieferantenbewertungen zu ­berücksichtigen. Dadurch erhalten Verantwortliche einen umfassenden und validen Überblick über ihre gesamten Unternehmensabläufe – vergleichbar mit einem Röntgengerät für Geschäftsprozesse. 

Im Gegensatz zu BPM, das ideale Prozesse für ein Unternehmen aufzeigt, stellt Process Mining datenbasiert die tatsächlichen Abläufe samt ihren Ineffizienzen in Echtzeit dar und ermöglicht zudem eine (teil-)automatisierte Optimierung.

 

Remy Lazarovici,
Geschäftsführer DACH
bei Celonis


Wo liegen die Vorteile dieses technologischen Ansatzes?

Mit Process Mining erhalten Unternehmen erstmals in Echtzeit einen Überblick darüber, wie Prozesse tatsächlich ablaufen, wo es – bis dahin oft unerkannte – Schwachstellen gibt und was deren Ursachen sind. Dies gilt insbesondere für die Schnittstellen zwischen Prozessen, an denen sich oft Ursachen für Ineffizienzen verbergen. Kommt es beispielsweise zu Problemen in der Lieferkette oder der Logistik, verzögern sich auch die Produktion und Auslieferung an den Kunden – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Rechnungsstellung und die Liquidität. Process Mining gibt hier nicht nur einen Überblick, sondern erlaubt es auch, einzugreifen und Abläufe zu verbessern. So nutzen viele Kunden unsere Software, um ihre Lieferketten resilienter und effizienter zu machen.


Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein? Welche Hürden gilt es zu überwinden?

Process Mining benötigt Daten. Diese sind in Unternehmen in der Regel im Überfluss vorhanden, aber auf viele verschiedene Datenquellen verteilt. Selbst in mittelständischen Betrieben gibt es kaum noch Geschäftsprozesse, die nur von einem einzigen IT-System gestützt werden. Daher ist es entscheidend, all diese Datenquellen einzubinden und zu nutzen, nur so erhalte ich einen umfassenden Überblick.

Wird Process Mining als SaaS-Lösung betrieben, erleichtert dies die Einführung und Nutzung erheblich. Meist beginnen Unternehmen mit einem Proof of Concept. Häufig im Finanzbereich oder in der Supply Chain, da Verbesserungen dort erfahrungsgemäß schnell realisierbar sind und sich zudem einfach messen lassen. Nämlich in Euro und Cent. 

Dieses schrittweise Vorgehen sorgt in Kombination mit dem Bezug aus der Cloud für einen einfachen Einstieg in das Process Mining. Wichtig ist darüber hinaus, offen für die vorgeschlagenen Veränderungen zu sein. Daher empfehlen wir, die Beschäftigten – sowohl aus der IT als auch aus dem Fachbereich – frühzeitig mit einzubeziehen.


Wer profitiert davon?

Auch, wenn es fast zu schön klingt: letztendlich alle. Denn effizientere Prozesse sorgen nicht nur für bessere Unternehmensergebnisse, sondern entlasten Beschäftigte auch von oft frustrierenden Routineaufgaben und »trouble shooting«. Zuverlässigere Lieferungen erhöhen die Kundenzufriedenheit und eine effizientere Logistik reduziert die Emissionen. All dies sind Gründe, warum Process Mining so stark nachgefragt ist und Gartner kürzlich einen eigenen »Magic Quadrant« dafür publiziert hat.


Was bedeutet Process Mining für den ERP-Einsatz?

ERP-Systeme sind natürlich eine der zentralen Datenquellen für Process Mining. Die Interaktion ist dabei jedoch keine Einbahnstraße. Denn von der Process-Mining-Software vorgeschlagene Änderungen können ganz oder teilweise automatisiert ins ERP-System zurückgespielt werden, um Abläufe zu beschleunigen und zu verbessern.

Auch beim Release-Wechsel eines ERP-Systems, beispielsweise bei der Migration von SAP R/3 nach SAP S/4HANA, nutzen viele Kunden Process Mining, um bereits im Vorfeld Prozesse zu optimieren und diese verbesserten Abläufe dann im neuen ERP-System direkt zu implementieren. 


Welches sind die größten Fehler, um den optimalen Geschäftsprozess zu finden – und wie können Unternehmen sie vermeiden?

Der größte Fehler ist, zu glauben, dass man seine Prozesse wirklich kennt. Wir sehen oft einen Aha-Effekt, wenn Interessenten das erste Mal einen datenbasierten Einblick in die tatsächlichen Abläufe ihrer Unternehmen bekommen. Jeder weiß, dass es in der Praxis zu Abweichungen von den ideal entworfenen Prozessen kommt. Aber zu sehen, wie vielfältig und unkoordiniert die betriebliche Praxis ist, ist meist überraschend. 

Der größte Knackpunkt ist dann nicht die mittlerweile vielfach bewährte Technologie, sondern die Bereitschaft, Veränderungen auch umzusetzen. Daher ist es wichtig, dass das Management dies unterstützt. 

 

Prozesseffizienz in Theorie und Praxis

 


Welches Potenzial hat Process Mining?

Da Process Mining de facto bei jedem IT-gestützten Prozess in mittelständischen und großen Unternehmen sinnvoll eingesetzt werden kann, ist das Potenzial immens. Analysten gehen davon aus, dass erst ein sehr niedriger Prozentsatz des Marktes für Process Mining erschlossen ist. Hinzu kommt, dass sich gerade im Zusammenspiel mit KI ganz neue Möglichkeiten auftun, Process Mining einzusetzen. Nicht umsonst wird auch zunehmend von Process Intelligence statt »nur« von ­Process Mining gesprochen. 


Wie ist der Stand der technischen Entwicklung und welche Neuerungen kommen zum Beispiel im Zusammenhang mit KI auf uns zu?

War Process Mining anfangs auf die reine Analyse einzelner separierter Abläufe beschränkt, hat sich der Funktionsumfang in den vergangenen Jahren drastisch erweitert: Mit der ­neuesten Technologiegeneration, dem Object-Centric Process Mining (OCPM), können Unternehmen nun ihre gesamten End-to-End-Prozesse betrachten – vom Einkauf und der Beschaffung über Logistik und Produktion bis hin zur Auslieferung an den Kunden, dem Service und den Finanzprozessen. Der objektzentrierte Ansatz ermöglicht es, jederzeit die Perspektive zu wechseln, Abläufe auch aus der Sicht von Maschinen, Gütern, Rechnungen etc. zu betrachten und so in Echtzeit ungeahnte Einblicke in die Abläufe zu bekommen. Das Abbild wird zum digitalen Zwilling einer Organisation. 

Ein weiteres großes Thema ist die Einbindung von unterschiedlichen KI-Modellen. Einerseits um auch nicht IT-affinen Anwendern die Interaktion mit der Software zu erleichtern. Salopp formuliert, kann ich fragen »Hey Celonis, warum sind meine Lieferungen aus XY immer zu spät?« und erhalte postwendend eine Antwort darauf. Andererseits kann eine moderne Process-Mining-Software auch als »Enabler« für den erfolgreichen Einsatz anderer KI-Modelle fungieren und für verlässliche Ergebnisse sorgen. PM und KI sind quasi das ­perfekte Doppel.

 


Illustration: © form and form | shutterstock.com

 

 

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